Innere Haltung – Definition und Bedeutung

  • Innere Haltung ist kein festgelegter Begriff. Er umreißt unsere Einstellungen, mit denen wir in der Umwelt interagieren – im Positiven wie im Negativen.
  • Ein Mangel an innerer Haltung führt dazu, dass Menschen Probleme haben, sich in ihrer sozialen Umwelt zurechtzufinden.
  • Innere Haltung wird in neoliberalen Coaching-Seminaren oft gleichgesetzt mit der Gehirnwäsche des „Positiv Denkens“, also damit, negative Erfahrungen und Wahrnehmungen zu leugnen. Es bedeutet jedoch, einen eigenen inneren Kompass zu entwickeln, der zeigt, was für Sie richtig und was falsch ist.
  • Eine innere Haltung wird geprägt durch Lebenserfahrungen, Gedächtnis, Werte, Normen und Ethik.

Inhaltsverzeichnis

Wofür ist eine innere Haltung wichtig?

Unsere innere Haltung beeinflusst, wie wir Objekte einschätzen, wie wir uns mit anderen Menschen identifizieren oder uns von ihnen distanzieren. So passen wir uns sozial an, ohne ein Gefühl von Autonomie zu verlieren.

Ist eine solche Einstellung fixiert?

Solche Haltungen entstehen durch unsere Sozialisation, also durch äußere Bedingungen und innere Antriebe. Sie sind also nicht ein Leben lang festgeschrieben, sondern können sich durch Erfahrungen und wechselnde Bedingungen auch ändern.

Mentale Bereitschaft

Wir befinden uns in einem Modus mentaler Bereitschaft, dessen Koordinatensystem unsere Lebenserfahrung umreißt. Dieser steuert, wie wir auf Situationen und Objekte reagieren, genauer gesagt weist er die Tendenz, ob wir auf etwas mit Zuneigung oder Abneigung reagieren.

Unwillkürliche Gefühle?

Eine innere Haltung preisen unzählige Firmencoachings als bewusste Einstellung. „Innere Haltung entwickeln“ soll demnach den Königsweg darstellen, Krisen zu meistern und Problemen nicht hilflos, sprich unbewusst, ausgesetzt zu sein. Ganz so einfach ist es aber nicht. Der Therapeut Albert Ellis arbeitete heraus, dass wir ein Geschehnis zunächst wahrnehmen und dann bewerten, wobei diese Bewertung den Filter unserer Überzeugen durchläuft, wie Dinge sind oder wie sie sein sollen. Darauf erfolgt eine emotionale Reaktion.

Ellis zufolge können wir für unsere Gefühle Verantwortung übernehmen und Einstellungen ändern, die dafür sorgen, dass unsere emotionale Reaktion auf bestimmte Situationen einen konstruktiven Umgang damit verhindert. Wenn wir neu- und umbewerten, so Ellis, könnten wir genau die Emotionen kontrollieren, die uns beeinträchtigen. In der Verhaltenstherapie sprechen wir von „kognitiver Umstrukturierung“.

Für die innere Haltung ist wesentlich: Konstruktionen von Wirklichkeit speichern wir in der Regel unbewusst ab. Sie beruhen auf Einstellungen unserer Eltern, unserer Peer Groups, etc. Innere Haltung zu entwickeln könnte jetzt bedeuten, zu erkennen, dass oft die eigenen Gedanken bestimmte Gefühle hervorrufen, nicht die Geschehnisse selbst. Wenn Überzeugungen irrational entstanden seien, ließen sie sich bewusst erkennen und, wenn nötig, ändern, so Ellis.

Innere Haltung – Unser Leitfaden

Die meisten Menschen haben eine innere Haltung, ohne darüber nachzudenken. Dabei spielt sie, verbunden mit den davon abhängigen Gedanken und Gefühlen, eine erhebliche Rolle dabei, ob wir Ziele umsetzen – oder welche Ziele wir überhaupt entwickeln. Ist meine Grundhaltung der Umwelt gegenüber zum Beispiel fatalistisch, dann gibt es wenig Grund, an Zielen zu arbeiten: Die Dinge geschehen so oder so, egal, was ich mache oder nicht, ist die Leitlinie.
Wie ich meine innere Haltung ausrichte ist also der Wegweiser zur Richtung, die ich einschlage, und eine entwickelte innere Haltung kann uns Orientierung bieten und Stabilität sogar in Krisen.

Das sind keine „klugen Sprüche“, sondern die Gedanken und Emotionen verändern Prozesse im Gehirn, wirken sich darauf aus, welche Hormone ausgeschüttet werden, welche Botenstoffe auf die Reise gehen, wie unser Nervensystem sich verhält. Die selbsterfüllende Prophezeiung (engl. self-fulfilling prophecy) hat wenig mit „Schicksal“ zu tun, sondern liegt daran, dass sich unser Gehirn auf das einstellt, was wir über etwas denken und fühlen, ganz egal, ob dies der Wirklichkeit“ entspricht.

Verkürzt gesagt: Wird die Angst vor dem Scheitern übermächtig, können wir recht sicher sein, dass wir scheitern, denn sie führt dazu, dass wir uns auf eine Art und Weise verhalten, mit der wir scheitern müssen. Oder: Wir können kaum jemand von etwas überzeugen, von dem wir nicht überzeugt sind. Das Gute ist: Wir können Gedanken aktiv beeinflussen.

Welche innere Haltung habe ich überhaupt?

Viele Menschen kennen ihre innere Haltung nicht einmal und können folglich nicht erkennen, wo sich diese positiv oder negativ auswirkt. Bevor Sie also in Coaching-Seminare rennen, die meist das Mantra „Denk Positiv“ in den Kopf hämmern, nehmen Sie sich Zeit.

Nehmen Sie sich täglich eine Viertelstunde Zeit, in der Sie darauf achten, was Sie denken statt es „automatisch“ zu denken. Halten Sie inne und schreiben Sie jeden Gedanken auf, der gerade kommt. Sie werden merken: Fast alle Gedanken kommen unbewusst, ein Bild huscht dem anderen hinterher und ist im nächsten Moment verschwunden. Ein Auto, das vorbeifährt, ein Wortfetzen im Hintergrund bringen uns „auf andere Gedanken“, lösen Assoziationen aus. Der israelische Historiker Harari verweist zu Recht darauf hin, dass wir bis heute nicht wissen, was und ob der menschliche Geist ist, oder ob es sich bei ihm um eine Fata Morgana handelt.

Eine innere Haltung überhaupt zu erkennen, ist vielleicht möglich, wenn Sie die Viertelstunde innehalten täglich wiederholen und einmal pro Woche lesen, was Sie dazu aufgeschrieben haben. Muster werden ihnen auffallen. Und anhand dieser Muster können Sie sehen, ob bestimmte Fragmente Sie stören – im Beruf, im Alltag, in Beziehungen.

Sprachmuster und Körpersprache

Achten Sie auch auf ihre Sprachmuster. Menschen, deren innere Haltung labil ist, verstecken sich hinter nebulösen Formulierungen: „Irgendwie“, „so ein Stück weit“, „kann schon sein, dass“ und so weiter. Bei Menschen, die sich scheuen, eine eigene innere Haltung zu entwickeln, sind zudem „man“ Sätze weit verbreitet: „Man sagt…“, „so, wie man das macht…“, „man macht…“, sogar dann, wenn es sich um das eigene Verhalten handelt. Dieses „man“ bedeutet implizit, es gäbe ein diffuses Allgemeines, dem „man“ sich mit einem bestimmten Verhalten nur anschlösse. „Man“ tritt an die Stelle von „Ich“. „Man sagt“ ersetzt „Ich denke, dass“. Die eigene innere Haltung löst sich in einem pseudogenerellen Brei auf.

Achten Sie auf ihre Körpersprache. Wie gehen Sie? Wie bewegen Sie sich? Haben Sie einen Grund dazu? Umgekehrt: So merkwürdig es sich anhört, unsere innere Haltung und unsere äußere Haltung bedingen sich gegenseitig. So wie eine bestimmte innere Haltung nicht nur die Gefühle und Gedanken beeinflusst, sondern auch die Körperhaltung, so wirkt sich die Körperhaltung auch auf unsere innere Haltung aus: Wenn ich die Hände wie zum Gebet falte und die Augen schließe, kann ich mich gut auf ein bestimmtes Thema konzentrieren – ich gehe in mich. Wenn ich den Mittelfinger nach oben recke, kommen mir andere Menschen aggressiver vor, als wenn ich das nicht tue. Ich versetze mich in einen Angriffsmodus. Wenn ich solchen Gefühlen nicht ohne Kontrolle ausgesetzt sein will, kann ich bewusst an meiner inneren Einstellung arbeiten.

Innere Haltung entwickeln

Um eine innere Haltung zu entwickeln, beziehungsweise um sie zu vertiefen, gibt es praktische Übungen, die hilfreich sind. Dabei geht es darum, Vorstellungen, Assoziationen und Erinnerungen, die in unserem Gedächtnis herumschwirren, ins Bewusstsein zu holen und den roten Faden zu erkennen.

Erinnern Sie sich an Träume und Wünsche, die sie als Kind hatten. Oft sind diese verschüttet, oder Sie haben sie sogar bewusst verdrängt, weil sie sich nicht „leben lassen“. Halten Sie diese Fragmente fest – in dem Moment, wo sie ihnen einfallen. Denken Sie auch systematisch darüber nach, was Sie als Kind spielten, fragen Sie dazu ihre Eltern, Geschwister oder Freunde, die dabei waren. Hier geht es nicht darum, eins zu eins Goldgräber zu werden oder zum Mond zu fliegen, sondern daran, was Sie mit diesen Wünschen, Träumen und Spielen verbanden. Hier verstecken sich oft wertvolle Hinweise auf Dinge, die ihnen wichtig sind und eine gewisse innere Haltung prägten.

Suchen Sie nach Erfahrungen, die sich in ihrem Leben wiederholten, denken Sie an Situationen, in denen Sie immer wieder vor dem gleichen Ergebnis standen. Was waren das für Erfahrungen? Sind diese zufällig geschehen? Oder haben Sie diese bewusst-unbewusst angesteuert? Falls Sie diese Erfahrungen angesteuert haben, welcher innere Kompass führte Sie dorthin, welche Werte, Normen, welche Ethik, welche Ideen – welche innere Haltung.

Rufen Sie sich diese Situationen ins Gedächtnis und reflektieren Sie ihre Reaktionen. Fühlten Sie Furcht, Trauer, Schmerz, Wut? Freude, Begeisterung? Haben Sie diese Situationen bewältigt? Sind Sie ihnen aus dem Weg gegangen? Wie war ihre innere Haltung bei Situationen, die Sie meisterten? Wie bei denen, an denen Sie scheiterten oder Sie erst gar nicht in Angriff nahmen?

Wann fühlen Sie sich am wohlsten? Welche Situationen sind ihnen am unangenehmsten? Warum ist das so? Gibt es Werte, Ideale, Ethiken, die Sie in manchen Situationen blockierten? Oder waren es Überzeugungen? Waren diese Überzeugungen richtig – aus der Distanz betrachtet? Handelte es sich um Stereotypen, um Vorurteile?

Wofür begeistern Sie sich am meisten? Was hat das mit ihrer inneren Haltung zu tun? Worum bitten Sie andere Menschen? Was hat das mit ihrer inneren Haltung zu tun? Wie können Sie jetzt diese innere Haltung vertiefen?
Wie sieht es mit ihren Wünschen aus? Geht es dabei um die Anerkennung anderer? Oder handelt es sich um Dinge, von denen Sie begeistert sind, auch gegen den Widerstand anderer? Formulieren Sie ihre wichtigsten Wünsche. Fragen Sie sich dann, was diese mit ihren inneren Einstellungen zu tun haben.

Beobachten Sie auch ihre Freunde, ihre Bekannten, andere Menschen. Wie verhalten sie sich? Welche Motive, welche Einstellungen, welche innere Haltung beeinflussen ihr Verhalten? Wie unterscheidet sich diese innere Haltung von ihrer eigenen?

Trennen Sie zwischen Klischees, Stereotypen und „Denk Positiv“-Propaganda einerseits und ihrem eigenen roten Faden andererseits. Kennzeichnen Sie für sich selbst: Was bedeutet für mich Glück, was Erfolg? Wann bin ich stolz und worauf? Was will ich?

Überprüfen Sie ihre „innere Haltung“. Woher kommen ihre Überzeugungen? Sind sie einfach nur übernommen, von Eltern, Medien, von ihrem sozialen Umfeld? Welche dieser Überzeugungen möchten Sie haben? Welche stören Sie?

Die innere Haltung wertschätzen

Zum einen gibt es Menschen, die wenig innere Haltung entwickelt haben. Dramatisch wird dies bei Klienten, die am Borderline-Syndrom leiden, innere Leere empfinden und daran verzweifeln, dass Sie selbst nicht wissen, wie ihre innere Haltung ist. Viel mehr Menschen noch haben aber eine Vorstellung von der Haltung, mit der sie Menschen, Situationen und Geschehnissen gegenüberstehen, schätzen diese aber nicht.

Dies wird ihnen zudem erschwert durch angebliche Seminare zur „inneren Haltung“, in denen es gerade nicht um die innere Haltung eines individuellen Menschen geht, sondern darum, möglichst glatt zu funktionieren, um bestimmte Dinge verkaufen zu können oder durch eine Stellenbewerbung zu glitschen.
Ihre innere Haltung stärken Sie so nicht. Um ihre innere Haltung wertzuschätzen, prüfen Sie sich und ihr Umfeld: Wie gut hören Sie hin, wenn andere etwas sagen? Wie gut hören diese ihnen zu? Wie aufmerksam sind Sie in Gesprächen gegenüber den Bedürfnissen ihres Gegenübers? Wie aufmerksam sind Sie gegenüber eigenen Bedürfnissen? Teilen Sie ihre Bedürfnisse, Gedanken, Fragen oder auch Kritiken anderen mit oder behalten Sie diese für sich? Warum tun Sie das? Wie sind die Reaktionen der anderen?

Wie ist ihre innere Haltung zu der Meinung anderer? Akzeptieren Sie, dass jemand eine andere Meinung hat oder wollen Sie anderen ihre Meinung aufdrängen? Warum jeweils? Entwickeln Sie eine eigene Meinung, auch wenn sie die der anderen widerspricht? Wie reden Sie mit sich selbst bei Selbstgesprächen? Gehen Sie liebevoll mit sich um? Kritisieren Sie sich sachlich? Können Sie sich selbst verzeihen? Stehen Sie zu eigenen Fehlern? Zu eigenen Leistungen? Zu keinem von beiden, oder nur zu einem von beiden? Lassen Sie sich selbst an sich heran oder gibt es Gedanken, die Sie sofort wegschieben, weil Sie diese für peinlich halten? Kennen Sie ihre Ängste? Sind ihnen diese peinlich? Reden Sie mit anderen über diese Ängste? Passen Sie sich an, um Konflikten auszuweichen? Suchen Sie Anerkennung und verschweigen deshalb Vorstellungen, die ihnen wichtig sind?

Fazit

Eine innere Haltung ist weder fixiert noch immer „richtig“ oder „falsch“. Es bereichert ihr Leben aber ungemein, eine solche Haltung zu entwickeln, Zum einen beruhigt es Sie bei Entscheidungen in diversen Situationen: Mit einem Kompass finden Sie den Weg besser, und da es um ihr eigenes Leben geht, ist dieser Weg nicht vorgeschrieben. Zum anderen werden Sie mit innerer Haltung besser mit anderen Menschen umgehen können. Wer für sich selbst geklärt hat, was er für falsch und richtig hält, geht anderen zumindest weniger auf die Nerven. (Dr. Utz Anhalt)

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