„Dry January“ im Selbsttest: Und schon an Tag 7 sündige ich

Dry January also „trockener Januar” – auch unsere Redakteurin will einen Monat lang auf Alkohol verzichten. Wie ihr das (nicht immer) gelingt und was sie daraus lernt.

Einen Monat lang kein Alkohol. Das haben mein Freund und ich für diesen Januar beschlossen. Und wir sind damit nicht allein. Immer mehr Menschen versuchen sich am „Dry January“ und verzichten einen Monat freiwillig auf Alkohol. Easy? Leider nicht. Ein Erfahrungsbericht.

Im Video oben sehen Sie: Das passiert im Körper, wenn Sie auf Alkohol verzichten

Ich bin eine Gesellschaftstrinkerin. Wein gehört zu einem Abend mit meinen Freundinnen wie Gin Tonic zum Clubbesuch und beim Italiener um die Ecke lassen wir uns gerne ein, zwei Flaschen Vino bringen. Alleine trinke ich nie. Entspannung finde ich bei einem Buch oder einer Netflix-Serie – gerne mit einer Tasse Tee. Da sollte ein Monat also kein Problem sein, oder?

Dry January im Selbstversuch: Der Start ist holprig

Wie sich herausstellt: doch. Zumindest der Beginn ist holprig. Meine Tante feiert am 7. Januar groß ihren Geburtstag. Alle ihre Gäste lädt sie zu tollem Essen und ausgewählten Weinen ein. Statt Begrüßungssekt wähle ich zwar noch die alkoholfreie Variante (schmeckt leider nicht). Als zum Essen dann aber Riesling serviert wird, kann ich nicht widerstehen. Mist, erst sieben Tage rum und schon gesündigt. Zwar nur zwei Gläser, aber trotzdem ärgere ich mich.

Auch im Alltag fällt mir plötzlich auf, wie häufig ich an Alkohol denke: Wir gehen mit Freunden in die Beachvolleyball-Halle, danach schön essen. Getränke? Alkoholfreie Cocktails – schon nicht schlecht, aber Wein schmeckt mir besser. Immerhin: Auch unsere Freunde bleiben den Januar „dry“, also können wir gemeinsam jammern – und durchhalten. Nach dem Essen verzichten wir allerdings auf den sonst üblichen Bar-Besuch. Dort nur alkoholfreie Getränke zu bestellen, käme uns komisch vor. Aber warum eigentlich?

Auch sonst merke, dass ich mich unnötig einschränke. Schöne Momente feiern wir meist in einem Restaurant und stoßen dort an. Als wir eine Afrika-Reise gebucht haben (unsere Flitterwochen!), würden wir also normalerweise schick essen gehen. Verschieben wir dann allerdings doch lieber auf Februar – dann können wir auch Wein dazu bestellen.

Verrückt, wie viel präsenter Alkohol plötzlich ist und wie viel mehr Lust man darauf hat, meint auch mein Freund. Er hat übrigens bisher nicht gesündigt und auch den Geburtstag alkoholfrei überstanden.

Der ultimative Test hat dann plötzlich die größte Wirkung

Dann kommt der ultimative Test – bei mir in Form eines Abends mit meinen Freundinnen. Wir bestellen meist Essen, trinken Wein und philosophieren bis tief in die Nacht über das Leben (oder unsere Jobs, Beziehungen, Promi-Paare oder die nächste Gehaltserhöhung). Ganz nebenbei fließt dabei immer mehr Wein, was (und ich bin nicht stolz auf diesen Gedanken) die Gespräche dann doch häufig auf eine noch tiefere Ebene bringt. Werde ich durchhalten?

Damit es nicht ganz so schwierig ist, fülle ich mein Weinglas mit Wasser. Besser zum Anstoßen und das Trink-Gefühl bleibt auch ähnlich. Und tatsächlich ist der Abend witzig, ernst, einmal fließen bei meiner Freundin auch Tränen. Fazit: Nüchtern also genauso wie immer!

Und ich ertappe mich plötzlich bei dem Gedanken: Morgen geht es mir trotzdem gut. Kein Kater, kein Kopfweh, keine Übelkeit. Statt einem Tag mit Kater-Leiden auf der Couch, können wir in die Stadt und etwas unternehmen. Yeah!

Schönere Haut, besserer Schlaf und (bislang) keine blöden Sprüche

Auch weitere positive Nebeneffekte sind spürbar: Meine Haut wird reiner und ich schlafe besser und vor allem tiefer! Am nächsten Morgen fühle ich mich ausgeruhter.

Häufiger Nebeneffekt, den ich allerdings aufgrund fehlender Waage nicht im Selbsttest beurteilen kann: Auch die Pfunde purzeln. Alkohol hat verdammt viele Kalorien. Drei Gläser Wein haben zum Beispiel mehr Kalorien als ein Stück Marzipantorte und drei Bier so viel wie eine mittelgroße Portion Pommes. Noch deutlicher ist es bei Cocktails, ein Caipirinha ist zum Beispiel so mächtig wie Currywurst mit Ketchup.

Blöde Sprüche höre ich übrigens (bislang) nicht. Den Klassiker „Bist du schwanger?!“ umgehe ich allerdings immer sofort, in dem ich von meinem „Dry January“ erzähle.

 

Dry January: Was ich gelernt habe

Das zeigt allerdings auch direkt das große Problem: Ich fühle mich in Erklärungsnot. Warum fragen viele Menschen entrüstet: „Was du trinkst KEINEN Alkohol? Schwanger? Langweilig? Trocken?“ Und nicht: „Warum trinkst du, obwohl jährlich 20.000 Menschen in Deutschland an Alkoholkonsum sterben? Und 1,6 Millionen alkoholabhängig sind?“

Keine Sorge, ich werde hier jetzt nicht zum Alkohol-verbietenden Moralapostel. Ein gutes Glas Wein bleibt für mich ein Stück Lebensqualität, mit dem man sich so schön nach Italien und Frankreich träumen kann. Allerdings reichen eben auch ein, zwei Gläser und Abende mit Freunden sind auch ohne Alkohol schön, lustig und tiefsinnig.

Was sich auch ändern muss – bei mir und in der Gesellschaft – ist die Selbstverständlichkeit, mit der (zu viel) Alkohol konsumiert wird. Häufig ohne an die Gefahren auch nur zu denken. Viele Menschen driften dadurch in eine Alkoholabhängigkeit, ohne dass es ihnen bewusst ist.

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Auch die blöden Sprüche, die sich alkoholabstinente Menschen anhören müssen, sollten endlich aufhören. Immerhin leben sie gesünder, länger und wahrscheinlich auch noch attraktiver.

Meine Empfehlung: Selbst mal einen „Dry-Monat“ wagen und testen, wie sich das anfühlt, wie gut man damit klarkommt und wie das Umfeld reagiert.

Ach ja: Ich habe beschlossen, den „Dry January“ auf mindestens Mitte Februar auszuweiten. Mal sehen, wie mir das gelingt.

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