Posttraumatische Belastungsstörung: Flashbacks durch Computerspiel Tetris abschwächen

Computerspiel Tetris kann bei Posttraumatischer Belastungsstörung helfen

Forscher haben herausgefunden, dass das Spielen des Computerspiels Tetris Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) helfen kann, unwillkürlich wiederkehrende bildliche Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse abzuschwächen. Zudem geht dadurch die Anzahl an sogenannten Flashbacks zurück.

Posttraumatische Belastungsstörungen nach traumatische Ereignissen

Wenn Menschen Schreckliches erlebt haben, können neben Angststörungen und Depressionen auch sogenannte posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) auftreten, selbst wenn die dramatischen Erlebnisse bereits Wochen oder Monate, zum Teil auch Jahre zurückliegen. Bei Betroffenen kommt es dann immer wieder zu sogenannten Flashbacks. Um diese abzuschwächen, kann es helfen das Computerspiel Tetris zu spielen. Das haben Forscher aus Deutschland und Schweden nun herausgefunden.

Es gibt zu wenig Therapieplätze

Experten zufolge sind unwillkürlich wiederkehrende bildliche Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse eines der gravierendsten Symptome der PTBS.

„Die PTBS lässt sich mit den verfügbaren Therapien gut behandeln“, erklärt Prof. Dr. Henrik Kessler von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum in einer Mitteilung.

„Allerdings gibt es viel mehr Patientinnen und Patienten als Therapieplätze“, so der Oberarzt und Traumatherapeut.

Deshalb suchen Forscher nach Methoden außerhalb der konventionellen Behandlungen, die die Symptome lindern können.

Tetris kann Flashbacks unterdrücken

Vor rund zehn Jahren fand Prof. Dr. Emily Holmes vom Karolinska Institutet in Schweden mit Kollegen heraus, dass das Computerspiel Tetris durch Horrorfilme ausgelöste Flashbacks bei gesunden Personen unterdrücken kann, wenn es kurz nach dem Betrachten des Filmes gespielt wird.

Ein Forscherteam um Prof. Dr. Kessler und seinem Bochumer Kollegen Dr. Aram Kehyayan haben nun gemeinsam mit Prof. Dr. Emily Holmes getestet, ob dieser Effekt auch Patienten mit PTBS helfen kann, bei denen die Ursache der belastenden Erinnerungen oft Jahre zurückliegt.

Ihre, im Fachmagazin „Journal of Consulting and Clinical Psychology“ veröffentlichten Ergebnisse, nähren Hoffnungen auf eine Methode, die ohne Therapeuten das Symptom der Flashbacks lindern kann.

Spezielle Intervention absolviert

Den Angaben zufolge nahmen an der Studie 20 Patientinnen und Patienten mit komplexer PTBS teil, die zu einer regulären Therapie für sechs bis acht Wochen stationär in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie waren.

Neben den üblichen Einzel- und Gruppentherapien absolvierten die Studienteilnehmer eine spezielle Intervention.

Sie schrieben eine ihrer belastenden Erinnerungen auf ein Blatt, zerrissen den Zettel dann – ohne über den Inhalt zu sprechen – und spielten anschließend für 25 Minuten Tetris auf einem Tablet.

Die Probanden gaben stets mehrere verschiedene Flashbacks an, zum Beispiel Gewalterfahrungen in unterschiedlichen Situationen, deren Auftreten sie über die Wochen in ein Tagebuch notierten.

Pro Intervention, die von Woche zu Woche stattfand, fokussierten die Patienten immer nur den Inhalt eines spezifischen Flashbacks.

Häufigkeit der Flashbacks ging zurück

Wie die Forscher feststellten, ging nur die Häufigkeit des Flashbacks, dessen Inhalt in der Woche fokussiert wurde, spezifisch in den Tagen und Wochen nach der Intervention zurück.

Für die noch nicht fokussierten Flashbackinhalte blieb die Anzahl der Flashbacks relativ konstant. Über die Wochen wurden so nacheinander verschiedene Flashbackinhalte fokussiert, deren Häufigkeit zeitgenau jeweils in der Folge sank.

Die Anzahl der Flashbacks ging insgesamt für die jeweils fokussierte Situation um durchschnittlich 64 Prozent zurück.

Flashbacks, deren Inhalt nie fokussiert wurde, gingen lediglich um elf Prozent zurück. Die Intervention wirkte insgesamt bei 16 der 20 getesteten Patienten.

Vermutete zugrunde liegende Mechanismen

Die Wissenschaftler nehmen an, dass der Erfolg der Methode auf folgendem Mechanismus beruht:

Wenn Patienten sich detailliert ein Bild der belastenden Erinnerung machen, aktiviert das vermutlich Gebiete für räumlich-bildliche Verarbeitung im Gehirn; vergleichbare Areale könnten auch für das Spielen von Tetris bedeutsam sein.

Beide Aufgaben benötigen also vergleichbare und begrenzte Ressourcen, es kommt zur Interferenz.

Immer wenn ein Patient den Inhalt eines Flashbacks bewusst wiedererinnert, wird die damit verbundene Gedächtnisspur kurzzeitig labil.

Wenn in dieser Zeit eine Interferenz stattfindet, könnte die Gedächtnisspur abgeschwächt wieder eingespeichert werden, vermuten die Forscher.

Traumatherapie kann nicht ersetzt werden

„In unserer Studie wurde die Intervention zwar von einem Teammitglied begleitet, aber dieses hat keine aktive Rolle eingenommen und die verschriftlichten traumatischen Erinnerungen nicht gelesen“, erläutert Kessler.

„Unsere Hoffnung ist, dass wir eine Behandlung ableiten können, die Menschen auch allein durchführen könnten, wenn kein Therapieplatz verfügbar ist“, so der Experte.

„Die Intervention kann jedoch eine komplexe Traumatherapie nicht ersetzen, sondern lediglich ein zentrales Symptom, die Flashbacks, lindern.“

Die Forscher weisen außerdem darauf hin, dass weitere wissenschaftliche Untersuchungen mit Kontrollbedingungen und an einer deutlich größeren Anzahl Patienten notwendig sind, um die Wirksamkeit der Methode zu bestätigen.

Das Team um Kessler und Kehyayan führt diese Studien aktuell durch. Zudem gehen sie in Grundlagenstudien den genauen Mechanismen des Effekts bei gesunden Menschen weiter auf den Grund. (ad)

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