Besonders 3 Gruppen von Männern entscheiden sich für Vasektomie
Immer mehr Männer in Deutschland lassen sich sterilisieren. Die Vasektomie ist mittlerweile kein Tabu-Thema mehr, sagen auch die behandelnden Ärzte. Sie sehen vor allem drei Gruppen, die diese Behandlung durchführen lassen. Alle Informationen und medizinischen Hintergründe.
„Hupe, wenn Du eine Vasektomie hattest“, steht auf dem Anhänger. Und tatsächlich: Alle paar Minuten erklingt eine Hupe. Der US-Urologe Esgar Guarin betreibt die landesweit einzige mobile Sterilisationsklinik in den USA. In den Staaten ist die Nachfrage nach Vasektomien nach der umstrittenen Aufhebung des bundesweiten Abtreibungsrechts nach oben geschossen.
Zugegeben: In Deutschland würde wohl nicht alle paar Minuten eine Hupe ertönen. Doch auch hier steigen die Zahlen. Aktuell seien es etwa 50.000 Vasektomien pro Jahr, Tendenz steigend, sagen die Münchner Urologen Michael Schwab und Patrick Bössner der „Süddeutschen Zeitung“. Die beiden haben sich auf diesen Eingriff spezialisiert.
Vasektomien – kein Tabuthema mehr
Das Selbstverständnis der Männer habe sich verändert, nennen die Münchner Urologen als eine Erklärung. „Früher war die Frau für die Verhütung zuständig, jetzt auch der Mann.“
Zudem werde mittlerweile offener über Vasektomien gesprochen, beobachtet Urologe Marc Armbruster. Der Facharzt aus Kornwestheim in Baden-Württemberg führt seit 15 Jahren Vasektomien durch. „Als ich angefangen habe, hatte ich das Gefühl, dass ein Patient nur seinem allerbesten Kumpel davon erzählt hat“, sagt er. „Es war schon ein Tabuthema. Jetzt kommt eher jemand und sagt: ‚Mein Nachbar hat es empfohlen, und im Fußballverein hat es auch jemand gemacht.‘ Es wird unter Männern viel offener darüber gesprochen.“
Vasektomie hat keinen Einfluss auf Erektion, Ejakulat oder Sexualtrieb
Auch die Informationslage habe sich verbessert. Die meisten Männer wüssten mittlerweile, was bei einer Vasektomie, der Operation zur Sterilisation vom Mann, passiert, so der Tenor der Ärzte. Bei dem Eingriff werden die Samenleiter auf beiden Seiten durchtrennt, sodass der Hoden zwar weiterhin Spermien produziert, diese aber nicht mehr in die Harnröhre kommen. Die Frau zu befruchten und ein Kind zu zeugen ist dem Mann dann nicht mehr möglich.
Im Vergleich zur Sterilisation bei der Frau ist der Eingriff einfacher und risikoloser. Erektionsfähigkeit, Lustempfinden und Hormonhaushalt bleiben gleich. Auch der Erguss selbst sieht aus und riecht genauso wie vor der Sterilisation.
Hinweis: Eine Vasektomie ist etwas anderes als eine Kastration. Bei letzterer entfernt der Arzt die Hoden operativ oder unterbindet ihre Funktion hormonell.
Praxisalltag: Besonders 3 Gruppen von Männern entscheiden sich für Vasektomie
Aus ihrem Praxisalltag berichten die Münchner Urologen, dass besonders drei Gruppen von Männern zu ihnen kommen: Die größte Gruppe sei die der „Happy Family“. Die Wunschkinder seien da, die Eltern glücklich mit ihrer derzeitigen Kindersituation. Oftmals spielten auch praktische Gründe eine Rolle für die Entscheidung gegen weitere Kinder – die Wohnung zu klein oder kein Platz für einen vierten Kindersitz im Auto.
Die zweite Gruppe ist die der Getrennten mit neuer Partnerin, wobei die Männer kein weiteres Kind möchten, klären die Ärzte auf. Und die dritte Gruppe ist die der „klassischen Patchworkfamilie“. Hier bringen beide Partner bereits eigene Kinder mit in die Familie und wollen keine weiteren mehr.
Und natürlich: „Dann gibt es noch die, die überhaupt keine Kinder in ihrer Lebensplanung haben“, sagt Urologe Bössner. Diese Männer seien oftmals Mitte bis Ende 20. „Wir unterhalten uns ja mit allen, und da besteht einfach überhaupt kein Kinderwunsch.“ Einen 18-Jährigen mit Vasektomie-Wunsch hätten sie aber zunächst wieder nach Hause geschickt. „Wir nehmen den Eingriff normalerweise erst bei Männern über 30 vor. Da gehen wir davon aus, dass es eine gereifte Entscheidung ist, keine Kinder haben zu wollen.“
Vasektomie – so läuft die OP ab
Es gibt dabei verschiedene Möglichkeiten, den Spermien den Weg abzuschneiden. Die Experten von FOCUS Gesundheit erläutern die zwei gängigsten:
- Klassischer Vasektomie-Eingriff: Der Arzt setzt einen winzigen Schnitt von einem halben bis einem Zentimeter Länge und legt die Samenleiter frei. Er durchtrennt und kürzt sie um ein bis drei Zentimeter, dann verödet und vernäht er die Enden. Diese Form der Vasektomie hinterlässt eine Narbe. Die ist aber so winzig, dass sie nach einigen Wochen kaum noch zu sehen ist.
- Methode ohne Skalpell (NSV): Dabei punktiert der Arzt die Haut des Hodensacks lediglich und spreizt sie mittels Klemmen auf, um zu den Samenleitern zu gelangen, die er nur durchtrennt, nicht kürzt. Bei diesem Verfahren sind Komplikationen wie Blutergüsse und Wundinfektionen relativ selten. Der Mann sollte sich lediglich ein paar Tage körperlich (und sexuell) schonen.
Die meisten Vasektomien erfolgen ambulant. Der Eingriff dauert etwa eine halbe Stunde. Die Kosten liegen zwischen 450 und 600 Euro und müssen in der Regel selbst bezahlt werden. Krankenkassen übernehmen den Eingriff nur, wenn medizinische Gründe vorliegen.
So sicher ist eine Vasektomie
Die Vasektomie hat einen Pearl-Index von 0,1 bis 0,15. Das heißt, von tausend Frauen ist bei dieser Verhütungsmethode innerhalb von zwölf Monaten nur eine trotzdem schwanger geworden. Zum Vergleich: Bei der Antibabypille liegt der Pearl-Index zwischen 0,2 und 0,5 (von 1000 Frauen werden zwei bis fünf schwanger), bei Kondomen zwischen zwei und zwölf (von 100 Frauen werden zwei bis zwölf schwanger). Die Vasektomie gilt damit als sehr sichere, aber eben auch endgültige Verhütungsmethode.
Lediglich wenn die Samenleiter wieder zusammenwachsen (Rekanalisierung), kann die Frau trotz Vasektomie schwanger werden. Das kommt laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aber extrem selten vor. Die Wahrscheinlichkeit liegt demnach bei 0,03 bis 1,2 Prozent.
Seltene Nebenwirkungen
Bei einer Vasektomie sind Nebenwirkungen laut den Experten von FOCUS Gesundheit insgesamt selten. Nur bei einem bis zwei Prozent der Männer treten Beschwerden auf, etwa ein Druckgefühl in den Hoden, Blutergüsse oder eine Wundinfektion. Mit einer passenden Behandlung verschwineden solche Vasektomie-Komplikationen meist bald wieder. Ebenso harmlos sind normalerweise sogenannte Sperma-Granulome. Diese kleinen Knoten sind Gewebeeinschlüsse von Samenzellen und entstehen durch Druck in den Hoden, die weiterhin Spermien produzieren.
Debattiert wird auch ein möglicher Zusammenhang zwischen Vasektomie und Prostatakrebs. Einer Meta-Studie aus dem Jahr 2017 zufolge könnte die Wahrscheinlichkeit nach einer Vasektomie daran zu erkranken ein klein wenig größer sein, wissenschaftlich abschließend geklärt ist dieser Zusammenhang allerdings nicht. Alles in allem bestehen bei einer Vasektomie nur geringe Risiken.
Lässt sich eine Vasektomie rückgängig machen?
Bei einer Wiederherstellungs-Operation (sogenannte Vaso-Vasostomie) werden beide Samenleiterenden unter dem Operationsmikroskop wieder zusammengenäht. Allerdings kann der Erfolg nicht garantiert werden. Zudem ist die Vaso-Vasostomie teuer. Es fallen mehrere tausend Euro an.
Psychologe: Häufig ist Entscheidung eher emotional
Die Entscheidung für eine Vasektomie fällt den meisten Männern nicht leicht. Timo Storck, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie, sagt, dass es für viele auf emotionaler Ebene schwieriger sein könne als auf anatomischer oder rationaler Ebene – etwa wenn sich jemand frage: „Ist das ein Verzicht auf etwas, von dem ich denke, dass ich es irgendwann einmal bereuen könnte?“
Es sei auf jeden Fall wichtig, jemandem bei dem Thema weder moralisch noch psychologisch etwas vorzuschreiben, „denn es ist eine sehr persönliche, individuelle Entscheidung, die jeder gut abwägen sollte“.
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