Wegovy – alles, was Sie rund um die Abnehmspritze wissen müssen

Seit Mitte Juli ist die Abnehmspritze „Wegovy“ auf dem deutschen Markt. Hier erfahren Sie alles rund um Anwendung, Wirkung, Kosten sowie Risiken und Nebenwirkungen.

Endlich kein Diät-Stress mehr? „Wegovy“ stellt eine Gewichtsabnahme und -kontrolle in Aussicht. Für Menschen mit der Erkrankung Adipositas ist das eine tolle Chance, finden Experten. Als Lifestyle-Produkt zum schnellen Schlankspritzen ist es dagegen nicht geeignet. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wie funktioniert „Wegovy“?

Patienten können sich „Wegovy“ vom dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk aus einem Fertigpen, der ein bisschen aussieht wie ein Textmarker, einmal pro Woche selbst unter die Haut spritzen: am Bauch, Oberschenkel oder Oberarm. Es handelt sich um eine Injektionslösung mit dem Wirkstoff Semaglutid.

Für welche Patienten ist „Wegovy“ geeignet?

Gedacht ist das Präparat für Erwachsene mit einem Body-Mass-Index (BMI)

  • ab 30 (Adipositas) oder
  • ab 27 (Übergewicht) mit mindestens einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung wie Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck.

Der BMI wird aus Größe und Gewicht errechnet. Wer als Mann zum Beispiel 1,80 Meter groß ist und 100 Kilo wiegt, überschreitet die 30er-Marke knapp. Daneben kann das Mittel auch bei Jugendlichen ab einem Alter von 12 Jahren mit Adipositas oder einem Gewicht von mehr als 60 Kilo verschrieben werden.

Die Spritzen allein sollen es allerdings bei keiner dieser Gruppen richten: Sie sollen vielmehr eine Ergänzung zu Diät und Sport sein.

Wie funktioniert der Wirkstoff?

Semaglutid ahmt die Wirkung des körpereigenen Hormons GLP-1 nach. „Es wird im Gehirn sozusagen der Impuls gesetzt, dass man satt sei“, sagt der Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, Jens Aberle. Klinischen Studien zufolge reduziere der Wirkstoff die Energieaufnahme und steigere das Sättigungs- und Völlegefühl, heißt es in einem Papier der EU-Arzneimittelbehörde EMA.

Hungergefühle würden vermindert, Heißhungerattacken seltener und weniger stark. Wer zu häufig einen „Jieper“ auf Pommes und dergleichen hat, kann diesen offenbar auch in den Griff bekommen: Die Vorliebe für besonders fetthaltige Nahrungsmittel werde verringert.

Wie viel und wie schnell kann man damit abnehmen?

Laut einer Studie im „New England Journal of Medicine“ mit insgesamt fast 2000 Teilnehmern hatten „Wegovy“-Probanden nach 68 Wochen (1 Jahr und 5 Monate) im Schnitt 15 Prozent abgenommen. Die Vergleichsgruppe erreichte mit einem Scheinmedikament nur einen Verlust von gut zwei Prozent.

Muss die Spritze dauerhaft verwendet werden?

„Die aktuell vorliegenden Daten sprechen dafür, dass es nach Absetzen von Semaglutid wieder zu einer deutlichen Gewichtszunahme kommt und somit für die meisten Betroffenen eine dauerhafte Einnahme nötig ist, um das reduzierte Körpergewicht zu halten“, teilt die Adipositas-Gesellschaft mit. Für einige Patienten könnte auch eine Intervalltherapie in Frage kommen, allerdings fehlen hierzu noch wissenschaftliche Daten.

Können wir uns bald alle schlankspritzen?

Von der Anwendung durch Normalgewichtige, die zum Beispiel vor einem Strandurlaub ein paar Pölsterchen loswerden wollen, raten Fachleute klar ab. „Bei Übergewichtigen ist etwas im Stoffwechsel gestört, bei Gesunden nicht. Ich würde sogar behaupten, dass man sich damit vielleicht sogar ein Risiko anspritzen kann, später einmal übergewichtig zu werden“, warnt etwa Sylvia Weiner, Chefärztin für Adipositas-Chirurgie,  im Gespräch mit FOCUS online. „Das kennen wir ja von kurzfristigen Diäten. Wenn ich den Stoffwechsel falsch steuere, provoziere ich falsche Anpassungsmechanismen.“ Daneben gebe es derzeit keine Datenlage, wie das Medikament bei Normalgewichtigen wirke. „Ich kann also nur dringend davon abraten, die Spritze als Lifestyle-Produkt zu sehen.“

Hinzu kommt die Gefahr, dass Kranke schwerer oder nicht an ihre Medikamente kommen, wenn es einen übermäßigen Run darauf durch Gesunde gibt.

Wer trägt die Kosten?

Kassenpatienten in Deutschland, die „Wegovy“ nutzen möchten, müssen dafür zunächst selbst bezahlen. Mittel zum Abnehmen gelten bislang laut deutschem Sozialgesetzbuch als Lifestyleprodukte und sind damit von der Verordnungsmöglichkeit zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.

„Die Regelung wird hoffentlich bald geändert, so dass zumindest einige Adipositas-Patienten auf Kassenrezept damit versorgt werden können“, sagt Aberle. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft setzt sich für eine Kostenübernahme in Fällen ein, in denen „Wegovy“ medizinisch angezeigt ist, etwa wenn andere Therapieoptionen nicht helfen.

Wie viel wird die Therapie kosten?

Novo Nordisk gibt den Apothekenabgabepreis einer 4-Wochen-Ration für die höchste Dosis (2,4 mg) mit gut 300 Euro an. Das sei zu viel für Selbstzahler, vor allem weil das Medikament nur so lange wirkt, wie es eingenommen wird, sagt Aberle. Der Mediziner rechnet in diesem Jahr auch noch mit Studienergebnissen zu der Frage, inwieweit „Wegovy“ beim Vorbeugen einiger Adipositas-Folgeerkrankungen hilft. Diese könnten womöglich Argumente für eine Kostenübernahme liefern.

Welche möglichen Nebenwirkungen gibt es?

In bisherigen Studien berichteten Probanden am häufigsten von Übelkeit, Durchfall, Verstopfung und Erbrechen. „Es kann aber auch Kopfschmerzen auslösen und auf die Stimmung drücken“, sagt Expertin Weiner. „Deshalb ist die Empfehlung auch, es zunächst für vier bis sechs Wochen zu testen, die Ergebnisse zu überprüfen und dann zu entscheiden, ob man die Dauer-Therapie macht. Denn auch das ist ein wichtiger Punkt: Es macht keinen Sinn, ein paar Wochen zu spritzen und dann aufzuhören. Da muss man ein Leben lang dran bleiben.“

Der Hersteller nennt auf seiner Webseite auch noch mögliche Nebenwirkungen wie unter anderem Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, Gallensteine, ein Risiko für niedrigen Blutzucker und Sehstörungen bei Typ-2-Diabetikern. Der Sicherheitsausschuss der EMA prüft zudem gerade Daten unter anderem zu „Wegovy“ über das Risiko von Selbstmordgedanken und Gedanken an Selbstverletzung. Allerdings ist laut EMA noch nicht klar, ob die gemeldeten Fälle mit den Arzneimitteln selbst oder mit den Grunderkrankungen der Patienten oder anderen Faktoren zusammenhängen.

Wer sollte „Wegovy“ nicht nehmen?

Für eine Reihe von Menschen mit bestimmten Erkrankungen ist die Wirksamkeit nicht untersucht, etwa bei Diabetes Typ 1. Während der Schwangerschaft und Stillzeit darf das Präparat nach EMA-Angaben nicht verwendet werden. Wer ein Kind bekommen wolle, müsse Semaglutid mit einem Vorlauf von mindestens zwei Monaten absetzen.

Laut Hersteller sollen auch jene Menschen „Wegovy“ nicht bekommen, die schon selbst oder in der Familie eine bestimmte Form von Schilddrüsenkrebs hatten. Das gelte auch bei ernsten allergischen Reaktionen auf Semaglutid oder andere Inhaltsstoffe. Der Hersteller weist außerdem darauf hin, dass das Medikament die Wirkweise anderer Medikamente beeinflussen könne, weil es die Magenentleerung verlangsame.

Gibt es Alternativen?

Aktuell sind in Deutschland zur Gewichtsreduktion zudem

  • Orlistat („Xenical“),
  • Liraglutid („Saxenda“) und
  • Semaglutid („Wegovy“)

zugelassen. „Von den aktuell in der EU für die Behandlung von Adipositas zugelassenen Wirkstoffen ist Semaglutid 2,4 mg mit Blick auf das Risiko-Nutzen-Profil aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht die erste Wahl“, urteilt die Adipositas-Gesellschaft. Dabei handelt es sich um „Wegovy“.

Das Diabetes-Medikament „Ozempic“ beruht zwar auch auf dem Wirkstoff Semaglutid, allerdings in geringerer Dosis (1 mg). Zudem ist es bislang ausschließlich als Diabetes-Typ-2-Mittel zugelassen und nicht als Abnehmpräparat, auch wenn es im sogenannten Off-Label-Use auch zu dem Zweck abgegeben werden kann.

Weitere ähnliche Medikamente dürften hinzukommen, erwartet Aberle. Spätestens Anfang 2024 könnte nach seinen Worten etwa das Typ-2-Diabetes-Medikament „Mounjaro“ (Wirkstoff Tirzepatid) auch für den Einsatz gegen Adipositas zugelassen werden. Es sei in der Adipositas-Therapie nach bisherigen Erkenntnissen noch wirksamer als „Wegovy“. Weitere Wirkstoffe seien in der Entwicklung.

Quelle: Den ganzen Artikel lesen