#womensupportingwomen: Was steckt hinter der Challenge für weibliches Empowerment?

Mit #challengeaccepted betiteln viele Frauen dieser Tage ein Schwarz-Weiß-Foto von sich und nutzen den Post, um anderen wichtigen Frauen in ihrem Leben Anerkennung und Wertschätzung auszudrücken.

Dazu nominieren sie weitere inspirierende Frauen, es ihnen gleich zu tun, und schließen ihren Beitrag dann mit dem Hashtag #womensupportingwomen ab.

Knapp acht Millionen Posts lassen sich unter diesem Hashtag bereits bei Instagram finden und auch Stars wie Natalie Portman, Reese Witherspoon und Cindy Crawford sind längst ein Teil der Bewegung.

Was hat es mit dem Trend auf sich?

Wer hat die Challenge ins Leben gerufen?

Darüber, was der Auslöser für die aktuelle Social-Media-Aktion gewesen ist, gehen die Meinungen auseinander.

Laut 'New York Times' gab Instagram bekannt, dass vor anderthalb Wochen die brasilianische Journalistin Ana Paula Padrão den ersten Beitrag dazu veröffentlicht und damit der Challenge womöglich den Anstoß gegeben habe.

Gemutmaßt wird aber, dass es vor allem die mutige Rede der US-Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez in der letzten Woche gewesen sei, die die Challenge erst richtig ins Rollen gebracht habe.

Die junge Politikerin wehrte sich im Capitol mit starken Worten gegen die sexistischen Beleidigungen eines männlichen Kollegen und stellte klar, dass diese kein Einzelfall für sie und ihre politischen Kolleginnen seien.

Innerhalb weniger Tage wurde das Video zu ihrer Rede bereits über 15 Millionen mal angeklickt und führte zu einem rasanten Anstieg der Social-Media-Posts über Feminismus und Empowerment von Frauen.

Gut möglich also, dass dieser Vorfall die Social-Media-Aktion mit den Hashtags #womensupportingwomen und #challengeaccepted zusätzlich angefeuert hat.

Die ursprüngliche Bedeutung der Monochrom-Bilder reicht allerdings noch wesentlich weiter zurück und führt in die Türkei.

In Gedenken an Femizid-Opfer

Um auf Femizid und häusliche Gewalt aufmerksam zu machen, teilten Frauen in der Türkei Schwarz-Weiß-Aufnahmen misshandelter und getöteter Frauen, deren Täter kaum oder gar nicht bestraft worden waren.

Die Bilder dienten als Systemkritik und Solidaritätsbekundung.

2011 wurde als Reaktion darauf die sogenannte "Istanbuler Konvention" beschlossen – ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, dem sich bis heute 33 Staaten angeschlossen haben.

Women Empowerment – warum gerade jetzt?

Man könnte sagen, dass es grundsätzlich keinen schlechten Zeitpunkt für das Empowerment von Frauen gibt.

So nutzt die australische Fitness- und Yogatrainerin Ashley Freeman ihren Post, um unter anderem darauf hinzuweisen, dass es aktuell zum Beispiel immer noch über vier Millionen Sexsklavinnen gibt: "Das sind nicht einfach nur Zahlen, das sind unsere Schwestern. (…) Die wahre Feier kann erst dann beginnen, wenn wir alle frei sind."

Daneben gibt es aber auch einen akuten neuen Anlass, um über die "Instagram-Challenge" nochmal an deren Ursprünge zu erinnern, die damals zur Istanbuler Konvention führten.

Denn aktuell überlegt die Türkei, sich von der Istanbuler Konvention wieder frei zu machen. Und nicht nur das.

EU-Mitglied Polen hat vor wenigen Tagen verkündet, sich von dem einst beschlossenen Regelkatalog, der Gewalt an Frauen als Verbrechen einstuft, lösen zu wollen.

Die Konvention enthalte Bestimmungen "ideologischer Natur", die er nicht akzeptieren könne und für schädlich halte, ließ Polens Justizminister Zbigniew Ziobro laut der 'Zeit' verkünden.

Das ist durchaus einen (viralen) Aufschrei wert.

Und Schwarz-Weiß-Bilder, die daran erinnern, dass wirklich jede Frau das nächste Opfer sein könnte, wenn Täter keine bzw. kaum mehr Bestrafungen bei Gewaltverbrechen zu befürchten haben, bekommen dann plötzlich einen ganz neuen Solidaritätscharakter.

#womensupportingwomen mehr Nachdruck verleihen

Es gibt nicht wenige Stimmen, die meinen, dass die Hashtags #challengeaccepted und #womensupportingwomen, so wie sie aktuell verwendet werden, sich von der eigentlichen Bedeutung weit entfernt haben.

Denn unabhängig davon, dass jede Frau das Recht haben sollte, sich so abzulichten wie sie möchte, ohne dafür Anfeindungen zu erfahren, geht die Challenge nicht wesentlich über das freundliche Bestärken von Frau zu Frau und das Zelebrieren von Weiblichkeit hinaus.

Wenn man sich dabei jedoch die Ursprungsidee der türkischen Frauen vor Augen hält, droht die Challenge tatsächlich in die Oberflächlichkeit abzudriften: Mit einem Reminder für misshandelte Frauen haben die adretten Fotos lachender Frauen leider nur noch wenig zu tun.

Dabei ließe sich die Dynamik, mit der sich die Challenge gerade verbreitet, neben nett anzusehenden Bildern starker Frauen ideal für ein bisschen gesellschaftkritisches Beiwerk mitnutzen: indem man in seinem Post zum Beispiel dem letzten bekannten Femizidopfer in der Türkei, der 27-jährigen Pınar Gültekin, gedenkt.

Auch wachrüttelnde Hashtags wie #istanbulconvention oder #endfemicide können hier wertvolle Arbeit leisten und dafür sorgen, dass über die Menge an Posts die Arbeit türkischer Aktivistinnen für Frauen- und Menschenrechte nicht untergeht – und #womensupportingwomen damit neue Tiefe gewinnt.

Quelle

  • Institut für Menschenrechte: "Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt", abgerufen am 29.07.2020: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/themen/frauenrechte/istanbul-konvention/

Larissa Hellmund

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