Geheilt von Corona, doch Leiden geht weiter: Die große Angst vor Langzeitschäden
Inmitten der schrecklichen Zahlen der Corona-Krise stach immer ein Wert heraus, der Hoffnung machte: die Zahl der Geheilten. Weltweit haben bereits Millionen Menschen eine Covid-19-Erkrankung überstanden. Doch Monate nach Beginn der Pandemie wird immer deutlicher: Das Virus wirkt bei vielen Erkrankten lange nach. Müssen Millionen Menschen mit Spätfolgen rechnen?
Noch sei insgesamt wenig über Spät- und Langzeitfolgen einer Corona-Infektion bekannt, sagte Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Anfang Juni. Erste Erkenntnisse über mögliche neurologische Folgen waren da etwa erst seit ein paar Wochen gesammelt worden. „Die waren vorher so noch nicht bekannt, denn die Erkrankung ist ja noch jung.“
„Niemand weiß, wie es mit ihnen weitergeht“
Doch nun, Wochen später, gibt es aus der Wissenschaft bereits deutliche Alarmzeichen. "Die Leute denken: Entweder man stirbt, oder es geht einem wieder gut. So ist das aber nicht“, erklärt die britische Medizinerin Helen Salisbury im „Spiegel“. In der Debatte sei es lange um Intensivstationen und Beatmungsplätze gegangen. Sie fürchtet nun aber, dass es viele Menschen gibt, „die vielleicht dauerhaft krank bleiben.“
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Viele der Patienten, die sie behandle und die eine Covid-19-Erkrankung eigentlich schon hinter sich haben, würden nach wie vor unter Symptomen wie Erschöpfung, Fieberepisoden oder Husten leiden. Wie sie die Betroffenen therapieren soll? Sie weiß es nicht. „Niemand weiß, wie es mit ihnen weitergeht“, sagt Salisbury.
„Covid-19 ist die merkwürdigste Krankheit, die ich kenne"
Timothy Spector, Professor am Londoner King’s College, untersucht in einer Studie die Krankheitsverläufe von mehr als 200.000 Patienten über einen längeren Zeitraum. Nachdem, was er bisher gesehen hat, hält er Covid-19 für „völlig unvorhersehbar“. Etwa zehn Prozent der beobachteten Patienten hätten länger als einen Monat unerklärliche Symptome, viele davon sogar nach zwei Monaten. Die Beschwerden reichen von Erschöpfung und Kopfschmerzen bis hin zu Atembeschwerden, Schwindel und Durchfall. "Ich bin ausgebildeter Rheumatologe und kenne mich mit merkwürdigen Krankheiten aus. Aber Covid-19 ist die merkwürdigste Krankheit, die ich kenne", sagt er dem „Spiegel“.
Intensivmediziner Matthias Kochanek, Oberarzt am Universitätsklinikum Köln, hatte bereits vor einem Monat berichtet, dass selbst Patienten mit mildem Verlauf geklagt hätten, dass die Dauer der Krankheit sich länger anfühle als man es von einer normalen Grippe kenne.
Und bei schwer erkrankten Patienten sei ein Muster zu erkennen gewesen. Im Vergleich zu Patienten mit anderen Formen der Lungenentzündung bräuchten sie sehr viel länger für die Genesung.
Neurologische Schäden beobachtet
Eine Frage, die immer mehr Mediziner nun umtreibt, ist welche Schäden Covid-19 verursacht, indem es das Gehirn angreift. Bei einigen Patienten wurden nach einer Erkrankung schwere neurologische Erkrankungen sichtbar – sogenannte Enzephalopathien.
„Das drückt sich in Unruhe und Verwirrtheit aus, auch die Leistung des Gedächtnisses kann beeinträchtigt sein“, erklärt Peter Berlit. Zu befürchten sei aber, dass solche Einschränkungen über längere Zeit bleiben könnten, warnte er vor wenigen Wochen.
Ein weiteres Risiko seien die Langzeitfolgen durch Schlaganfälle, die laut Berlit nicht nur bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten bedingt durch eine höhere Thromboseneigung gehäuft beobachtet werden. Welche Symptome zurückblieben, hänge vor allem vom betroffenen Hirnareal ab.
Parallelen zur Sars-Pandemie 2003
Laut dem Bericht des „Spiegel“ sehen Ärzte inzwischen eine Parallele zur Sars-Pandemie 2003. Auch damals war der Erreger ein zuvor unbekanntes Coronavirus, das bei den Patienten eine schwere Atemwegserkrankung auslöste – und viele Patienten hätten damals noch lange nach der Erkrankung vor allem über Erschöpfungssymptome geklagt.
Harvey Moldofsky, Schlaf- und Schmerzforscher an der Universität in Toronto, hatte damals mit Betroffenen gesprochen, die über lange anhaltende Probleme klagten. "Auch mehr als ein Jahr nach überstandener Infektion waren die Menschen immer noch erschöpft, fühlten sich schwach, hatten Muskelschmerzen, Schlafstörungen und konnten nicht mehr klar denken", sagte er nun dem „Spiegel“. Beschwerden, die denen bei einem chronischen Erschöpfungssyndrom ähneln.
Ob Covid-19-Patienten auf lange Sicht Ähnliches droht – aktuell können das Mediziner und Forscher noch nicht sagen. Doch die Befürchtung bleibt, dass in Zukunft nicht nur die Behandlung der akut Infizierten die Ärzte vor Herausforderungen stellt.
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