Ob Kaffee nützt oder schadet liegt auch an Ihren Genen
Hilft Kaffee wirklich gegen Müdigkeit? Natürlich, sagt der Ernährungsmediziner Christian Sina. Allerdings gibt es auch Menschen, die Koffein nicht gut vertragen. Das kann wiederum an ihren Genen liegen. Ein Gespräch über Müdigkeit, Kaffee-Konsum und was uns wirklich wach hält.
FOCUS online: Die Frühlingsmüdigkeit scheint überwunden, doch noch immer leiden einige an Dauer-Müdigkeit. Woran liegt das?
Christian Sina: Müdigkeit kann ganz verschiedene Ursachen haben. Natürlich können Betroffene schlicht schlecht schlafen. Oder sie leiden unter Schlafapnoe. Dabei setzt die Atmung während des Schlafs wiederholt kurzzeitig aus, was zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff führt. Es können allerdings auch weitere ernsthafte Erkrankungen dahinterstecken, zum Beispiel eine Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes mellitus oder psychische Erkrankungen wie Depressionen.
Das klingt ernst. Bei länger anhaltenden Schlafproblemen dann zum Hausarzt oder direkt zum Spezialisten?
Sina: Der Hausarzt ist auf jeden Fall die erste Anlaufstelle. Denn viele der für Müdigkeit verantwortlichen Ursachen, wie eine Schilddrüsenunterfunktion oder auch ein Eisenmangel, lassen sich bereits in der Hausarztpraxis gut abklären und auch therapieren. Wir beobachten im Praxisalltag eher, dass Patienten zu schnell einen Spezialisten aufsuchen, ohne dass das nötig wäre.
Über den Experten
Christian Sina ist Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Hohlstein in Lübeck.
Inwiefern spielt auch die Ernährung eine Rolle?
Sina: Losgelöst von der Ursache und einer entsprechend angepassten Ernährungsform, etwa bei Eisenmangel, gibt es Lebensmittel, die eine stimulierende Wirkung haben und andere mit dämpfender Wirkung. Dasselbe gilt für Getränke.
Wie die Tasse Kaffee am Morgen.
Sina: Genau. Ich gehöre auch zu den Menschen, die erst einmal eine Tasse Kaffee brauchen, bevor sie den Kopf anschalten können. Dahinter steckt eine biochemische Reaktion, Koffein wirkt stimulierend. Allerdings: Es gibt auch Menschen, die Kaffee nicht vertragen und überreagieren. Sie bekommen nach Konsum von Kaffee Herzrasen, geweitete Pupillen und der Blutdruck steigt. Bei manchen wird auch der Verdauungstrakt zu stark angeregt, so dass ungeformter Stuhlgang und Durchfall die Folge sein kann.
Woran liegt es, dass Menschen so unterschiedlich auf Kaffee reagieren?
Sina: Das kann verschiedene Ursachen haben. Eine Ursache scheint aber tatsächlich genetisch bedingt zu sein. So existieren genetische Unterschiede unter anderem im CYP1A2-Gen, das eine wichtige Funktion beim Abbau von Koffein in der Leber hat. Bei Vorliegen einer bestimmten Genvariante scheint der Abbau von Koffein verzögert zu sein. Entsprechend hoch ist die Konzentration im Blut und damit auch die Wirkung von Koffein nach dem Trinken einer Tasse Kaffee.
Man spricht auch von „Fast Metabolizern“ (Menschen, die bestimmte Substanzen sehr schnell verstoffwechseln) und „Poor Metabolizern“ (Menschen, die kaum oder nur sehr langsam verstoffwechseln). Eine Untersuchung zeigte, dass „Fast Metabolizer“ auch drei, vier Tassen Kaffee am Tag trinken können und das sogar gesundheitliche Vorteile hat. So sank zum Beispiel das Herzinfarktrisiko. Bei „Poor Metabolizern“ erhöhten mehrere Tassen dagegen das Risiko.
Wie finde ich heraus, ob ich ein „Fast Metabolizer“ oder ein „Poor Metabolizer“ bin?
Sina: Die oben genannten Reaktionen wie Herzrasen, geweitete Pupillen oder auch eine überproportionale Erhöhung des Blutdrucks nach dem Genuss einer Tasse Kaffee können Anzeichen dafür sein. Theoretisch könnte auch ein Gen-Test Klarheit schaffen. Wenn man allerdings merkt, dass man auf Kaffee mit Symptomen reagiert, sollte das Grund genug sein, den Kaffeekonsum herunterzuschrauben und ganz darauf zu verzichten.
Wie steht es um Mahlzeiten? Dreimal am Tag oder lieber mehrmals mit kleineren Mahlzeiten zwischendurch?
Sina: Das ist natürlich wie immer hochgradig individuell, denn kein Stoffwechsel gleicht dem anderen. Verantwortlich dafür sind unter anderem unsere Gene, unser Darmmikrobiom, aber auch unser Bewegungs- und Essverhalten.
Allgemein gesprochen liegt der Vorteil von nur drei Mahlzeiten am Tag allerdings darin begründet, dass der Stoffwechsel, hier insbesondere der Glukose-Insulinstoffwechsel, sich zwischen den Mahlzeiten erholen kann. Nehmen wir viele Zwischenmahlzeiten, z.B. in Form von zuckerhaltigen Snacks oder auch Getränken zu uns, dann kann das über den Tag zu wiederholten Insulinspitzen führen – diese verursachen nicht nur Heißhungerattacken, sondern können auch müde machen. Studien deuten zudem darauf hin, dass die Glukosetoleranz morgens etwas besser ist als abends. Das bedeutet, der Blutzuckerspiegel steigt nicht ganz so stark an – und fällt deshalb in der Folge auch nicht ganz so stark ab. Also scheint an dem Sprichwort „Morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König, abends wie ein Bettelmann“ tatsächlich etwas dran zu sein.
Viele kennen die bleierne Müdigkeit nach dem Mittagessen. Welches Essen ist schlecht?
Sina: Ich scheue mich immer von „gesundem oder ungesundem“, „gutem oder schlechtem“ Essen zu sprechen. Aber klar ist: Je länger und intensiver unser Magen-Darm-Trakt mit dem Verdauen von Nahrung beschäftigt ist, desto weniger agil und müde sind wir. Ein leichtes Mittagessen mit Salat und Wasser wird halt leichter verdaut als eine Schweinshaxe.
Wenn nachmittags der Hunger kommt, darf es dann ein Snack sein?
Sina: Ja, das lässt sich manchmal nicht verhindern. Aber bevor ich täglich zum Stück Kuchen greife, lieber eine Handvoll Nüsse, einen Apfel oder geschnittenes Gemüse wählen.
Inwiefern hilft Bewegung gegen Müdigkeit?
Sina: Bewegung hilft. Ein wichtiger Effekt scheint hierbei auch die positive Wirkung auf unseren Glukose-Insulinstoffwechsel zu sein. So lässt sich durch die Aktivierung von Muskelmasse müdigkeitsinduzierende Glukose- und Insulinspitzen nach einer Mahlzeit abfedern. Das liegt unter anderem daran, dass nach einer Sporteinheit die über die Mahlzeit in den Körper aufgenommen Kohlenhydrate teilweise auch Insulin-unabhängig in Muskelzellen eingeschleust werden können. Das spart Insulin und kann Müdigkeit vorbeugen.
Fit und wach mit den 4 Tipps des Ernährungsmediziners
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Sorgen Sie für ausreichend Nachtschlaf. In einem abgedunkelten Raum mit frischer Luft, ohne Geräusche und verzichten Sie auf Blaulicht durch Handy oder Tablet im Bett.
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Meiden Sie kohlenhydratreiche Snacks. Lieber essen, was langfristig satt macht und so den Blutzuckerspiegel nicht immer wieder in die Höhe treiben.
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Trinken Sie ausreichend. Und zwar Wasser bzw. ungesüßte Getränke.
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zum Thema Koffein-Getränke wie Kaffee und Tee: Sie wirken stimulierend, können gegen Müdigkeit helfen und enthalten so gut wie keine Kalorien. Aber Achtung: Konsum nur in Maßen und wenn möglich statt der dritten Tasse Kaffee lieber mal eine Stunde Mittagsschlaf einlegen.
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