Kliniken bieten Operationen trotz fehlender Routine an
Die Logik ist einleuchtend: Je häufiger komplizierte Operationen an einer Klinik vorgenommen werden, umso erfahrener ist das Personal und umso seltener kommt es zu Komplikationen oder gar Todesfällen. In Deutschland gelten deshalb seit 15 Jahren Mindestmengen für bestimmte planbare und komplizierte Eingriffe. Doch laut einer aktuellen Untersuchung ignorieren 40 Prozent der Kliniken, die diese Behandlungen vornehmen, die gesetzlich vorgeschriebenen Fallzahlen. Sanktionen gibt es bislang keine.
Für die Analyse werteten das Science Media Center und das Projekt „Weisse Liste“ der Bertelsmann Stiftung Qualitätsberichte der Kliniken für das Jahr 2017 aus. Demnach nahmen 458 von 1152 Kliniken komplexe Operationen vor, ohne die gesetzlich dafür vorgeschriebene Mindestzahl einzuhalten. Das entspräche bundesweit rund 4300 Operationen. Zudem gab ein Viertel der analysierten Kliniken nur unvollständige Qualitätsberichte ab.
Konkret geht es um:
- Organtransplantationen (mindestens 20 Leber- und 25 Nierentransplantationen pro Jahr)
- Bestimmte Operationen an Speiseröhre der Bauchspeicheldrüse (mindestens zehn pro Jahr)
- Stammzelltransplantationen (mindestens 25 pro Jahr)
- Kniegelenk-Prothesen (mindestens 50 pro Jahr)
- Versorgung von Frühchen mit einem Geburtsgewicht unter 1250 Gramm (mindestens 14 pro Jahr)
Dabei gibt es regionale Unterschiede nach Bundesländern und auch nach den Eingriffen, um die es geht: Während in Mecklenburg-Vorpommern 29,2 Prozent und in Baden-Württemberg 30,7 Prozent der Kliniken eine oder mehrere der Mindestfallzahlen nicht erreichten, waren es in Brandenburg 56,7 Prozent und in Bremen sogar 62,5 Prozent.
Bei Operationen an der Bauchspeicheldrüse erfüllten 66 Prozent der Krankenhäuser die vorgeschriebene Mindestanzahl an Operationen, bei Speiseröhren-OPs waren es nur knapp 48 Prozent. „Dass in Deutschland komplizierte OPs trotz fehlender Routine durchgeführt werden, darf nicht zum Klinikalltag gehören“, sagte Brigitte Mohn aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Krankenhäuser weisen Vorwürfe zurück
Die Forscher fordern, die Einhaltung der Mindestmengen stärker zu kontrollieren und notfalls Sanktionen zu verhängen. Zudem halten sie die aktuellen Vorgaben für zu lasch. In England und Finnland lägen die Fallzahlen bis zu zehnmal höher und würden oft pro Arzt gelten und nicht pro Klinik.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wies die Vorwürfe indes zurück. Wenn bestimmte Operationen unterhalb der Mindestmenge durchgeführt wurden, dann häufig nur, weil zulässige Ausnahmen oder Notfälle vorgelegen hätten. Zudem handele es sich nur um geringfügige Unterschreitungen. Der Verband schlägt daher flexible Mindestmengen vor, die eine Teilnahme der Kliniken an der Versorgung ermöglichten.
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