Vier Hodenkrebs-Fälle in der Bundesliga: So hoch ist das Risiko für junge Männer

Hodenkrebs ist eine Gefahr, die hauptsächlich junge Männer betrifft. Das wissen mittlerweile viele – vor allem seit im vergangenen Jahr vier Bundesligaprofis ihre Erkrankung öffentlich gemacht haben. Welche Risikofaktoren es gibt und ob Profisport einer davon ist. Das sagen Experten.

Sébastien Hallers Märchengeschichte bekommt aktuell einen kleinen Dämpfer. Im vergangenen Jahr hatte der BVB-Star zunächst den Hodenkrebs besiegt und im Anschluss die Borussia fast zu Meisterschaft geschossen. Nun sitzt er wegen schlechter Fitnesswerte zunehmend auf der Bank. Eine Nebenwirkung der vier Chemos, die er durchmachen musste? Das ist nicht bekannt. Klar ist, Haller hat den Krebs besiegt und der BVB hält an dem Stürmer fest. „Wir werden seine Qualität in dieser Saison noch benötigen. Seb hat das Toreschießen sicher nicht verlernt!“, sagt etwa BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl der „Bild“.

Die Meldung um Haller rückt einmal mehr das Thema Hodenkrebs in den Fokus. Es sorgte bereits vergangenes Jahr für Aufregung als gleich vier Bundesliga-Profis innerhalb weniger Monate ihre Hodenkrebs-Erkrankung publik machten. Neben BVB-Star Haller sprachen auch Unions Timo Baumgartl (heute Schalke 04) sowie die beiden Hertha-Spieler Marco Richter (heute 1. FSV Mainz 05) und Jean-Paul Boëtius offen über ihre Diagnose. Schon damals wurde gerätselt: Sind Fußballprofis oder generell Profisportler möglicherweise gefährdeter?

4200 Fälle pro Jahr – die Häufigkeit von Hodenkrebs

Kurzer Exkurs zu den Zahlen: Nach Schätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) erkranken in Deutschland jährlich knapp 279.000 Männer neu an Krebs. Hodenkrebs macht dabei mit etwa 4200 Fällen lediglich 1,6 Prozent aus. Zum Vergleich: An Prostatakrebs erkranken pro Jahr 65.200 Männer, an Darmkrebs 34.000 Männer.

Ausnahme bildet jedoch eine Gruppe: junge Männer. Bei den 18- bis 40-Jährigen ist Hodenkrebs mit Abstand die häufigste Krebsform.

Höheres Hodenkrebs-Risiko für Fußball-Profis? „Dafür gibt es keine wissenschaftlichen Belege“

Sind Profi-Fußballer oder generell Leistungssportler noch einmal stärker gefährdet? „Das Ausmaß der körperlichen Aktivität hat unseres Wissens keinen Einfluss auf das Risiko der Entstehung von Hodenkrebs“, sagen die Onkologen Christoph Oing vom Freeman Hospital in Newcastle und Christoph Seidel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zu FOCUS online. „Der Eindruck, dass Leistungssportler in besonderem Maße betroffen sind, rührt unserer Ansicht lediglich daher, dass sie in die Altersklasse der Männer fallen, die am häufigsten von Hodenkrebs betroffen sind, nämlich Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahre“, erklären sie.

Auch die Bekanntheit der Profis spiele in diesen Fällen sicherlich eine Rolle. „Eine Hodenkrebserkrankung bei einem jungen Leistungssportler kann so unmittelbar zu medialer Aufmerksamkeit führen“, so die Experten. Sie sehen darin einen positiven Effekt: „Es ist sicherlich sehr hilfreich, um Aufklärungskampagnen zu unterstützen und so die öffentliche Aufmerksamkeit auf diese seltene bösartige aber erfreulicherweise meist heilbare Tumorerkrankung zu erhöhen.“

Der Berufsverband der Deutschen Urologen (BvDU) und die Deutsche Gesellschaft für Andrologie (DGA) verweisen auf Nachfrage auf ein gemeinsames Statement: „Laut derzeitigem Stand gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass ein höheres Risiko besteht.“ Man gehe aktuell von einer „Koinzidenz“ aus, also einem Zufall.

Hodenkrebs – diese Risikofaktoren sollten Sie kennen

Auch sie loben den Umgang der Profi-Spieler mit ihrer Erkrankung. Denn: „Auch ohne bewiesenen Zusammenhang bleibt die generelle Gefahr einer Hodenkrebs-Erkrankung bei jungen Männern – bisher größtenteils ein Tabu-Thema – bestehen.“ Die Gefahr bestehe darin, dass das viele junge Männer immer noch nicht wüssten. „Ein Umstand, der sich dank des offenen Umgangs der Fußballer mit ihrer Krankheit derzeit zu ändern scheint.“

Neben dem Alter gibt es noch andere Risikofaktoren, die Männer kennen sollten. Die Deutsche Krebsgesellschaft nennt:

  • Hodenfehllage wie Leisten- oder Pendelhoden und Hodenhochstand
  • vorangegangene Hoden­krebserkrankung
  • familiäre Vorgeschichte, etwa wenn Vater oder Bruder erkrankt sind oder waren
  • diagnostizierte Unfruchtbarkeit

Anders als bei den meisten anderen Krebserkrankungen spielen Lebens­stil, darunter beispielsweise Rauchen oder Alkoholkonsum, sowie Umwelt­faktoren nach derzei­tigen Erkennt­nissen keine Rolle.

Die gute Nachricht: 95 Prozent der Männer mit Hodenkrebs werden wieder gesund

Die Heilungschancen für Patienten mit Hodenkrebs sind erfreulicherweise sehr hoch. Je früher Hodenkrebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. „Wird die Krankheit frühzeitig erkannt, beträgt die Heilungsquote nahezu 100 Prozent“, sagen die Experten Oing und Seidel. Doch auch wenn der Tumor bereits streute, sind die Heilungsaussichten mit 67 bis 95 Prozent im Vergleich zu den meisten anderen bösartigen Tumorerkrankungen exzellent, betonten sie. Und allgemein gilt: Rund 95 Prozent der Männer mit Hodenkrebs werden wieder gesund.

So auch die vier Bundesliga-Profis. Sie alle haben den Krebs besiegt, konnten sogar nach wenigen Monaten wieder ihre Teams unterstützen. Erste Experten sprechen sich bereits dafür aus, eine Vorsorgeuntersuchung in die Medizinchecks der Profis aufzunehmen. Bis dahin gilt für alle, nicht nur für die Profis: Regelmäßig selbst abtasten und Vorsorgeuntersuchungen beim Urologen vereinbaren.

Hoden abtasten – so geht’s

Die Deutsche Gesellschaft für Urologie ruft junge Männer zwischen 14 und 45 Jahren zum regelmäßigen „Hodencheck“ einmal im Monat auf:

 

1. Zuerst Hodensack und Hoden in der geöffneten Handfläche von unten betasten und leicht auf und ab bewegen. Dabei entsteht ein Gefühl für Gewicht und Größe der Hoden.

 

2. Dann jeden Hoden einzeln abtasten: Dafür die Hoden zwischen Daumen (oben) sowie Zeige- und Mittelfinger (unten) hin und her rollen. Unebenheit oder Knoten sind so leicht zu spüren.

 

3. Tastbar sind auch die Nebenhoden, die wie eine Mütze oben auf und an der Außenseite der Hoden liegen und leicht mit einem auffälligen Befund verwechselt werden können.

 

4. Zuletzt noch im Spiegel prüfen, ob eine Schwellung im Bereich des Hodensacks auffällig ist.

 

Die wichtigsten Frühsymptome bei Hodenkrebs sind tastbare, schmerzlose, harte Schwellungen des Hodens oder Knoten im oder am Hoden. Mehr Informationen hat die Deutsche Gesellschaft für Urologie in Kooperation mit dem Berufsverband der Urologen auf der Homepage hodencheck.de zusammengestellt.

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