Raus aus dem Alltagstrott: Mit 5 einfachen Schritten schlechte Gewohnheiten loswerden

Gewohnheitsforscher? Ja, das gibt es wirklich! Und sie öffnen vielen Menschen die Augen für all die Dinge, die man jeden Tag tut, ohne sie sich bewusst zu machen – und über die man vielleicht doch mal nachdenken sollte.

Denn 43 Prozent des täglichen Verhaltens sind Gewohnheiten. Man erledigt etwas, ohne groß darüber nachzudenken, ohne abzuwägen oder bewusst zu entscheiden.

Wie man aus dem Bett steigt. Wie man die Reihenfolge von Duschen, Zähneputzen und Co. organisiert. Was man sich zum Frühstück machen. Ob man mit dem Auto oder mit dem Rad ins Büro fährt. Wann und wie oft man das Smartphone zückt.

Alles automatisiert. Alles Gewohnheiten.

Micro Habits können nützlich sein

Diese kleinen Gewohnheiten, englisch micro habits, machen fast die Hälfte des eigenen Verhaltens aus. Und das ist auch gut so.

Denn Gewohnheiten sind wie die Überholspur auf der Autobahn – sie sorgen dafür, dass man seinem Ziel schneller näher kommt, ohne an jeder Ausfahrt wieder darüber nachzudenken, ob man nicht besser abbiegt.

Müsste sich das Hirn auch noch damit aktiv beschäftigen, bliebe weniger Zeit und Kapazität für andere wichtige Entscheidungen.

„Denn Gewohnheiten sind Verhaltensweisen, die genutzt werden, um mit möglichst wenig Energie den Alltag zu bewältigen“, erläutert Dr. Matthias Hammer, Psychologe und Verhaltenstherapeut aus Stuttgart.

Gewohnheiten entscheiden über Gesundheit

Ärgerlich ist nur: Gewohnheiten sind nicht nur nützlich, sondern häufig ungesund und gefährlich.

Etwa der Griff zur Zigarette, das Glas Wein nach Feierabend oder das Öffnen der Kühlschranktür auf der Suche nach einem Snack.

Das Robert Koch-Institut hat einmal die sieben führenden Gesundheitsrisikofaktoren in Deutschland aufgelistet: Rauchen, zu viel Alkohol, zu wenig Obst und Gemüse, zu wenig Bewegung, Übergewicht, hohe Blutcholesterinwerte und Bluthochdruck.

„Die ersten Punkte sind Gewohnheiten, die letzten die Folge bestimmter Gewohnheiten“, gibt Dr. Hammer zu bedenken. Micro Habits entscheiden also über die eigene Gesundheit, Essensgewohnheiten bestimmen die Lebenserwartung.

Athleten trainieren sich Micro Habits an

Aber sie bestimmen auch den Erfolg. Athleten beispielsweise trainieren sich Gewohnheiten an, um besser zu werden.

So hat sich Sprinter Usain Bolt, 33, (achtfacher Olympiasieger aus Jamaika) angewöhnt, Schlaf auf seine Todo-Liste ganz oben zu setzen. Alles andere kann er mal aufschieben oder ausfallen lassen, Schlaf als wichtigste Regenerationsquelle nicht.

Eliud Kipchoge, 35, der derzeit schnellste Marathonläufer der Welt, hält es ähnlich: Um 21 Uhr geht er ins Bett – und notiert vorher in seinem Trainingstagebuch, wie viel er am Tag gelaufen ist.

M-I-K-R-O: Fünf Schritte zu bewussten Gewohnheiten

Genau das kann jeder nutzen: Gewohnheiten kann man sich antrainieren. Schon Ende der 1940er-Jahre haben Neurologen aus den USA festgestellt: Das Gehirn lernt am besten von Wiederholungen.

Je häufiger man etwas tut, desto fester werden die Nervenverbindungen für dieses Verhalten. Aus einem beschwerlichen Bergpfad wird eine bequeme Autobahn.

Laut Matthias Hammer braucht es fünf Schritte, um lästige Gewohnheiten abzulegen und neue, gute Gewohnheiten zu etablieren. Er nennt sie M-I-K-R-O: merken, Intention finden, Komplikationen managen, Routine aufbauen, ohne Vorwurf agieren.

Schritt 1: Merken

„Um Gewohnheiten zu verwandeln, müssen wir sie zuerst bemerken. Erst im Wahrnehmen von dem, was wir eigentlich tun und was das mit uns macht, können wir den Gang wechseln und uns in die gewünschte Richtung lenken“, sagt Hammer.

Er empfiehlt als Strategie ein Micro-Habit-Tagebuch: Hier notiert man alle Gewohnheiten, wann man sie ausführt und wie man sich in dem Moment und hinterher fühlt.

Was triggert beispielsweise, auf dem Handy die Spiele-App zu öffnen? Was empfindet man dabei und danach? Bei Bewegungsgewohnheiten – wie viele Schritte geht man eigentlich jeden Tag? – sind Tracker praktische Helfer.

Schritt 2: Intention finden

Sobald man sich Gewohnheiten bewusst gemacht haben, muss man sich die entscheidenden Fragen stellen: Will ich das? Ist mir das wichtig? Bringt mich das meinen Zielen näher?

Hammer: „Ich habe es oft erlebt: Wenn Menschen wieder Zugang zum innerlich gefühlten und erlebten Zweck ihres Lebens gefunden haben, dann war es ihnen möglich, die Kraft aufzubringen, destruktive Gewohnheiten zu brechen und ihr Verhalten in die gewünschte Richtung zu lenken.“

Er empfiehlt dazu die Technik des Rückblicks in die Zukunft: Stell dir vor, du wärst 80 Jahre alt und blickst auf dein Leben zurück – auf welche Gewohnheit bist du stolz, welche ist dir unangenehm?

Es hilft auch hier, sich Notizen zu machen: erreichbare konkrete Ziele wie “ drei Mal die Woche 30 Minuten laufen gehen morgens“ auf einen Zettel zu schreiben und den gut sichtbar in der Wohnung anzubringen.

Schritt 3: Dranbleiben

…und Komplikationen managen. Gewohnheiten zu ändern, wäre zu einfach, wenn nicht so viele Steine im Weg liegen würden.

Niemand würde mehr Chips knabbern, alle würden regelmäßig die Laufschuhe schnüren oder im Fitnessstudio einchecken.

Doch so läuft das eben nicht, jeder verfährt sich mal auf dem Weg zu neuen Gewohnheiten. Es hilft, sich bewusst zu machen: Was könnte mich abhalten oder bremsen? Was könnte ein ernsthaftes Hindernis sein?

„Versuche nun, Wenn-dann-Pläne zu entwickeln, um mögliche Hindernisse zu überwinden“, rät Experte Hammer.

Schritt 4: Routine aufbauen

Nachdem man seine Ziele erkannt und die richtigen Schritte definiert hat, geht es darum, dass aus den Schritten auch Gewohnheiten werden.

Du willst abnehmen? Du willst das mit Laufen erreichen? Du hast eine passende Strecke und dich nach dem ersten Versuch auch richtig gut gefühlt? Jetzt muss daraus ein Micro Habit werden.

Genau diesen Dreisatz Ziel – Verhalten – Gewohnheit müsse man sich immer wieder vor Augen führen, rät der Experte. Und sich an das gute Gefühl dabei erinnern.

Wer vor dem Sport schon spüren kann, wie gut er sich hinterher fühlen wird, ist deutlich motivierter. Dieses Gefühl kann ein Verlangen auslösen, mit dem Neues ganz automatisch zur Gewohnheit wird.

Ein kluger Schachzug ist es dabei, für die geplanten Routinen Erinnerungsreize zu setzen:

Die gepackte Sporttasche im Auto erinnert einen schon beim Einsteigen daran, dass man Sport machen wollte. Den Partner zu informieren, dass man in Zukunft jeden Dienstag und Donnerstag zum Laufen geht, schafft einen gewissen sozialen Druck. Das Handy in die Tasche statt auf den Schreibtisch zu packen verhindert, dass man sich ständig davon ablenken lässt.

Um Routinen zu etablieren, helfen wieder Wenn-dann-Regeln: Wenn es morgen früh nicht regnet, fahre ich mit dem Rad zur Arbeit. Wenn es im Restaurant ein veganes Gericht gibt, bestelle ich dieses.

Oder bei schlechten Angewohnheiten: Wenn ich zur Zigarette greifen will, gehe ich stattdessen einmal um den Block.

Schritt 5: Sich selbst coachen

…ohne Vorwürfe. Manche Verhaltensänderung fällt leicht, die meisten werden es nicht. Man wird einen langen Atem brauchen und mit Rückschlägen umgehen müssen.

Daher muss man lernen, sich selbst ein guter Coach zu sein. Kein Richter, der verurteilt, sondern ein Trainer, der aufrichtet und motiviert, aber das Ziel im Auge behält.

„Rückfälle sind zutiefst menschlich“, so Experte Hammer. „Wertgeschätzte Gewohnheiten bauen wir nicht durch einen stahlharten Willen und durch Härte gegen uns auf, sondern als Ausdruck eines freundlichen Umgangs mit uns selbst.“

Mit Micro Habits ändert man Gewohnheiten, aber nicht sich selbst. Hammer: „Stehe zu dir selbst. So wie du jetzt bist, bist du genau richtig.“

Sich das regelmäßig vor Augen zu führen sollte auch zur Gewohnheit werden.

Peter Schmidt-Feneberg

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