Katzenjammer

Die 53-Jährige leidet schon seit ein paar Wochen unter einem Ausschlag an ihren Beinen, als sie in einem israelischen Krankenhaus um Hilfe bittet. Die Haut schmerzt und sieht aus, als wäre sie von großen Mückenstichen übersät.

Die Stellen sind jeweils mehrere Zentimeter groß, notieren die Ärzte am Sanz Medical Centre in Netanya. Unregelmäßig bedecken sie die Vorderseiten ihrer Schienbeine und Oberschenkel. Über die Zeit verschwanden manche der Flecken plötzlich, berichtet die Patientin. Dafür bildeten sich neue.

Die Ärzte beginnen, sie nach weiteren Beschwerden zu fragen. Hatte ihre Patientin Fieber? Schweißausbrüche? Probleme mit der Verdauung? Oder Brustschmerzen? Die Frau verneint alles, sie sei sonst gesund. Auch Drogen hat sie nicht genommen, berichten die Mediziner um Ami Schattner im „British Journal of Case Reports“. Also starten die Mediziner die körperliche Untersuchung.

Hepatitis, HIV, Herpes?

Der Ausschlag, Erythema nodosum oder Knotenrose genannt, kann verschiedene Ursachen haben. Oft ist er Folge einer Überreaktion des Immunsystems, ausgelöst durch eine schwere Infektion. Als erstes prüfen die Ärzte, ob sich die Frau mit Streptokokken angesteckt hat. Über eine Mandelentzündung können die kugeligen Bakterien bis auf die Haut ausstrahlen. Ein Abstrich im Rachen zeigt jedoch ein negatives Ergebnis.

Streptokokken bilden oft Ketten

Auch im Blut der Patientin können die Mediziner nichts finden. Weder gegen Herpes, noch gegen Hepatitis oder HIV kreisen Abwehrstoffe durch den Körper der Frau. Tests auf weitere schwere Infektionen, etwa mit Tuberkulose, fallen ebenfalls negativ aus – eigentlich erfreulich.

Allerdings haben die Ärzte noch immer keine Ahnung, was ihre Patientin quält. Sie beginnen, ihren Körper Stück für Stück zu untersuchen. Beobachten beim EKG, wie ihr Herzmuskel arbeitet. Bitten sie zu einer gynäkologischen Untersuchung. Schauen ihr bei einem Ultraschall in den Bauchraum. Suchen bei einer Augenspiegelung nach Veränderungen der Netzhaut. Schicken den Urin ins Labor.

Und finden: nichts.

Die Frau scheint völlig gesund zu sein, alle üblichen Ursachen des Ausschlags sind zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Erst als die Ärzte der 53-Jährigen auch noch ein Kontrastmittel spritzen und sie ins CT schieben, entdecken sie Ungewöhnliches.

Sind die Katzen schuld?

Die Milz der Frau ist vergrößert, genauso wie die Lymphknoten in der Nähe der Hauptschlagader. Auch in den Achselhöhlen entdecken die Mediziner extrem angeschwollene Lymphknoten. Das Gewebe scheint dort so angegriffen zu sein, dass Zellen unkontrolliert absterben. Die Ärzte sind alarmiert.

Dicke Lymphknoten weisen darauf hin, dass das Immunsystem aktiv ist – ein Zeichen für eine Infektion. Daneben sind sie auch ein Indikator für eine Krebserkrankung. Aufgrund der Nähe zur Brust machen die Ärzte eine Mammografie, von Krebs keine Spur. Im Blut der Patientin kreisen auch keine Stoffe, die für einen Tumor sprechen. Also doch eine Infektion?

CT-Aufnahmen des Oberkörpers: Die Pfeile zeigen auf die geschwollenen Lymphknoten im Achselbereich

Die stark geschwollenen Lymphknoten bringen die Ärzte schließlich auf die entscheidende Idee: Die 53-Jährige hatte ihnen erzählt, dass sie täglich im Hinterhof die Katzen füttert. Hat sie sich dabei infiziert? Vor allem junge Katzen tragen oft Bakterien in sich, die beim Kratzen oder Beißen, selten aber auch ohne einen Angriff auf den Menschen übergehen können. So müsste es auch bei der Frau sein, sie kann sich an keine Katzen-Attacke erinnern.

Viele Katzenbesitzer betroffen

Den Katzen selbst bereiten die Bakterien in der Regel keine Probleme, genauso wie den meisten Menschen. Fast jeder Zehnte trägt Antikörper als Hinweis auf eine vergangene Infektion in seinem Blut, darunter vor allem Katzenbesitzer. Manchmal jedoch rebelliert der Körper. Dann bricht die sogenannte Katzenkratzkrankheit aus.

Zu den häufigsten Zeichen zählen geschwollene Lymphknoten und Abgeschlagenheit, beide Symptome zeigt die Patientin. Daneben kommt es jedoch häufig auch zu Fieber und Pusteln an der Wunde, worunter sie nicht leidet. Trotzdem sind die Mediziner zuversichtlich. Bei rund einem Fünftel der Betroffenen verläuft die Krankheit ungewöhnlich. Das könnte auch ihren Hautausschlag erklären.

Die Mediziner testen ihre Patientin – und werden fündig. Im Blut der Frau schwimmen große Mengen Antikörper gegen die Katzen-Bakterien Bartonella henselae. Außerdem bestätigt eine Probe aus einem Achsel-Lymphknoten den Verdacht, dass dort Zellen absterben. Das zumindest ist typisch für die Infektion.

Bei Menschen mit einem gesunden Immunsystem heilt die Krankheit oft von allein aus. Aufgrund der wochenlangen Beschwerden behandeln die Ärzte ihre Patientin trotzdem mit Antibiotika. Nach vier Tagen kann sie das Krankenhaus wieder verlassen, ihr geht es langsam besser. Vier Wochen später hat sie sich komplett erholt, berichten die Mediziner.

Müssen sich Katzenbesitzer Sorgen machen?

Abgeleitet von den Fallzahlen in den USA müssten in Deutschland jährlich rund 1500 bis 2000 Menschen an der Katzenkratzkrankheit erkranken, schrieb das RKI schon 2003 in einem Bericht. Erkannt werde die Infektion hierzulande aber nur selten.

Für Menschen mit einem gesunden Immunsystem ist die Erkrankung in der Regel kein Problem. Gefährlicher ist, wenn die körpereigene Abwehr etwa aufgrund einer Krebsbehandlung oder einer unbehandelten HIV-Infektion geschwächt ist. Dann können die Bakterien dazu führen, dass Blutgefäße unkontrolliert wachsen. Betroffene sollten deshalb beim Umgang mit Katzen vorsichtig sein.

Hat eine Katze gekratzt, rät die US-Gesundheitsbehörde CDC dazu, die Wunde mit Wasser und Seife auszuwaschen. Nur, wenn es innerhalb von ein bis drei Wochen zu Fieber kommt, Lymphknoten anschwellen oder sich Pustel an der Wunde bilden, ist den Experten zufolge ein Arztbesuch notwendig.

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