Sterblichkeit, Ausbreitung, Dauer: Virologe räumt mit Zahlen-Wirrwarr um Corona auf
Die Zahlen- und Faktenlage zum Coronavirus ist verwirrend. Es kursieren viele verschiedene Informationen. Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, hat nun bei der Bundespressekonferenz den aktuellen wissenschaftlichen Stand in Deutschland eingeordnet.
"Es ist derzeit fast unmöglich zu sagen, wie gefährlich das Virus ist", so Virologe Drosten. Man kenne das Virus einfach noch nicht gut genug. Und deshalb könnten sich Einschätzungen auch in kurzer Zeit wieder ändern. Wichtig seien für die Beurteilung einer Krankheit vor allem drei Dinge:
- Fallsterblichkeit
- Geschwindigkeit der Ausbreitung
- Dauer einer möglichen Pandemie/Epidemie
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Fallsterblichkeit bei Corona
Diese liege derzeit zwischen 0,3 und 0,7 Prozent, sagt Drosten, der damit anderen Rechnungen widerspricht, die von mehr als zwei Prozent ausgehen.
"In den sozialen Medien wird hierzu viel Drama gemacht. Und es gibt auch viele Bestrebungen, Drama zu machen." So gebe es inzwischen auch Unternehmen, die Profit aus den Zahlen schlagen wollten und gezielt hohe Sterblichkeitsraten streuen würden, so Drosten. "Ich finde nicht gut, wenn man die Fallzahlen nicht korrekt betrachte." Viele würden so rechnen, dass die neu erkrankten ja in zwei Wochen alle noch sterben könnten und damit die Rate deutlich steigen könnte. Aber dies sei keine seriöse Art der Berechnung.
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Geschwindigkeit der Ausbreitung
Eine wichtige Kennziffer für eine Pandemie oder Epidemie sei, wie schnell sich die Krankheit ausbreite. Dies hätte den "höchsten Informationswert", sei hier aber auch am "allerschwersten zu schätzen", so Drosten. Die Frage sei, wie viele Menschen sich infizieren, die mit einem Kranken in Kontakt kommen. "Die aktuellen Zahlen liegen hier bei 5 bis 10 Prozent", erklärt der Virologe.
Das liege unter der Verbreitungsgeschwindigkeit von Influenza-Pandemien – wobei damit "nicht die saisonale Grippe" gemeint sei. "Es gibt da aber ganz große Unsicherheiten noch – das kann sich auch noch ganz grob ändern", so Drosten weiter.
Grundsätzlich betonte er: "Es gibt viele milde Fälle. Das ist im Grund wie eine Erkältung." Für den Einzelnen sei die Krankheit deshalb kein großes Problem, wenn er zu keiner Risikogruppe gehört.
Dauer der Pandemie/Epidemie
Wie lange dauert es, bis die Corona-Epidemie in Deutschland vorbei ist? Zu dieser Frage sagte der Virologe vergangene Woche, dass sich knapp 70 Prozent der Bevölkerung infizieren müssten, damit die Erkrankung gestoppt werden kann. Daraufhin habe er viele empörte Reaktionen bekommen, sagte Drosten nun. Und machte sich sogleich daran, zu erklären, wie er auf die Zahl komme. „Das ist kein Drohszenario“, so Drosten. „Das ist etwas ganz Natürliches, gar nichts Schlimmes, wenn sich das über eine längere Zeit ausdehnt.“
Drosten lieferte das dazugehörige Rechenbeispiel. Man gehe aktuell davon aus, dass ein Erkrankter im Schnitt drei andere Menschen infiziere. „Also in der ersten Woche einer, in der zweiten Woche drei, in der dritten Woche neun.“ Nun sei die Frage: „Was muss passieren, damit das stoppt?“ Es müsse das Ziel sein, diese Quote auf unter eins zu drücken. Dann würde sich die Krankheit nicht weiter ausbreiten. Und das passiere, wenn mindestens zwei von drei Menschen immun gegen eine Ansteckung seien, also schon mal erkrankt waren. „Und zwei von drei sind eben 67 Prozent“, so Drosten.
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Werden Infizierte wirklich immun gegen Coronavirus?
Doch werden Corona-Infizierte wirklich immun gegen die Krankheit? RKI-Chef Lothar Wieler: "Patienten haben neutralisierende Antikörper", die sie immun machten. "Wie lange die Immunität hält, werden wir natürlich erst hinterher beantworten können." Drosten ergänzt, dass aus Asien Mehrfach-Infektionen gemeldet worden seien. Er habe sich die Fälle angeschaut und könne das so nicht bestätigen.
"Manchmal gehen Leute am Anfang ins Krankenhaus und bei einem schweren Verlauf in der folgenden Woche nochmal ins Krankenhaus. Vielleicht sogar in ein anderes. Und dann werden sie einmal positiv getestet und beim zweiten Mal nochmal." Aber es sei dieselbe Infektion. "Diese Erkrankung verleitet dazu, Missverständnisse zu haben", so Drosten.
Spahn startet "verstärkte Kommunikationsoffensive"
Drostens Ausführungen sind Teil einer "verstärkten Kommunikationsoffensive", so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Das Coronavirus mache vielen Bürgern Angst und Sorge, sagt Spahn.
Das sehe er auch daran, dass die Hotlines teilweise überhitzt seien. Er wertet das "hohe Informationsbedürfnis der Menschen" als "gutes Zeichen" und will mithilfe der Experten und ihren Sachinformationen "Unsicherheiten abbauen".
Wichtige Telefonnummern bei Covid-19-Verdacht
Die Bundesregierung empfiehlt: Bei Coronavirus-Symptomen ist es besser anzurufen, statt im Wartezimmer zu sitzen.
- 116 117: Ärztlicher Bereitschaftsdienst
- 115: Einheitliche Behördennummer
- 0800 011 77 22: Unabhängige Patientenberatung Deutschland
- 030 346 465 100: Bürgertelefon des Bundesgesundheitsministeriums
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