Studie mit Raloxifen in Italien bekommt grünes Licht

Mit Raloxifen reiht sich ein weiterer Wirkstoff in das Spektrum der bekannten Arzneimittel ein, die für den Einsatz gegen COVID-19 umgewidmet werden könnten. Das EU-geförderte, europaweite Konsortium Exscalate4CoV hat es für diese Anwendung herausgefiltert. Der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) ist schon lange für die Osteoporose-Therapie zugelassen.

Am 27. Oktober 2020 hat die italienische Arzneimittelzulassungsbehörde AIFA grünes Licht für eine klinische Studie zur Erprobung von Raloxifen bei Patienten mit leichten, durch SARS-CoV-2 verursachten Symptomen gegeben. Der selektive Estrogen-Rezeptor-Modulator (SERM) ist bereits seit 1998 für die Behandlung und Vorbeugung der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen zugelassen. Es handelt sich also um einen weiteren „Repurposing“-Ansatz zur Therapie von COVID-19. In die geplante randomisierte Placebo-kontrollierte Studie sollen über zwölf Wochen bis zu 450 COVID-19-Patienten mit milden Symptomen aufgenommen werden. Sie sollen im römischen Spallanzani-Krankenhaus oder im Humanitas-Krankenhaus in Mailand ambulant oder stationär behandelt werden und 7 Tage lang Raloxifen oder Placebo erhalten. Die Dosierung steht noch nicht fest. Die Studie läuft unter der Kontrolle des Italienischen Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten „L. Spallanzani“ in Rom.

Allgemeine Verfügbarkeit durch Patent gesichert

Das ebenfalls federführend daran beteiligte Mailänder Biopharma-Unternehmen Dompé Farmaceutici hat gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut und der Universität Leuven im belgischen Flandern bereits einen Patentantrag für den Einsatz von Raloxifen bei COVID-19 gestellt. Damit soll die allgemeine Verfügbarkeit des Estrogenrezeptor-Agonisten als Behandlungsoption gesichert werden, falls dieser sich bei COVID-19 als wirksam erweist. Die besonderen Vorteile lägen darin, dass Raloxifen ein etabliertes toxikologisches Profil besitzt und dass es sehr gut verträglich und als Generikum breit und kostengünstig erhältlich ist. Im Falle der Zulassung könnte es rasch in großen Mengen und zu geringen Kosten bereitgestellt werden.

Ursprung in Exscalate4CoV

Im Juni hatte das von der EU im Rahmen von Horizon 2020 geförderte, europaweite Konsortium Exscalate4CoV bekanntgegeben, dass Raloxifen für die Behandlung von COVID-19 in Frage kommen könnte. Dompé Farmaceutici koordiniert das Konsortium von 18 Partnern und weiteren 15 assoziierten Mitgliedern. Bei dem Projekt sind Rechenzentren in Italien, Spanien und Deutschland sowie große Forschungszentren, Pharmaunternehmen und biologische Institute aus ganz Europa eingebunden. Es nutzt eine der leistungsfähigsten Supercomputing-Plattformen der Welt, um den Einfluss bekannter Moleküle auf das neuartige Coronavirus zu untersuchen und kombiniert Hochleistungsrechner und künstliche Intelligenz mit biologischer Verarbeitung.

Wie funktioniert Exscalate4CoV?

Exscalate4CoV kann innerhalb von Wochen ein Screening-Verfahren durchführen, das mit traditionellen Verfahren viele Jahre in Anspruch nehmen würde. In einem ersten Schritt wurden bisher sechs von 25 verschiedenen Proteinmodellen von SARS-CoV-2 ermittelt. Wöchentlich gehen nach Angaben des Projektteams verschiedene Mutationen ein, die für den nächsten Schritt in eine digitale Form überführt werden. Im zweiten Schritt wird die digitale Struktur der Coronavirus-Proteine mit der verfügbaren Molekül-Bibliothek abgeglichen. Danach unterziehen Laboratorien in Belgien und Deutschland die identifizierten Moleküle verschiedenen biologischen Screenings, um herauszufinden, wie sie mit dem Virusmodell interagieren und ob sie dessen Aktivität stoppen können.

400.000 Moleküle virtuell getestet

Mit seinen Supercomputern hat das Konsortium bereits 400.000 Moleküle virtuell getestet. 7.000 kamen in die Vorauswahl und wurden in vitro weiter untersucht. Dabei erwies sich Raloxifen als vielversprechend. Die klinische Studie, die jetzt starten soll, markiert den Endpunkt der ersten Phase von Exscalate4CoV. Nach Einschätzung des Projektteams könnte Raloxifen die Replikation des Virus in Zellen wirksam blockieren und somit das Fortschreiten der Krankheit stoppen. Außerdem soll es durch die Senkung der Viruslast auch die Infektiosität verringern. Über die Resultate des Screenings durch die Supercomputer hinaus soll es auch Hinweise aus der frühen Phase der Coronavirus-Pandemie gegeben haben, dass die Estrogene prämenopausaler Frauen möglicherweise vor dem Virus schützen könnten. Das würde mit dem Wirkprinzip von Raloxifen recht gut zusammenpassen.

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