„Neu identifizierte Verunreinigungen können nicht zum Standard werden“

Alles begann 2018 mit NDMA in Valsartan. Schnell wurde aus dieser einen Nitrosamin-Verunreinigung eine ganze Krise – mit verschiedenen Nitrosaminen und betroffenen Sartanen sowie anderen Arzneimitteln. Die jüngsten Champix-Rückrufe zeigen, dass diese Krise noch nicht beendet ist, während sich die Frage eröffnet, ob die nächste Krise schon droht – wieder sind Sartane betroffen: Dieses Mal geht es allerdings um Azido-Verunreinigungen. Werden wir in Zukunft noch weitere finden? Und wie entstehen diese Verunreinigungen überhaupt?

Wie „sauber“ sind Sartane? Dieser Frage geht die DAZ in der Ausgabe 41/2021 nach. Anlass sind die neu in Sartanen gefundenen Azidoverunreinigungen: Azidomethyl-Biphenyl-Tetrazol (AZBT) und die Losartan-spezifische Azido-Verbindung 5-[4’-[(5-(Azidomethyl)-2-butyl-4-chloro-1H-imidazol-1-yl)methyl]-[1,1’-biphenyl]-2-yl]-1H-tetrazol. 

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Wie Dr. Helmut Buschmann (Leiter der Chemie und Pharmazeutischen Entwicklung bei AiCuris in Wuppertal und Mitinhaber der Research, Development & Consultancy GmbH in Wien) und Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe (seit 1999 Lehrstuhlinhaberin für Pharmazeutische und Medizinische Chemie in Würzburg) in ihrem aktuellen DAZ-Hintergrundartikel zur Sachlage erläutern, ist nun zu klären:

  • Wie sind die Azide in Losartan und Irbesartan entstanden?
  • Müssen wir – wie bei den Nitrosaminen – auch in weiteren Tetrazol-haltigen Sartanen mit dieser Verunreinigung rechnen?
  • Werden wir noch weitere Verunreinigungen finden?

Wie schon bei den Nitrosaminen steht nun auch bei den Aziden der Tetrazolring im Mittelpunkt der Ursachensuche, erklären sie. Es könnten künftig also auch Olmesartan oder Candesartan von Azido-Verunreinigugnen betroffen sein. Zudem erklären Holzgrabe und Buschmann, dass auch andere Azido-Verunreinigungen wahrscheinlich sind: „Wenn man nach diesen gezielt suchen würde, wären sicherlich einige Treffer dabei“, schreiben sie.

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„Unerwartet“ verunreinigt

Während im Rahmen der Nitrosaminkrise oft zu hören war, dass es sich bei den Nitrosaminen um „unerwartete“ Verunreinigungen handelte, sind die Azide laut Buschmann und Holzgrabe wohldokumentierte Substanzen, die von verschiedenen Anbietern kommerziell als Referenzsubstanz zu ihrer Bestimmung erhältlich sind. Bei der aktuellen Losartan-Azidoverunreinigung kann es somit verwundern, dass diese Verunreinigung bisher nicht in der PhEur-Monographie gelistet ist. Buschmann und Holzgrabe erklären jedoch, dass die Menge an dieser Verunreinigung zum Zeitpunkt des ursprünglichen Monographie-Entwurfs und eventuell auch bei der kürzlichen Überarbeitung der Losartan-Monographie so gering gewesen sein könnte, dass sie nach den Regeln des Europäischen Arzneibuchs nicht berichtet werden musste. In Optimierungsstudien sei für die Losartan-Synthese jedoch festgestellt worden, dass das Verhältnis von Triethylamin-Hydrochlorid und Natriumazid ganz entscheidend für das finale Verunreinigungsprofil sei, und: „Das ist auch der entscheidende Schritt, in dem die Azido-Verunreinigung gebildet wird, und zwar in Mengen größer als 1Prozent“, heißt es.

Holzgrabe und Buschmann sind jedenfalls der Meinung, dass man teure Rückrufaktionen im Vorfeld durch eine strengere und mehr fachkundige Kontrolle in Zukunft sicherlich deutlich begrenzen könnte. Im konkreten Fall einer genotoxischen Verunreinigung sei dies mehr als ein gut gemeinter Rat, sondern ein „Muss“: „Immer häufiger werdende Pressemitteilungen von immer wieder neu identifizierten Verunreinigungen können nicht zum Standard in Europa werden.“

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Wer tiefer in die Chemie und Arzneistoffanalytik hinter den neuen Sartan-Verunreinigungen einsteigen möchte, kann als Abonnent:in in der DAZ 41/2021 weiterlesen. 

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