Schönheitsoperationen – Es geht um mehr als nur Narzissmus und Instagram
Blickt man in die Yellow Press, denkt man, die Zahl der Schönheitsoperationen würde explodieren. Die Daten in den USA sagen etwas anderes: Von 2018 wurden 250.000 mehr Operationen als 2017 durchgeführt. Das hört sich gewaltig an, doch bezogen auf die Menge von 15,9 Millionen Eingriffen ist das nur eine Zunahme von mageren 1,6 Prozent. Dabei muss man bedenken, dass wichtige Faktoren derartige Operation attraktiver machen. Fortschritte in der Behandlungstechnik führen zu mehr Sicherheit, außerdem werden die Eingriffe billiger. Hinzu kommt, dass immer mehr Personen seit dem Siegeszug des Smartphones Abbildungen von sich sehen und so einer Art von dauerhaftem Negativ-Feedback ausgesetzt sein können.
Schnell entsteht der Eindruck, dass die meisten Patienten wegen eines narzisstischen Selbstbildes oder schweren psychischen Problemen zum sogenannten „Schönheitschirurgen“ gehen. Schon der Zusatz „Schönheit“ zeigt eine Tendenz. Tatsächlich ist ein Hauptfeld der plastischen Chirurgie die Wiederherstellung des Aussehens nach Krankheiten, Operationen oder Unfällen. In der „South China Morning Post“ brach Dr. Kevin WL Mo eine Lanze für die angebliche Schönheitschirurgie. Mo arbeitet in Hongkong am Matilda International Hospital und ist spezialisiert auf plastische und wiederherstellende Chirurgie. Die Gesellschaft in Hongkong ist nicht so aufgeschlossen oder gar besessen von Schönheitsoperation wie in anderen asiatischen Staaten. Das Thema gilt eher als Tabu.
OP’s können glücklich machen
Doch Mo glaubt, dass plastische Chirurgie die körperliche und geistige Gesundheit verbessern kann und weit mehr tut, als nur für ein gutes Aussehen zu sorgen. „Nehmen wir die Brustrekonstruktion nach einer Mastektomie zum Beispiel“, sagte er der „SCMP“. „So kann sich die Patientin wieder wohlfühlen, anstatt täglich an ihre Krankheit erinnert zu werden, wenn sie die Entstellung durch das Fehlen ihrer Brust sieht.“
So werde es vielen Patientinnen möglich, sich schnell wieder in Umgebungen zu wagen, in denen sie sich entblößen müssen. „Die Forschung zeigt, dass Patienten, die sich so einer rekonstruktiven Operation unterziehen, weniger psychosoziale Probleme wie Angst und Depressionen nach der Mastektomie haben und sich besser wieder sozial integrieren können.“
Diese segensreichen Wirkungen werden aber nicht anerkannt, wie eine Patientin dem Blatt mitteilte. Sie wünscht auch Jahre nach ihrer Brustkrebs-Operation, anonym zu bleiben, weil sie die Reaktion der Umwelt fürchtet. „Die Leute werden denken, dass ich eitel bin, weil ich das gemacht habe, aber keine Brüste mehr zu haben, wäre unerträglich für mich gewesen. Es hätte mich, meine Beziehung, meine Kinder, mein Vertrauen, es hätte alles beeinflusst. Einige Prozeduren sind nicht einfach nur eine schöne Ergänzung; sie sind eine Notwendigkeit.“
Hier besteht ein klarer Zusammenhang mit einer Krankheit, aber auch reine Schönheitsoperationen verbessern das Lebensgefühl, meint Dr. Mo. In Hongkong gehören Lidoperationen zu den drei beliebtesten Eingriffen. „Patienten mit schlaffen Augenlidern erscheinen die ganze Zeit müde, auch wenn sie es nicht sind“, so Mo. Das werde am Arbeitsplatz als auch in der Gesellschaft wahrgenommen.
Aussehen prägt das soziale Leben
Auch das Absaugen von Fett oder eine Brustvergrößerung können Patienten helfen, Ängste abzubauem neues Selbstvertrauen aufzubauen. Die Studie „Well-Being From the Knife? Psychological Effects of Aesthetic Surgery“ (2013) stützt diese Annahme. Sie untersuchte zwei Gruppen von Patienten. Beide interessierten sich für einen Eingriff, ein Teil der Personen ließ ihn dann auch durchführen, die anderen entschieden sich dagegen. Alle Teilnehmer wurden mehrfach kontaktiert. Alles in allem hatte die Operation einen positiven Effekt Lebensqualität, Lebenszufriedenheit, Attraktivität und Selbstwertgefühl.
Dr. Stephanie Lam, Fachärztin für plastische Chirurgie in der Central Health Medical Practice, ergänzt in „SCMP“, dass auch das Thema Brustoperationen und Eingriffe in der Bauchdecke nicht allein optische Gründe hätten. Eine ihrer Patienten hätten ständig Schmerzen wegen ihrer schweren Brüste gehabt, die Frau habe nachts kaum schlafen können. „Sie war nach ihrer Brustverkleinerungsoperation glücklicher.“ Auch bei einer Bauchdeckenstraffung gehe es nicht allein um Ästhetik nach einer Geburt.
Auch wenn für eine junge Frau eine herabhängende Bauchdecke eine schwere Beeinträchtigung sein kann. „Das ist nur die halbe Miete. Der wichtige Teil ist, dass es den abgetrennten Bauchmuskel repariert und Rückenschmerzen und Harninkontinenz verbessert.“
Anteil an Problempatienten
Beide Ärzte warnen vor den Verlockungen des „Medizintourismus“, denn dann werde die kostengünstige Behandlung vor allem wie ein Geschäft geführt. Neben der geplanten Operation werden weitere Eingriffe angeboten, das Ganze zu einem verlockenden Paketpreis. Trotz aller Vorteile seien chirurgische Eingriffe keine Wunderwaffe für emotionale und psychische Erkrankungen. „Eine Minderheit unserer Patienten hat ein zugrunde liegendes psychisches Problem, weswegen sie eine kosmetische Veränderung wünschen. Besonders dann, wenn sie wiederholt nach weiteren Operationen fragen.“
Ein Befund, der den Ergebnissen der Studie „A Review of Psychosocial Outcomes for Patients Seeking Cosmetic Surgery“ entspricht. Sie fand heraus, dass die überwiegende Mehrheit mit ihrer Operation und den Folgen zufrieden war und sich die Prozedur positiv auf ihr Leben ausgewirkt hatte. Doch es gibt auch eine Gruppe von Patienten, bei denen das Gegenteil der Fall ist, der psychisches Befinden eher schlechter wird. Über Patienten, deren Problem nicht ihr Äußeres zu sein scheint, sondern ihre Seele, sprach der Schönheitschirurg Artur Worseg mit dem stern.
„Lesen Sie hierzu: „Es kommen oft die Falschen“: ein Schönheitschirurg über kleine Nasen und große Träume)
Wer unrealistisch hohe Erwartungen hegt, was eine Operation bewirken soll, wird wahrscheinlich enttäuscht, sagt auch die Studie. Grundsätzlich scheinen Frauen mehr von den Operationen zu profitieren und Männer eher enttäuscht zu sein. Brustvergrößerungen oder -verkleinerung sind übrigens die Eingriffe, die psychologisch gesehen am wenigsten Probleme bereiten und das größte Glückspotenzial besitzen.
Quellen: SCMP; Business Times; Well-Being From the Knife? Psychological Effects of Aesthetic Surgery; A Review of Psychosocial Outcomes for Patients Seeking Cosmetic Surgery
"Aesthetic Center"-Gründer
"Es kommen oft die Falschen": Ein Schönheitschirurg über kleine Nasen und große Träume
Der Schönheitschirurg Artur Worseg spricht im stern-Interview über Frauen und Männer, deren Problem manchmal auch nicht ihr Äußeres zu sein scheint, sondern ihre Seele.
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