Virologe entdeckt neuartige Coronavirus-Symptome: "Essen fing an, fade zu schmecken"
Feldforschung in Zeiten von Corona: Der Bonner Virologe Hendrik Streeck erforscht Symptome, die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöst werden. Wie er im Gespräch mit der Zeitung „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) verriet, gingen er und sein Team in den vergangenen Tagen im besonders betroffenen Landkreis Heinsberg von Haus zu Haus und sprachen mit Infizierten. Streeck, der das Institut für Virologie am Universitätsklinikum Bonn leitet, konnte sich so einen guten Überblick über die Coronavirus-Symptomatik verschaffen.
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Der Virologe berichtet, dass sie unter anderem neue Symptome entdeckt hätten. „Fast alle Infizierten, die wir befragt haben, und das gilt für gut zwei Drittel, beschrieben einen mehrtägigen Geruchs- und Geschmacksverlust“, schildert der Virologe im Gespräch mit der Zeitung. „Das geht so weit, dass eine Mutter den Geruch einer vollen Windel ihres Kindes nicht wahrnehmen konnte. Andere konnten ihr Shampoo nicht mehr riechen, und Essen fing an, fade zu schmecken.“ Zu welchem Zeitpunkt diese Symptome auftreten, sei unklar. „Wir glauben aber, etwas später in der Infektion.“ Die Forscher hatten nach eigenen Angaben mit mehr als 100 Infizierten gesprochen – stationäre Fälle, die in Kliniken behandelt werden, ausgenommen.
Coronavirus: Durchfall „häufiger, als bisher angenommen“
Der typische Covid-19-Patient zeige „nur milde“ Symptome, berichtet Streeck weiter. „Zu dem Ergebnis kommt auch eine chinesische Studie aus der Metropole Shenzhen, die herausgefunden hat, dass 91 Prozent der Infizierten nur milde bis moderate Symptome zeigen, mit einem trockenen Reizhusten, dazu eventuell Fieber.“ Auffallend bei den Untersuchungen an den deutschen Patienten sei der Geruchs- und Geschmacksverlust gewesen. „In 30 Prozent der Fälle trat bei unseren Infizierten auch Durchfall auf, das ist häufiger, als bisher angenommen wurde.“
Über die Gefährlichkeit des Erregers sagte er: „Der neue Erreger ist gar nicht so gefährlich, er ist sogar weniger gefährlich als Sars-1.“ Eine Besonderheit von Sars-CoV-2 sei jedoch, dass es von Rachen zu Rachen springen könne und damit infektiöser sei. Laut Experten ist das aktuelle Coronavirus zu 80 Prozent genetisch verwandt mit dem Sars-1-Erreger, dem Verursacher des schweren akuten Atemwegsyndroms. Sars-1 repliziere in der Lunge, „ist damit nicht so infektiös, geht aber in jedem Fall auf die Lunge, was es gefährlicher macht“, so der Virologe. „Sars-2 geht seltener auf die Lunge, was allerdings dann zu schweren Verläufen führt.“
Die hohen Todeszahlen in Ländern wie Italien resultierten daher, da dort vor allem Patienten mit schweren Symptomen auf den Erreger getestet werden, so Streeck. „Hinzu kommt, dass dort auch nachträglich die Toten auf Sars-CoV-2 getestet werden. Auch in China gingen anfangs die Todeszahlen stark in die Höhe, nicht aber die Infektionszahlen, weil man sich dort ebenfalls auf die Toten konzentrierte.“ Nun sei es umgekehrt, weil in China viel mehr getestet werde.
In Deutschland liegt die Todesrate durch Sars-CoV-2 wesentlich niedriger als in vielen anderen Ländern. Bei bislang 6000 nachweislich Infizierten gibt es bislang 13 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Bei den Toten habe es sich ausschließlich um alte Menschen gehandelt. „In Heinsberg etwa ist ein 78 Jahre alter Mann mit Vorerkrankungen an Herzversagen gestorben, und das ohne eine Lungenbeteiligung durch Sars-2. Da er infiziert war, taucht er natürlich in der Covid-19-Statistik auf“, so der Virologe. „Die Frage ist aber, ob er nicht sowieso gestorben wäre, auch ohne Sars-2.“
Natürlich würde auch in Deutschland die Anzahl der Toten steigen, „aber nicht um solch apokalyptisch hohe Zahlen, wie sie zum Teil im Umlauf sind.“ Es könne durchaus sein, „dass wir im Jahr 2020 zusammengerechnet nicht mehr Todesfälle haben werden als in jedem anderen Jahr.“
Quelle: „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
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