Abnehmen und fit werden: "Jede Art von Diät ist ein Fehler"

Frau Kraft, Frauen scheint das Abnehmen häufig schwerer zu fallen als Männern. Ist da was dran?
Ich kenne das Phänomen selbst nur zu gut. Mein Mann beispielsweise kann morgens bergeweise futtern – Müsli und Brot mit Marmelade und Butter. Er nimmt einfach nicht zu. Würde ich so viel essen, wäre ich längst kugelrund. Leider hat die Genetik uns Frauen da einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir sind, was das Thema Abnehmen betrifft, tatsächlich mit ein paar Nachteilen ausgestattet.
Welche wären das?
Es gibt mehrere. Männer haben zum Beispiel von Natur aus mehr Muskeln und die verbrennen mehr Fett. Sitzt ein Mann für eine Stunde, "verfeuern" seine Muskeln in dieser Zeit ein ganzes Gramm davon. Bei einer Frau hingegen wird in derselben Zeit nur 0,8 Gramm Fett verbrannt. Da kommt mit der Zeit schon ein ziemlicher Unterschied zusammen. Auch die Hormone spielen eine Rolle – Stichwort Wechseljahre. Und, besonders fies: Nach dem Sport haben Frauen Hunger. Das kennen Männer praktisch nicht.
Woran liegt das?
Der Körper schüttet bei Frauen nach dem Sport das Hungerhormon Ghrelin aus. Bei Männern passiert das nicht. Vermutlich liegt das daran, dass der Körper von Frauen sehr darauf ausgerichtet ist, Fettspeicher für schwierige Zeiten anzulegen, um zum Beispiel im Fall einer Hungersnot eine Schwangerschaft abzusichern. Heute gibt es solche Notlagen zumindest in den Industriestaaten kaum mehr. Genetisch sind wir aber noch so gepolt wie zu Urzeiten.
Abnehmen hat für viele Menschen etwas mit der Optik zu tun. Wann ist es denn aus medizinischer Sicht sinnvoll abzunehmen?
Ganz wichtig: Schlank ist nicht automatisch gesund. Es gibt schlanke Menschen, die sich schlecht ernähren und in ihrem Bauch Fett anhäufen, das man von außen gar nicht sieht. Es ist vor allem dieses Bauchfett, das als ungesund gilt, weil es beispielsweise Entzündungen fördert. Ein Wert, auf den man achten sollte, sind die Triglyceride. Das ist ein leicht zu ermittelnder Blutwert. Auch das Cholesterin ist ein guter Anhaltspunkt. Am besten über eine längere Phase. Wenn man früher gute Werte hatte und das über die Jahre vergleicht und eine Entwicklung sieht, die sich über dem Normwert bewegt, dann sollte man etwas ändern. Das kann zum Beispiel eine gesündere Ernährung sein, vielleicht ergänzt mit etwas mehr Bewegung.
Was ist mit dem BMI, der war doch lange Zeit das Maß der Dinge?
Der BMI ist kein guter Maßstab. Er sagt nicht viel aus und ist sehr ungenau. Die wichtigen Werte sind tatsächlich die Blutwerte. So ein kleines Blutbild ist kein großer Aufwand, das kann man ab einem gewissen Alter alle zwei Jahre beim Hausarzt machen lassen. Wenn man dann einen Trend hin zu schlechteren Werten sieht, ist es an der Zeit für Veränderungen.
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Können Frauen die Biologie beim Thema Gewichthalten oder Abnehmen austricksen?
Klar, das fängt schon mit ganz einfachen Dingen an. Wenn man weiß, dass man nach dem Sport Heißhungerattacken bekommt, sind Schokolade oder Chips am besten gar nicht erst im Haus. Stattdessen kann man sich für nach dem Sport eine Schale Mandeln hinstellen oder etwas Gemüse und Obst kleinschneiden. Das ersetzt im besten Fall den Griff zu ungesunden Sachen. Und man kann sich auch allein durch die Wahl der Lebensmittel besser aufstellen: industrielle Lebensmittel mit viel Zucker und Fett besser meiden, stattdessen unverarbeitete Lebensmittel wählen, die ballaststoffreich sind und lange sättigen.
Zu was raten Sie?
Hülsenfrüchten, Kichererbsen, Bohnen, aber auch langfaserigen Lebensmitteln wie Sauerkraut oder Kimchi. Vielfalt lautet das Stichwort! Die Ernährung sollte weitgehend pflanzenbasiert sein, also mit viel Obst, Gemüse und auch Körnern. Beim Öl gerne Olivenöl nehmen. Fisch ist auch gesund. Fleisch dagegen nur in Maßen und wenn, dann sollte es Bio-Qualität haben. In aus Massentierhaltung kommenden Fleisch stecken häufig Antibiotikareste. Und die können unser Mikrobiom, also die Milliarden Bakterien, Viren und Pilze, die vor allem im Darm leben, nachhaltig schädigen.
Gibt es klassische Abnehmfehler von Frauen?
Jede Art von Diät ist ein Fehler. Leider waren es in der Vergangenheit meist Frauen, die sich damit gequält haben. Oft führen Diäten zum Gegenteil und man wiegt danach mehr als vorher, weil der Jo-Jo-Effekt zuschlägt. Wir Frauen neigen zu strikten Ernährungsregeln, sind sehr streng mit uns und essen dann zum Beispiel überhaupt keine Kohlenhydrate mehr. Aber alles, was mit Qual zu tun hat, ist Quatsch. Der nächste Fehler ist der Stress, den sich viele bei einer Ernährungsumstellung machen. Man muss nicht aufwendig und groß kochen. Oft liegt in der Schlichtheit die Lösung.
Haben Sie da ein Beispiel?
Ein Blumenkohl braucht keine großartige Soße oder weitere Beilagen, um gut zu schmecken. Wenn ich Blumenkohl koche, streue ich etwas Salz darüber, gebe einen Schuss Olivenöl dazu und schiebe das Ganze für 20 Minuten in den Backofen. Das ist simpel, schnell gemacht und schmeckt auch noch sehr gut.
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