Was die Apotheken von Europa erwarten

Im Juni 2024 finden Wahlen zum Europa-Parlament statt. Die ABDA hat schon jetzt sechs „Kernpositionen der deutschen Apothekerschaft“ zu dieser Wahl veröffentlicht. Unter anderem pocht sie darauf, dass auch in der EU-Gesundheitspolitik die mitgliedstaatlichen Kompetenzen zu wahren sind und der geplante europäische Gesundheitsdatenraum das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Heilberufen nicht beeinträchtigen darf.  

Apotheker*innen leisten durch ihre Expertise einen unverzichtbaren Beitrag zur sicheren Arzneimittelversorgung und damit zur Gesundheit allgemein – in Deutschland ebenso wie in ganz Europa. Um das bestehende Versorgungsniveau zu erhalten und zu verbessern, hat die ABDA nun sechs Kernpositionen aufgestellt, die aus ihrer Sicht vor der Europawahl am 9. Juni 2024 zu diskutieren und in der folgenden Legislaturperiode zu berücksichtigen sind.

1. Gesundheit als mitgliedstaatliche Kompetenz achten

Grundsätzlich ist es Sache der Mitgliedstaaten, wie sie ihr Gesundheitssystem ausgestalten und welches Schutzniveau sie bei der Regulierung für nötig halten. Auch der Europäische Gerichtshof spricht ihnen einen Wertungsspielraum zu – und dieser muss aus Sicht der ABDA geachtet werden. Es gilt das Subsidiaritätsprinzip. Die EU kann ergänzend tätig werden und in gewissen Bereichen für Harmonisierung sorgen. Es gibt bekanntlich auch eine eigene Generaldirektion für Gesundheit – viele Bereiche des Gesundheitswesens können schließlich nicht nur unter Aspekten des Binnenmarktes behandelt werden. Und so plädiert die ABDA auch dafür, die Generaldirektion Gesundheit beizubehalten. Grundsätzlich, so heißt es im Positionspapier, sollte stets diejenige Ebene Probleme lösen, die am besten dazu geeignet ist.

2. Verantwortungsbewusste Nutzung der Digitalisierung

Europa setzt auf Digitalisierung – auch im Gesundheitswesen. Ebenso auf Künstliche Intelligenz. Die EU will einen europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) schaffen, der dafür sorgen soll, dass Gesundheitsdaten von Patienten auch in anderen EU-Staaten genutzt werden können. Grundsätzlich ist die ABDA für diese Entwicklungen offen. Sie legt aber Wert darauf, dass die öffentlichen Apotheken mit ihrer fachlichen Beratung vor Ort dabei erhalten bleiben und die Digitalisierung einen Zusatznutzen mit sich bringt. Auch dürfe der Schutz von Patientendaten sowie die Eigenverantwortung der Patienten und das Vertrauensverhältnis zu ihren Heilberuflern nicht beeinträchtigt werden. Zudem müsse der Umsetzungsaufwand für neue Digitalisierungsinstrumente in öffentlichen Apotheken verhältnismäßig bleiben und sachgerecht finanziert werden. Nicht zuletzt dürften durch die Abfrage und Verwendung von Apothekendaten weder Geschäftsgeheimnisse preisgeben noch die Apotheken überfordert werden (Bürokratie, Vergütung). Die Abfrage von Apothekendaten dürfe deshalb nur über zentrale nationale Stellen erfolgen.

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3. Novellierung des europäischen Arzneimittelrechts

Die EU-Kommission hat bereits eine Novellierung des Arzneimittelrechts angestoßen. Das „Pharmapaket“ der EU will unter anderem Arzneimittellieferengpässe und Antibiotikaresistenzen angehen. Die ABDA begrüßt die Novellierung prinzipiell, stellt aber klar, dass die Möglichkeiten der Apotheken, durch eigene Rezeptur- und Defekturherstellung eine zeitnahe Arzneimittelversorgung sicherzustellen, nicht beschränkt werden dürften. Gerade mit Blick auf die Engpässe hält sie nichts vom regulatorischen „Vorrang“ für Fertigarzneimittel. Weiterhin plädiert sie für eine maßvolle Implementierung elektronischer Packungsbeilagen – sie sollen kein ausnahmsloser Ersatz für die gedruckte Fassung sein. Zudem fordert sie, dass nicht alle antimikrobiellen Arzneimittel der Verschreibungspflicht unterstellt werden sollten, sondern nur antibiotisch wirkende systemische Arzneimittel.

4. Sicherstellung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln

Mit Blick auf das europaweite Problem der Arzneimittel-Lieferengpässe fordert die ABDA, Hinweise auf Probleme in der Lieferkette (z.B. Liefer- oder Produktionsausfälle) zentral zu erfassen, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen und dadurch Versorgungsengpässe verhindern zu können. Die Standesvertretung verweist darauf, dass die kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln Teil der Daseinsvorsorge und somit eine staatliche Aufgabe sei. Es müssten auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit die Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion wieder in Europa stattfindet.

5. Unabhängigkeit des Apothekers durch Erhalt der Freiberuflichkeit

Weiterhin setzt die ABDA auf Anerkennung, Unterstützung und Stärkung der freien Heilberufe – speziell auch der Apotheker*innen und der von ihnen gebotenen unabhängigen pharmazeutischen Versorgung. Die freiberuflich organisierte Arzneimittelversorgung schütze Patientinnen und Patienten vor rein wirtschaftlichen Interessen Dritter und diene damit der bestmöglichen Versorgung in Europa, heißt es dazu im Positionspapier.

6. Sicherstellung von Patientenschutz und einer Arzneimitteltherapiesicherheit

Nicht zuletzt verweist die ABDA auf die ordnungspolitischen Eckpfeiler zur Sicherstellung der unabhängigen Arzneimittelversorgung in Deutschland: die Apothekenpflicht, das Fremd- und Mehrbesitzverbot sowie der einheitliche Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel. „Diese Eckpfeiler müssen uneingeschränkt erhalten bleiben“, betont die Standesvertretung. Die Sonderstellung der Arzneimittel als Güter besonderer Art müsse weiter gewürdigt werden und weitreichende Liberalisierungstendenzen abgewehrt werden.

Die Gespräche können starten

Dieses Positionspapier, das der Geschäftsführende ABDA-Vorstand beschlossen hat, soll nun die Grundlage sein für Gespräche mit Abgeordneten, Kandidaten und Kandidatinnen, Beamtinnen und Beamten, Verbänden und Interessierten in Brüssel, aber auch in den Wahlkreisen in Deutschland.

Mathias Arnold, ABDA-Vizepräsident und Leiter der Europadelegation der ABDA ist überzeugt: „Die Europawahl 2024 wird ein wichtiger Meilenstein für die Entwicklung der Europäischen Union sein, ist aber auch ein echter Stimmungsmesser für die Leistung der Ampel-Koalition in Deutschland.“ Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg seien zwei ganz aktuelle Erfahrungen, die im Gesundheitswesen aller EU-Mitgliedsstaaten ihre Spuren hinterlassen hätten.

 


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