Streeck attackiert Regierung: Wissenschaftler mit abweichender Meinung werden ignoriert
Hendrik Streeck gilt als Optimist unter den Corona-Virologen. In einem Interview hat er nun zugegeben, dass er zu Beginn der Pandemie „zu naiv“ gewesen sei. Außerdem warnt er davor, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen bei Mutationen zurückgehen könnte – und richtet einen dringenden Appell an Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin.
Hinter dem Bonner Virologen Hendrik Streeck liegt ein turbulentes Jahr. Erst wurde er zu einem der gefragtesten Virologen in der Corona-Pandemie; dann plädierte der 43-Jährige für einen entspannteren Umgang und weniger Angst beim Thema Corona; und schließlich sah sich Streeck gerade in den Sozialen Medien Anfeindungen, Shitstorms und Falschbehauptungen ausgesetzt.
In einem Interview mit "Welt" hat der Virologe aus Bonn nun zurückgeblickt. Besonders kritisch sieht er im Rückblick seinen eigenen Umgang mit der Öffentlichkeit und den Medien. FOCUS Online hatte den Virologen als eines der ersten Nachrichtenportale im März 2020 interviewt. Im "Welt"-Interview sagt Streeck: "Ich bin im Umgang mit den Medien im letzten Jahr durch verschiedene Phasen gegangen. Erst war ich zu naiv, dann eher vorsichtig." Mittlerweile habe sich Streeck, der die Virologie an der Universitätsklinik Bonn leitet, dazu entschieden, möglichst das zu sagen, wovon er überzeugt sei.
Streecks Appell an die Politik: Holt unterschiedliche Meinungen ein
Angesprochen auf ein kürzliches "Spiegel"-Interview, in dem ihn die Fragestellerinnen beschuldigten, dass Experten wie Streeck und Jonas Schmidt-Chanasit wegen ihrer Kritik an den Corona-Maßnahmen größeren Schaden angerichtet hätten als Corona-Leugner, habe er "sprachlos" reagiert. "So zu tun, als gäbe es eine universelle Wahrheit und einen, der sie hütet, ist unwissenschaftlich", sagt Streeck. dpa Hendrik Streeck in Gangelt.
Generell wünsche sich der Bonner Virologe, der als erster Mediziner damals im NRW-Hotspot Gangelt forschte, mehr Meinungspluralismus in der politischen und wissenschaftlichen Debatte. Streeck plädiere dafür, dass sich auch die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel unterschiedliche wissenschaftliche Ratschläge einholen, wenn sie neue Beschlüsse im Kampf gegen die Pandemie fassen.
Politiker sind "in der Pflicht, nicht nur eine Position zu hören"
Es laufe jedoch anders: "Zwei Wissenschaftler, die eine andere Sichtweise vertreten, wurden von Ministerpräsidenten vorgeschlagen – und dennoch ignoriert", sagt Streeck über die Beratungen von Bund und Ländern vor dem letzten Corona-Gipfel. Streeck sehe die Politik "in der Pflicht, nicht nur eine Position zu hören." dpa
Zuletzt wurde Kanzlerin Merkel vorgeworfen, dass sie in der Corona-Krise nur Berater um sich schare, die ihren harten Kurs verträten. Andere hingegen, etwa der Bonner Virologe Streeck oder sein Hamburger Kollege Schmidt-Chanasit, traten zuletzt weniger in Erscheinung. Beide hatten mehrfach vor Folgen eines zu harten Lockdowns gewarnt. Aus Merkels Sicht arbeitet, "jeder Wissenschaftler nach bestem Wissen und Gewissen", sie verfolge alle Meinungsbildungen, sagte die Kanzlerin jüngst.
Trotz der begonnen Impfungen sagt Streeck, man müsse anfangen mit dem Virus zu leben. Es werden auch nach dem Lockdown und auch im Herbst weiter Infektionsfälle geben. Zwar werde sich die Zahl der Corona-Fälle reduzieren, aber wenn sehr viele in sehr kurzer Zeit geimpft würden, "dann kann es passieren, dass sich eine Mutation bildet, wo der Impfstoff nicht mehr ganz so gut wirkt." Die Impfstoffe würden zwar weiter wirken, doch man müsse mit einer "Reduktion der Impfwirksamkeit" rechnen, so der Virologe im Interview mit "Welt". Das Virus sei "ernst zu nehmen und darf nicht bagatellisiert werden. Aber es ist ein Virus, mit dem wir umgehen können." Angst sei kein guter Ratgeber, sagt Streeck.
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