Corona

Die meisten Experten sind sich einig: Die Immunität in der deutschen Bevölkerung ist zu niedrig, um einen Weg aus der Pandemie zu finden. Deshalb ist die Debatte um eine mögliche allgemeine Impfpflicht entbrannt. Lange wurde sie ausgeschlossen. Jetzt versucht die Regierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Eine Einführung dürfte aber noch Monate dauern. Die Proteste auf den Straßen gegen eine Impfpflicht werden zwar größer. Insgesamt aber überwiegt weiter die Zustimmung. Fast zwei Drittel der deutschen Bevölkerung sind für die Impfpflicht. Viele Fragen sind noch offen, vor allem rechtliche. Bei Nutzerinnen und Nutzern auf Instagram haben wir einige davon eingesammelt und dem Verfassungsrechtler Steffen Augsburg gestellt.

Wie ist eine Impfpflicht mit unserem Grundgesetz vereinbar?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Im Ausgangspunkt ist es selbstverständlich so, dass eine Verpflichtung zur Impfung ein Widerspruch darstellt zum Recht auf körperliche Selbstbestimmung, auf die körperliche Integrität und die Entscheidung darüber, was mit unseren Körpern geschieht. Und gleichzeitig ist das ein Grundrecht, was nicht uneingeschränkt gilt, was also tatsächlich abgrenzbar ist. Kein absoluter Schutz wird hier gewährt. Und dann ist man in einer normalen Abwägungssituation und muss überlegen, ob die individuellen Probleme oder befürchteten Nachteile, die mit einer Impfpflicht verbunden sind, aufgewogen werden durch die angenommenen Vorteile.«

Ab welchem Alter könnte eine Impfpflicht gelten?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Also im Ausgangspunkt würde ich erstens mal sehr kritisch sehen, wenn wir auch Minderjährige, auch Kinder mit einbeziehen würden. Die sind, so nennen wir das, einwilligungunfähig und ich glaube, wir müssen dieses Problem im Kreis der Erwachsenen lösen und sollten die Kinder da möglichst außen vorlassen. Und bei den Erwachsenen selbst ist dann die Frage zu klären, welche Zwecke wir eigentlich mit einer Impfpflicht verfolgen. Meines Erachtens ist das vernünftigerweise der Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung. Und damit blicken wir dann auf die Personenkreise, die insoweit besonders gefährdet und mittelbar auch das System gefährdend sind. Und das sind Risikogruppen und vor allen Dingen auch Ältere. Und das wäre ein sachlicher Grund, um eine entsprechende Ungleichbehandlung, Differenzierung vorzunehmen. Und dann muss man überlegen, ob man da entsprechend eine vernünftige Grenzlinie ziehen kann. Das ist bis zu einem gewissen Punkt immer willkürlich. Also da gibt es keine mathematisch präzise Vorgehensweise – genau ab 54 2/3 fangen wir an, sondern das ist etwas, was politisch gegebenenfalls festgelegt werden müsste. Das hätte aber den großen Vorteil, dass man bestehende sachliche Unterschiede, also was die Eigengefährdung angeht, aber damit auch die Belastung des Systems mit ins Kalkül einbezieht und nicht einfach nur irgendwie eine Rasenmähermethode wählt und sagt, alle sind irgendwie mit dabei, auch wenn eigentlich von ihnen keine signifikanten Gefahren ausgehen.«

Wie viele Impfungen bräuchte man?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Das ist schwierig, das in dieser Form festzuhalten. Wir sehen bei der bestehenden einrichtungsbezogenen Impfpflicht eine verfassungsrechtlich durchaus problematische gestaffelte Regelungstechnik, dass das Gesetz auf die Verordnung verweist, dass die Verordnung dann ihrerseits auf Verlautbarungen des Paul-Ehrlich-Instituts verweist. Und erst dort wird festgelegt, wie viele Impfungen eigentlich erforderlich sind. Das ist schon deshalb problematisch, weil sich der Gesetzgeber, das Parlament damit eine erhebliche Steuerungswirkung hat entgehen lassen oder die delegiert hat. Ähnliches müsste man natürlich auch für eine allgemeinere Impfpflicht mit in den Blick nehmen. Und da ist offensichtlich zurzeit ja auch wissenschaftlich unklar, wie viele Impfungen wir denn tatsächlich brauchen. Stand heute würden es vermutlich mindestens drei sein, aber viel mehr können wir dazu nicht sagen.«

Würde eine Impfpflicht für immer gelten?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Wir wissen es schlicht noch nicht. Das hängt auch damit zusammen, wie lange uns Covid-19 auch in möglichen zukünftigen Varianten erhalten bleibt und wie wir damit umgehen.«

Müssten sich die Ungeimpften selbst um einen Termin kümmern?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Vernünftigerweise nein. Ich glaube, es ist wirklich ganz wichtig, dass wenn man so was macht, auch Sorge dafür tragen muss, dass den Ungeimpften diese Impfung auch möglichst erleichtert wird. Also das wäre etwas eigenartig, wenn wir die Situation haben, dass zum Beispiel ein 80-Jähriger allein in seiner Wohnung lebt und er kriegt einen Impftermin angeboten, 30 Kilometer weiter in einem Impfzentrum, weiß aber nicht, wie er dahin kommt. Dann heißt es: Du erfüllst insoweit deine gesetzliche Verpflichtung nicht. Wir müssen auch das kombinieren mit entsprechenden aufsuchenden, einfachen Impfangeboten. Das erhöht aber natürlich nur den gesamten Aufwand.«

Welche Strafe würde es für Verweigerer geben?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Dafür gibt es dann unterschiedliche Vorschläge. Also zum Beispiel sollen Bußgelder erhoben werden. Oder es reicht vielleicht auch nur eine stichprobenhafte Kontrolle, heißt es dann bisweilen. Das müsste man sich durchdenken, müsste überlegen, was eigentlich passiert, wenn Bußgelder erhoben werden, dann müssen die natürlich gegebenenfalls auch beigetrieben werden. Was mache ich denn mit Personen, die sich das entweder locker leisten können oder sich gerade nicht leisten können? Gibt es das Institut der sogenannten Erzwingungshaft, um Menschen dazu zu bringen, dass sie das dann bezahlen? Wenn das aber allzu viele Personen werden, Ungeimpfte, die das in Anspruch nehmen, ist das ein ganz erhebliches Problem. Das zweite Problem ist, dass wir von einer großen Personengruppe sprechen. Und wenn von denen nur ein vergleichsweise kleiner Prozentsatz beschließt, dass er das angreifen möchte, also im Verwaltungsverfahren und im Rechtsschutzverfahren vor den Gerichten sich dagegen zur Wehr setzt, dnn dürfte das eine ganz massive Belastung unserer Verwaltung und auch unserer Gerichte bedeuten.«

Muss der Staat für auftretende Nebenwirkungen oder Folgeschäden haften?

Steffen Augsberg, Verfassungsrechtler und Mitglied des Deutschen Ethikrats:
»Es gibt tatsächlich Haftungsansprüche gegen den Staat, die im Infektionsschutzgesetz, im Arzneimittelgesetz, in Verordnungen niedergelegt sind. Es gibt daneben natürlich auch die Frage, ob zivilrechtliche Haftungsansprüche gegen die Hersteller bestehen. Da muss man ein bisschen gucken, ob die tatsächlich das auf die staatlichen Organe haben abwälzen können. Aber prinzipiell ist das derzeit existent, aber es ist ein ziemlich komplexes Gefüge und es wäre zu überlegen, ob man das etwas entwirrt, etwas vereinfacht eben auch, um das Vertrauen in die Impfstoffe auf diese Weise darauf zu verdeutlichen.«











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