Top-Virologe Drosten spricht mit RKI-Experte: Wie wir endlich aus dem Lockdown kommen können

In ersten Ländern werden die wegen der Ausbreitung des Coronavirus veranlassten Lockdown-Maßnahmen langsam zurückgefahren. Auch in Deutschland wird über einen derartigen Schritt diskutiert. Virologe Christian Drosten und der RKI-Experte Dirk Brockmann erklären, wie Contact-Tracing-Apps zu einer Lockerung beitragen können.

Die Osterfeiertage stehen bevor. Gottesdienste oder Feiern wird es in Deutschland nicht geben. Im Gegensatz zu anderen Ländern Europas hat die Bundesregierung keine Lockerung der Lockdown-Maßnahmen veranlasst.

Ein Mittel, das für ein Lockdown-Ende von Bedeutung sein könnte, ist eine Contact-Tracing-App. Wie diese zu einer Lockerung beitragen könnte, erklären Virologe Christian Drosten und Christian Brockmann, Modellierer des Robert-Koch-Instituts, im NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update".

Diagnostik-Vorgang via App

Laut Brockmann handele es sich um eine App, die via Bluetooth erfassen kann, wenn sich zwei Menschen nahe kommen. Die Nutzer sollen die Möglichkeit haben, in der App eine Art Diagnostik-Vorgang zu durchlaufen. Hierfür würde der Nutzer mögliche Symptome eingeben und von der App gegebenenfalls den Hinweis bekommen, einen Test durchführen zu lassen.

  
 
 

Auch das Ergebnis eines Abstrichtests ließe sich in die App eintragen. Gleichzeitig könnten alle weiteren Nutzer, die zur möglichen Ansteckungszeit einer infizierten Person nahegekommen sind, darauf hingewiesen werden, sich in Quarantäne zu begeben oder testen zu lassen.

Krankschreibungen über das Smartphone

Brockmann sieht Vorteile in der Nachverfolgung und Rekonstruktion möglicher Kontakte einer infizierten Person. Drosten denkt hingegen bereits einen Schritt weiter.

"Dann wartet man gar nicht auf eine Labordiagnostik, sondern jetzt betrachtet man einfach jeden, der Symptome eingibt, als positiv und tut so, als wäre das schon eine bestätigte Laboruntersuchung", schlägt er vor.

Sicherlich könne eine Bestätigung im Nachhinein noch eingeholt werden, ein solches Vorgehen sei aber für die Rekonstruktion von Kontakten schneller als der Umweg über das Gesundheitsamt.

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Potenziell könnte diese Erfassung auch Möglichkeiten zur Lockerung eines Lockdowns mit sich bringen. In Situationen, in denen die Übertragungsrate an einem bestimmten Ort wieder ansteigt, könne man flexibel wieder eine Kontaktsperre – allerdings nur für diesen Ort – einsetzen, so Drosten.

Ein für die Gesamtfläche Deutschlands geltendes Ein- und Ausschalten derartiger Sperren könnte damit ersetzt werden.

Genauso wäre es denkbar, dass Warnungen, die auf Smartphones geschickt werden, wie Krankschreibungen beim Arbeitgeber vorgezeigt werden können und man sich dann in Quarantäne begibt.

Brockmann: "Datenschutz garantieren wir"

Ein Punkt, der Hoffnung auf ein Lockdown-Ende macht: Die für eine derartige App nötige Technologie gibt es laut Brockmann bereits. Contact-Tracing-Apps befänden sich in der Entwicklung und "würden der Situation extrem weiterhelfen."

Doch es gibt noch Hürden. So mache es einen Unterschied, ob man sich in Innenräumen, in der U-Bahn oder im Park aufhalte.

"Das sind alles Situationen, die physikalisch diese Signale beeinflussen und aus der Signalstärke, die ein Handy misst, muss man ableiten oder berechnen, ob ein Kontakt da ist. Das ist technologisch sehr anspruchsvoll", erklärt Brockmann.

Täglich von Montag bis Freitag spricht der NDR eine gute halbe Stunde mit dem Virologen Christian Drosten über die aktuelle Corona-Lage. Mit seinen Ratschlägen, Meinungen und Tipps ist Drosten inzwischen zu einer der bedeutendsten Stimmen der Corona-Krise geworden. Hier finden Sie alle Folgen des NDR-Podcasts.

Schwierig sei auch die Erfassung, wann ein Kontakt wirklich als Kontakt gewertet wird. "Wenn man einfach aneinander vorbei geht, ist das sicherlich nicht so. Aber wenn man in der U-Bahn eine halbe Stunde nebeneinander sitzt, muss das als solches gewertet werden", erklärt der Experte und gibt an, dass Tests hierzu bereits laufen.

Brockmann kann diejenigen beruhigen, die sich um die Sicherheit ihrer Daten sorgen. Eine Pseudonymisierung sei gewährleistet, die Verwendung einer App sei freiwillig und es würden – anders als beispielsweise in Südkroea – keine Mobilitäts- oder GPS-Daten gespeichert. Dies alles sei "technologisch anspruchsvoll, aber machbar, Datenschutz garantieren wir sehr stark."

Erste Tests mit Fitness-Trackern

Einen ersten Test führt das RKI bereits durch. Hier können Besitzer von Fitness-Trackern auf freiwilliger Basis ihre Daten zur Verfügung stellen. Durch die Analyse von Ruhepuls und Schlafrhythmus könne man Fieber erkennen und habe die Möglichkeit, in bestimmten Gebieten eine Entwicklung nachzuzeichnen oder eine geographische Häufung zu erkennen, erklärt Brockmann.

Surftipp: Portrait – Christian Drosten: Was Sie über den Coronavirus-Experte wissen sollten

Selbstverständlich deutet nicht jede Veränderung in Schlafrhythmus oder Ruhepuls auf eine Corona-Infektion hin, Muster lassen sich allerdings erkennen. Und besonders zeigt dieses Projekt: Die Menschen in Deutschland sind bereit, Daten zur Verfügung zu stellen, denn allein am ersten Tag haben sich 160.000 Freiwillige registriert.

Drosten: "Eine App muss her"

Auf eine ähnliche Bereitschaft hoffen Drosten und Brockmann nun auch bei einer möglichen Contact-Tracing-App. Denn dass eine solche App kommt, halten beide für notwendig. "Wir sollten wirklich alles daran geben, das auch umgesetzt zu bekommen. Eine App muss her und möglichst viele Leute sollten überzeugt werden, da mitzumachen", fordert Drosten und stellt klar: "Diese Art von Fallverfolgung ist wirklich der Ausweg, den wir denken müssen, wenn wir aus diesem Lockdown raus wollen."

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