Der zweitbeste Weg zur Geburt
Fast jede dritte Schwangere in Deutschland entbindet heute per Kaiserschnitt. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Einige Experten betonen, das seien zu viele.
„Kaiserschnitt ist wie ein Medikament“, sagt Frank Reister. „Es braucht eine Indikation, eine Dosierung, es hat Nebenwirkungen. Und jetzt gerade ist es gesamtgesellschaftlich klar überdosiert“, erklärt der Leiter der Sektion Geburtshilfe an der Universitäts-Frauenklinik Ulm.
Veränderte Schnitttechnik hat die Risiken gesenkt
Allerdings sind die Nebenwirkungen nicht so gravierend, wie oft zu hören ist. „Viele Sorgen, die es früher rund um den Kaiserschnitt gab, sind heute unbegründet“, sagt Reister. Das liege vor allem an der veränderten Schnitttechnik.
Vor 20 oder 30 Jahren wurde beim Kaiserschnitt noch längs und in den Korpus der Gebärmutter geschnitten. Das konnte sich vor allem bei einer weiteren Schwangerschaft negativ auswirken. „Die Narbe ist dann unter der nächsten Geburt, aber auch vorher in der Schwangerschaft, erheblich belastet“, sagt Reister. Entsprechend hoch war das Risiko einer Ruptur – eines Risses.
Diese Gefahr besteht heute kaum noch, wenn Frauen nach einem Kaiserschnitt erneut schwanger werden. Denn Ärzte öffnen die Gebärmutter heute quer am Übergang zwischen Körper und Hals des Organs. „An der Stelle ist die Belastung vor und unter der Geburt deutlich geringer“, sagt Reister. Selbst während der Geburt passiere eine Ruptur damit nur noch in einem von 200 Fällen. Dann müsse sehr schnell ein erneuter Kaiserschnitt erfolgen. „Unter guten medizinischen Bedingungen geht das in der Regel aber ohne lebensbedrohliche Komplikationen für Mutter und Kind ab.“
Die neue Technik ist auch einer der Gründe dafür, warum der Kaiserschnitt unmittelbar nach der Geburt kaum noch ein Problem darstellt. „Vor 20 Jahren war der Kaiserschnitt noch ganz anders als heute – da durften die Frauen nichts essen, es gab viele Infusionen“, erzählt Franz Kainer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM).
Auch heute müssten Frauen aber nach einem Kaiserschnitt mit Schmerzen rechnen. „Bei uns bleiben die Frauen drei bis vier Tage im Krankenhaus, also ein bis zwei Tage mehr als nach der regulären Geburt. Aber viel mehr gibt es da nicht zu wissen“, so Kainer. Laut Reister sind ernsthafte Probleme mit der Wundheilung heute extrem selten.
Möglichst nicht sofort wieder schwanger werden
Eins sollten Frauen nach einem Kaiserschnitt allerdings nicht: Sofort wieder schwanger werden. Mindestens drei Monate Pause empfiehlt Reister nach der Geburt, besser sogar ein Jahr.
Es ist ohnehin möglich, dass es mit dem erneuten Kinderwunsch nach dem Kaiserschnitt nicht sofort klappt. „Es gibt einen gewissen Zusammenhang zwischen dem Kaiserschnitt und der sogenannten sekundären Sterilität“, sagt Reister. Laut Robert Koch-Institut wird dieser Begriff verwendet, wenn Frauen nach einer Geburt nicht mehr schwanger werden. „Ob der Kaiserschnitt da wirklich die Ursache ist, lässt sich aber kaum sagen“, so Reister weiter.
Wenn Frauen nach einer Kaiserschnittgeburt ein weiteres Kind bekommen, können sie sich wieder für einen Kaiserschnitt entscheiden. Gegen einen zweiten oder dritten Eingriff dieser Art spricht kaum etwas. Zwar vernarbt das Gewebe weiter. Aber: „Wenn es gut verheilt, sieht es nach zwei oder drei Kaiserschnitten nicht anders aus als nach einer“, sagt Kainer.
Das Ziel: Frauen optimal betreuen
Allerdings muss man laut Kainer bedenken, dass das Risiko von Komplikationen in der nächsten Schwangerschaft etwas steigt. So kann sich zum Beispiel die Plazenta bei der folgenden Schwangerschaft im Gewebe der Narbe einnisten. „In solchen Fällen muss auf jeden Fall noch ein Kaiserschnitt gemacht werden, oft sind das dann relativ riskante und komplizierte Eingriffe“, erklärt Kainer. „Davon gab es in den vergangenen Jahren immer mehr, weil die Kaiserschnittrate insgesamt gestiegen ist.“
Das ist einer der Gründe, warum viele Experten noch immer sagen: Ein Kaiserschnitt ist nur der zweitbeste Weg zur Geburt – weniger wären besser, allen gesunkenen Risiken zum Trotz. „Unser Ziel sollte aber nicht sein, die Kaiserschnittrate zu senken – sondern eher, jede Frau optimal zu betreuen“, sagt Reister. Mehr Hebammen seien zum Beispiel nötig, bessere ärztliche Versorgung generell, „damit man für jede Frau ihren optimalen Geburtsweg findet. Die Kaiserschnittrate sinkt dann automatisch.“
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