Mein liebes Tagebuch

Apothekerliche Weihnachtsstimmung im Anmarsch? Davon kann absolut keine Rede sein angesichts von Inflation, steigenden Energiekosten, Personalmangel, Lieferengpässen, angesichts von Präqualifizierung und dem Hilfsmittel-Desaster. Hinzu kommen noch der bevorstehende erhöhte Kassenabschlag und die immer noch gewerbsmäßigen Nullretaxationen der Kassen, die letztlich Diebstahl von apothekerlichem Eigentum sind. Ob uns da die Kunde erfreuen kann, dass die Apotheken bei der nächsten Strukturreform im Frühjahr vielleicht ein bisschen geschont werden sollen? Nicht wirklich. Was fehlt ist ein Inflationsausgleich von 2,7 Milliarden Euro für uns. 

21. November 2022

Bei den Themen, zu denen die Apothekerkammer Niedersachsen nach Bad Zwischenahn zum Zwischenahner Dialog geladen hatte, knistert es gewaltig, da ist viel Spannungspotenzial drin: Kooperationen im Gesundheitswesen, Nachwuchsmangel und pharmazeutische Dienstleistungen.  Bei den Kooperation sind hier allerdings nicht die Apothekenkooperationen gemeint, sondern eine Zusammenarbeit von Apotheken z. B. mit Ärzten. Ja, mein liebes Tagebuch, für solche Kooperationen und Absprachen steht das Apothekengesetz im Wege, das eine Vielzahl denkbarer Zusammenarbeit untersagt. Und wenn man es sich genau anschaut, wohl auch zu Recht. Wenn nämlich die Zusammenarbeit so aussieht, dass sich Arzt und Apotheker die Versicherten zuweisen oder dass sich die beiden Heilberufler aus der Zusammenarbeit wirtschaftliche Vorteile verschaffen, dann ist schnell eine Grenze überschritten, die für eine Unabhängigkeit der beiden Berufe steht. Derzeit belastender dürfte für Apotheken das Thema Nachwuchsmangel sein. Mein liebes Tagebuch, das wird uns in der Tat in den kommenden Jahren noch viel Kopfzerbrechen bereiten: Wie vermittelt man jungen Menschen, dass Pharmazie, dass der Beruf der Apothekerin, des Apothekers prinzipiell hochinteressant und erfüllend sein können – auch wenn die Gehaltssituation so gar nicht mehr zu diesem anspruchsvollen Studium und dem genauso forderndem Berufsbild der Offizinapothekerin, des Offizinapothekers passt. Hinzu kommt, dass Pharmazeuten spannende Arbeitsplätze nicht nur in der öffentlichen Apotheke angeboten werden, sondern auch im Krankenhaus, wo klinisch-pharmazeutische Aufgaben warten, oder in der Industrie, wo die Gehälter das pharmazeutische Wissen wesentlich besser honorieren. Letztlich werden die aktuell eingeführten pharmazeutischen Dienstleistungen den pharmazeutischen Nachwuchs nicht in Scharen zum Apothekenplatz Apotheke treiben. Nicht jede Apotheke wird diese Dienstleistungen anbieten wollen oder können. Und die Honorierung dieser Leistungen ist bisher limitiert. Zur Frage, ob Apotheken die Dienstleistungen anbieten werden, gab sich eine AOK-Apothekerin auf dem Zwischenahner Dialog skeptisch. Ihre Erfahrungen aus einem Projekt zur Polymedikationsberatung der AOK Niedersachsen im Jahr 2017 hätten gezeigt, dass nur sehr wenige Apotheken solche Beratungen angeboten und abgerechnet haben. Mein liebes Tagebuch, da muss man sich allerdings die Bedingungen dieses damaligen Projekts ansehen: Es lag in den Händen der Hausärzten, gezielt eine Apotheke mit einer Beratung zur individuellen Medikation zu  beauftragen – oder wahlweise den Patienten selbst eingehend zu beraten. Die Apotheke war also davon abhängig, dass ein Hausarzt den Patienten zur Beratung in die Apotheke schickte. Kein Wunder, wenn damals die meisten Hausärzte wohl selbst die Beratung durchführten und die 60 Euro Honorar abrechneten. Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen von heute veranlasst die Apotheke selbst – und es besteht die Hoffnung, dass dies mehr und mehr Apotheken tun. Mein liebes Tagebuch, wir können es uns nur wünschen, alles andere könnte uns in die Logistikecke stellen.

22. November 2022

Effizienzreserven, das Unwort des Jahres, plagt nicht nur uns Apothekers, sondern auch die Pharmaindustrie, insbesondere den patentgeschützten Arzneimittelmarkt, wo das Bundesgesundheitsministerium noch viel Luft sieht. Mit einem Bündel von Maßnahmen will das Lauterbachsche Spargesetz die Arzneimittelkosten der Krankenkassen dämpfen. „Nicht mehr viel Luft“ sieht das BMG dagegen im Generikamarkt, wie BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller bei einer Veranstaltung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller betonte. Und oh Wunder, das BMG plant sogar eine Art „Generika-Gesetz“, das Deutschland für diesen Markt attraktiver machen soll. Der eigentliche Zweck, der damit verfolgt wird: Man will das Problem der Lieferengpässe angehen. Es soll dabei nicht nur darum gehen, die Produktion nach Europa zurückzuholen, wie Müller erklärte, sondern auch darum, dass es weiterhin attraktiv sein müsse, „einfach Arzneimittel mit kleiner Marge nach Deutschland zu verkaufen“. Mein liebes Tagebuch, ob diese noch sehr schwammigen Überlegungen letztendlich wirklich so konkret werden, dass man damit den Lieferengpässen entgegenwirken kann, erschließt sich daraus nicht wirklich. Was Müller auch sagte: Das Gesetz soll wohl im Laufe des nächsten Jahres kommen. Mein liebes Tagebuch, wir werden also mit Sicherheit noch ein paar Jahre warten müssen, bis wir eine spürbare Besserung auf dem Generikamarkt und im Bereich der Lieferengpässe sehen. Schade, dass man nicht schneller und bessere Anreize schafft, die Arzneimittelproduktion zurück nach Europa zu holen.

 

Unser oberster Bundesdatenschützer, Ulrich Kelber, bleibt weiterhin im Gespräch. Wir erinnern uns: Sein Name ist mit dem Stopp des E-Rezepts in die Schlagzeilen gekommen. Kelber wies die Gematik darauf hin, dass die elektronische Gesundheitskarte ohne weiteren Schutz (z. B. ohne PIN) nicht für das Einlösen des E-Rezepts genutzt werden kann, da der Datenschutz nicht gegeben ist. Womit er vollkommen Recht hat. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ machte er auch deutlich, dass man dies nicht auch nur für eine kurze Zeit hätte dulden können, wie es sich die Gematik gewünscht hatte. Und Kelber sagte auch: Wäre seine Behörde von Beginn an in solche Entwicklungen eingebunden, könnte sie besser beraten. Dann kämen unsichere Lösungen, die Datenschutzprobleme verursachen, gar nicht erst auf den Markt. Mein liebes Tagebuch, da kann man ihm wohl nur zustimmen. Und man reibt sich verwundert die Augen, dass eine Planung und Entwicklung eines E-Rezepts ohne intensive Beteiligung des Datenschutzes überhaupt veranlasst wurde. Hätte man den Datenschutz früher mit eingebunden, hätte man sich das Desaster mit den ständigen und peinlichen Stopps der E-Rezepteinführungen sparen können. Es bleibt die Frage offen: Warum wurde der Datenschutz nicht rechtzeitig gefragt? Kelber spricht sogar von einer Scheuklappenmentalität des Bundesgesundheitsministeriums und der Gematik, weil sie erst spät im Verfahren auf die Datenschützer zugegangen seien.

23. November 2022

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat sie bereits angekündigt: eine GKV-Strukturreform, die wohl so einiges auf dem Kopf stellen wird. Noch bevor es überhaupt Inhalte dieser Reform gibt, ist es dem Bundesverband Deutscher Arbeitgeber (BDA) ein äußerst eiliges Anliegen, ein Konzept hierfür vorzulegen. Und siehe da, Neues ist ihm nicht eingefallen, er holt seine altbekannten Forderungen aus der Mottenkiste, Vorschläge, die er seit Jahren zu den verschiedensten Gelegenheiten immer wieder auf den Tisch legt. Das herzallerliebste Anliegen des BDA ist  Wettbewerb über alles, Wettbewerb hinten und vorne. Mein liebes Tagebuch, wie putzig ist das denn? So putzig, dass er bisher noch keine Bundesregierung von seinen Ideen überzeugen konnte. Hier ein Ausschnitt aus dem wenig originellen BDA-Konzept, der auf die Apotheken zielt: Liberalisierung des Arzneimittelvertriebs, Schluss mit der Preisbindung für Rx-Arzneimittel, Kassen sollen auch mit Apotheken Rabattverträge schließen, Schluss mit dem Fremd- und Mehrbesitzverbot und Apothekenketten über alles. Mein liebes Tagebuch, wenn man dem BDA-Konzept eine Überschrift geben will, dann diese: „Methoden, um ein gut funktionierendes Arzneiversorgungssystem zu zerstören.“

24. November 2022

Endlich sagt’s mal einer ganz deutlich: „Allein für den Inflationsausgleich der letzten zwei Jahrzehnte fordern wir 2,7 Milliarden Euro für die deutsche Apotheke“, so Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, auf der Kammerversammlung. Und eigentlich müsste es noch mehr Geld geben für die Aufgaben, die Apotheken außerhalb ihres Kerngeschäfts erbringen, beispielsweise für das Inkasso des Herstellerrabatts. Siemsen begründet seine Forderung  damit, dass das Packungshonorar, abgesehen von einer kleinen Erhöhung von 25 Cent, auf dem Niveau von 2002 liege, dem Basisjahr für die Umwandlung der Preisregelung im Jahr 2004. Mein liebes Tagebuch, welcher Beruf lässt es sich bieten, 20 Jahre ohne Honorarerhöhung zu arbeiten? Dabei war doch ursprünglich eine mindestens zweijährliche Überprüfung, Anpassung und Dynamisierung unseres Honorars vorgesehen. Immer und immer wieder hatte der Deutsche Apothekerverband in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Erhöhung gefordert, aber ohne Erfolg. Und vermutlich nicht deutlich genug, wie Siemsen anmerkte: Die ABDA habe über Jahre und Jahrzehnte versäumt, „unsere Wünsche als deutliche Forderung öffentlich zu benennen“. Wobei die Betonung sicher auf „deutliche Forderung“ liegt. Mein liebes Tagebuch, noch frustrierender wird dieses Thema, wenn wir einen Blick auf die Ärzte werfen: Sie dürfen sich Jahr für Jahr über einen Honorarzuwachs freuen, der weitgehend geräuschlos über die Bühne geht. Wenn Siemsen nun rückwirkend den Inflationsausgleich fordert, ist ihm natürlich klar, dass wir nie und nimmer 2,7 Milliarden Euro bekommen werden. Aber diese Summe zeigt doch, wie desaströs im Prinzip die Lage der Apotheken ist. Eine Auswirkung, die wie eine Spirale nach unten weitergeht: Apotheken können ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht angemessen entlohnen, was letztlich auch ein Grund für den Fachkräftemangel ist, wie Siemsen hinzufügte. Und dieser Mangel an Fachkräften führt wiederum dazu, dass Apotheken ihre Öffnungszeiten anpassen müssen und außerdem die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen nicht umsetzen können. Und wenn daher diese neuen Dienstleistungen nicht erbracht werden können und somit das dafür bereitgestellte Geld nicht aus dem Honorartopf abgerufen wird, sei das „Wasser auf die Mühlen der Krankenkassen, die diese Millionen lieber für sich reklamieren möchten“, mahnte Siemsen. Was der Hamburger Kammerpräsident auch anmerkte: Lauterbach habe eine „große allumfassende Reform“ des Gesundheitswesens angekündigt, bei der „jeglicher Sachverstand außen vor bleiben soll“, denn die Reform werde nur im Ministerium geplant. Was das für die Apotheken bedeuten kann, mein liebes Tagebuch? Siemsen ließ es durchblicken: Er könne als Kammerpräsident zwar nicht zum Streik aufrufen, aber der Berufsstand werde ein solidarisches Handeln, bei der angekündigten Strukturreform noch dringend brauchen.

 

Seine Unzufriedenheit mit der Bundesregierung machte Thomas Dittrich, Chef des Deutschen Apothekerverbands (DAV) auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern deutlich: Das Vorgehen in der Corona- und Energiepolitik sei unkoordiniert und dieses Chaos setze sich auch in der Gesundheitspolitik fort. Wenn Abgeordnete die Sondereinnahmen der Apotheken während der Pandemie ansprechen, bringen viele von ihnen brutto und netto sowie Gewinn und Umsatz durcheinander. Ja, mein liebes Tagebuch, es zeigte sich schon in der Vergangenheit immer wieder, dass Politikerinnen und Politiker nur wenig Ahnung vom Apothekenwesen haben. Dittrich nannte hier auch die Prüfbitte der FDP-Fraktion im Bundestag, mit der eruiert werden soll, welche Auswirkungen ein Preisdeckel bei der 3-Prozent-Marge in Höhe von 45 Euro hätte. Dittrich weiß die Antwort: „Dann wird bei Hochpreisern der Ertrag allein schon von den Zinsen der Finanzierung aufgefressen.“ Und er fügte hinzu: „Die Abgeordneten wissen einfach nicht, wie Apotheke funktioniert.“ Wie wahr, mein liebes Tagebuch, aber eigentlich ist dies doch keine neue Erkenntnis und so stellt sich die Frage: Hat es unsere ABDA, haben es unsere politischen Spitzen in den vergangenen Jahren versäumt, nachdrücklich und eindringlich der Bundespolitik zu erklären, wie Apotheke funktioniert? Wenn Dittrich nun seine  Verbandsmitglieder dazu aufruft, die Bundestagsabgeordneten aus ihren Wahlkreis einzuladen und ihnen zu erklären, mit welchen Belastungen die Betriebe zu kämpfen hätten, mag das sicher richtig sein. Aber es muss auch auf oberster Berliner Ebene der Zugang zur großen Politik genutzt werden, um dort zu erklären wie Apotheke funktioniert. Und wie stellt sich der Vorsitzende des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern, Axel Pudimat, vor, Kontakt zur Politik aufzunehmen, um die Apothekersorgen an die Politik heranzutragen? Auf Konfrontationskurs zu gehen – das hält er jedenfalls nicht für eine gute Idee, mein liebes Tagebuch. Pudimat glaubt da wohl eher an die Macht der leisen Töne, also so, wie es der frühere ABDA-Präsident Friedemann Schmidt praktiziert habe. Unter Schmidt habe es nämlich gute Kontakte ins Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegeben, sagt Pudimat – ob uns das wirklich weitergebracht hat, mein liebes  Tagebuch? Beim Rx-Versandverbot jedenfalls nicht und bei einer Honoraranpassung wohl auch nicht. Nun ja, für Pudimat steht jedenfalls der Dialog mit der Politik an erster Stelle und nicht etwa Streiks, Maximaleskalationen oder gar Machtkämpfe mit dem BMG – davon hält der Verbandschef in Mecklenburg-Vorpommerns nicht viel. Ihm gefällt da schon eher die singende Apothekerin, die mit ihrer Version des Grönemeyer-Hits „Was soll das“ in die Schlagzeilen kam. Das sei doch eine tolle Aktion gewesen, ist Pudimat überzeugt. Ja, mein liebes Tagebuch, war ja wirklich nett. Aber was hat’s politisch gebracht? 

 

Die Verlängerung der Corona-Testverordnung steht an: Sind angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens auch weiterhin noch Tests erforderlich? Wie lange soll noch getestet werden? Zunächst war die Rede davon, die Bürgertests auf Staatskosten bis Ostern zu verlängern. Nun steht es fest: Corona-Tests werden vorerst nur bis Ende Februar 2023 finanziert. Außerdem werden die Bürgertests mit der Eigenbeteiligung von drei Euro gestrichen werden. In Zukunft hat nur noch eine überschaubare Zahl von asymptomatischen Personen einen Anspruch auf Bürgertestung. Die ADBA hatte zwar in ihrer Stellungnahme zur Änderung der Coronavirus-Testverordnung gefordert, weiterhin auch symptomatische Personen testen zu lassen, drang damit aber genauso wenig durch wie mit ihrer Forderung, die Vergütung für die Tests nicht zu senken. Statt den derzeitigen 7 Euro für Durchführung und 2,50 Euro fürs Material wird es ab 1. Dezember also nur noch 6 Euro plus 2 Euro geben. Mein liebes Tagebuch, das sind Signale, oder? Ist jetzt die Pandemie vorbei? Wenn’s um die Test-Kosten geht, könnte man es so deuten. Andererseits warnt Lauterbach schon vor einer Winterwelle – wie soll man das verstehen?

25. November 2022

Gut, dass dieses Thema wieder einmal hochkommt: das Elend der Hilfsmittelversorgung – kein Mitspracherecht der Leistungserbringer, Preisdumping ohne Qualitätskriterien, keine realistischen Preise, quasi ein fehlender Aufschlag und der Unsinn mit der Präqualifizierung. Der Jurist Kai Kallbach, zuständig bei der ABDA für das Thema Hilfsmittel, nannte auf der Mitgliederversammlung des Apothekerverbands Mecklenburg-Vorpommern all diese Themen und forderte von der Politik u. a. faire Preise, einheitliche Verträge und das Aus für die Präqualifizierung. Und obwohl sich die ABDA mit aller Macht dafür einsetze, komme man nicht gegen das Diktat der GKV an, sagte Kallbach. Mein liebes Tagebuch, das ist der Haken an der Sache: Die ABDA hat da gar keine Macht, denn bei Richtlinien und Empfehlungen im Hilfsmittelbereich gibt es kein Mitspracherecht für die Leistungserbringer. Die ABDA hat z. B. bei Änderungen der Hilfsmittelrichtlinie nur das Recht zur Stellungnahme – das bringe jedoch herzlich wenig, räumt Kallbach selbst ein. Und nun, mein liebes Tagebuch, soll man das dann achselzuckend hinnehmen? Oder könnte man sich da andere Wege überlegen, wie man den Hilfsmittelbereich auf Spur bringt. Wie wär’s denn damit: ständiges Nerven von Gesundheitspolitikern, eine Informationskampagne auf allen Kanälen für Patientinnen und Patienten, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, um ihnen die Missstände bei Hilfsmitteln nahezubringen.

 

Retaxierungen sind schwerwiegende Sanktionen, Retaxierungen sind ein Geschäftsmodell der Krankenkassen und ja, Retax ist letztlich Diebstahl – davon ist Thomas Rochell, Chef des Apothekerverbands Westfalen-Lippe überzeugt. Wie er in einem DAZ-Interview klar macht, handelt es sich bei den Retaxierungen in vielen Fällen kaum noch um Rechnungskorrekturen, sondern um „einen Eingriff in das Vermögen des selbstständigen Heilberuflers“. Beispiel Dosierungsretaxationen: „Die Apotheke wird hier für eine versäumte Formalie des Arztes bestraft, indem ihr weder der Wareneinsatz bezahlt noch das Honorar vergütet wird. Und das, obwohl der Patient alles bekommen hat, was er braucht und was ärztlich verordnet war“, bringt es Rochell auf den Punkt. „So etwas gibt es in keiner anderen Branche“ – wie wahr, mein liebes Tagebuch, und jeder Außenstehende, dem man das erzählt, staunt nur darüber. Auch darüber, dass wir, die Apothekers, dies schon so lange mit uns machen lassen. Ja, es gehören immer zwei dazu: Der eine, der etwas mit einem macht, und der andere, der etwas mit sich machen lässt. Und da scheint bei uns die Leidensfähigkeit recht groß zu sein. Allerdings, mit einer Nullretax wegen fehlender Dosierungsangaben läuft etwas kräftig aus dem Ruder. Und vielleicht verstehen das nun endlich auch die Politiker, dass Null-Retaxationen absurdes Theater sind. Rochell zeigt im Interview noch weitere Punkte auf, die sich ändern müssen, zum Beispiel die Möglichkeit, dass Krankenkassen Retaxationen mit künftigen Forderungen verrechnen können oder dass Krankenkassen externe Dienstleister für Retaxationen einsetzen. Ob das E-Rezept verhindern kann, dass Krankenkassen weiterhin nach Retaxmöglichkeiten suchen? Da zeigt sich Rochell skeptisch. Letztlich kann hier nur die Politik ein Machtwort sprechen. Mein liebes Tagebuch, vielleicht kommt nun endlich Bewegung in diese Diskussion.

 

Die Erhöhung des Kassenabschlags schmerzt viele Apotheken gewaltig, dazu kommen noch die Inflation und steigende Energiekosten. Und dann droht da noch eine von Lauterbach angekündigte Strukturreform im Gesundheitswesen: Das Finanzstabilisierungsgesetz werde im Vergleich dazu ein Klacks gewesen sein, so war noch vor Kurzem zu vernehmen. Nun ja, vielleicht wird’s zumindest für uns Apothekers doch nicht ganz so schlimm, so eine frohe Kunde von unserer ABDA-Präsidentin im Facebool-Livetalk vor dem ersten Advent. Die Apotheken sollen offenbar bei der anstehenden Strukturreform im Frühjahr geschont werden, so die Signale aus der Politik, die Gabriele Regina Overwiening gehört haben will. Die Schonung könnte so aussehen, dass Apotheken sogar ein paar Gutsle bekommen könnten, wie z. B. die Verstetigung der erleichterten Abgaberegelungen aus der Pandemiezeit, ein Honorar für das Lieferengpass-Management und die Abschaffung der Präqualifizierung. Hui, mein liebes Tagebuch, keine weiteren Belastungen mit Sparmaßnahmen, sondern ein paar nette Erleichterungen und Verbesserungen für den Apothekenalltag. Alles gut, alles richtig, aber so richtig frohe Vorweihnachtsstimmung schafft das dann noch nicht wirklich. Denn dafür bräuchte es noch ein paar weitere Aufwertungen unseres Berufs, z. B. die Abschaffung von Nullretax (ganz dringend!) und eine einfachere, vor allem digitale Doku der pharmazeutischen Dienstleistungen. Aber im Prinzip sind das doch alles nur Peanuts. Was wir wirklich brauchen, ist eine ordentliche Anpassung unseres Honorars – erst dann käme ein bisschen Weihnachtsstimmung auf.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen