"Gefährliches Signal der Zerrissenheit an die Bevölkerung"
"Jeder Kontakt, der nicht stattfindet, ist gut." Das bleibt hängen vom neuerlichen Bund-Länder-Gipfel zur Coronavirus-Pandemie. Verbindliche Verschärfungen angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen? Fehlanzeige. Stattdessen Appelle: auf private Feiern verzichten und Zusammenkünfte mit Freunden und Bekannten auf einen festen weiteren Hausstand beschränken. Auch die Schulen sollen weiter geöffnet bleiben. Alles weitere vertagt auf den 25. November.
Pressestimmen zum Coronavirus-Treffen
Das meinen die Kommentatoren deutscher Medien zu dem Ergebnis des virtuellen Treffens von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder:
"Süddeutsche Zeitung" (München): "Im Wirken von Bundesregierung und Ministerpräsidenten steht zu lange schon nicht mehr das Gemeinsame im Zentrum, sondern ein irritierender Wettstreit der Ideen, wo ein klug geführter Wettbewerb reichen würde. Und weil die Länder nicht nur mit Inbrunst darauf verweisen, dass sie im Kampf gegen die Pandemie das letzte Wort haben, sondern deshalb immer wieder Ausnahmen beschließen, ist in der Wahrnehmung der meisten Menschen eine Unübersichtlichkeit entstanden, die nicht überzeugt, sondern verstört – und den Föderalismus nicht schmückt, sondern belastet."
BERLIN³
Die Corona-Lage ist ernst? Warten wir ab
"Frankfurter Allgemeine Zeitung": "Was bleibt, ist die harte Einschränkung privater Kontakte. Sie ist effektiv, aber schwer zu akzeptieren und kaum zu kontrollieren. In einer Woche, wenn Kanzlerin und Ministerpräsidenten einander wieder gegenüber sitzen, bieten solche privaten Beschränkungen vielleicht den einzigen Spielraum. Keine Feiern bis Weihnachten? Wenn der Datenschutz unter den Grundrechten die heilige Kuh ist, eine sinnvolle Nutzung der Corona-App also ausgeschlossen wird, und wenn die Wirtschaft vor einem zweiten Zusammenbruch bewahrt werden soll, bleibt nur dieser Appell. Das letzte Wort haben die Infektionszahlen."
"Zeit Online" (Berlin): "Aus wirtschaftlicher, sozialer und pädagogischer Sicht ist es richtig, die Schulen offen zu lassen. Kinder brauchen die Schule zum Lernen, als Ort, um Freunde zu treffen, und ja, auch als Betreuungsmöglichkeit, wenn die Eltern arbeiten. Aber man darf das nicht als Grund vorschieben, um einfach weiter bei der Digitalisierung hinterher zu hängen und sich allen anderen Möglichkeiten des Unterrichtens zu versperren. Sonst laufen wir einfach wieder in den nächsten Lockdown."
"Redaktionsnetzwerk Deutschland"(Hannover): "Sogar Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, sonst deutscher Meister im Schönreden, räumte ein, dass es 'kein großer Wurf' sei. Nein, das war dieses Treffen wahrlich nicht. Bund und Länder belassen es dabei, an die Bürger zu appellieren, ihre Kontakte noch weiter einzuschränken. Ein solcher Appell wird nicht viel bringen. Denn die ohnehin Vorsichtigen werden vorsichtig bleiben. Diejenigen, die sich bisher eher leichtsinnig oder gar fahrlässig im Umgang mit dem Virus verhalten haben, werden dies ebenfalls bleiben. Es besteht sogar die Gefahr, dass wer bisher mit viel Disziplin die Regeln eingehalten hat, seine Motivation verliert, wenn strengere Regeln nicht für alle gelten. Die Beschlüsse von Montag sind nicht mehr als weiße Salbe im Kampf gegen Corona. Tut keinem weh und ist absolut wirkungslos."
"Augsburger Allgemeine": "Wie schwer es geworden ist, eine gemeinsame Linie im Kampf gegen die Krankheit zu finden, zeigt die Auseinandersetzung über das richtige Maß der Maßnahmen im Schulbereich. Die Bundesländer wollen Schulschließungen verhindern Die Länderchefs waren nicht bereit, den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel mitzugehen. Neuerliche großflächige Schulschließungen sollen verhindert werden. Denn der Preis wäre ein hoher für die betroffenen Familien. Auch in anderen Punkten haben die Länderchefs rebelliert gegen die Kanzlerin. Merkel wollte Verbote, die Ministerpräsidenten Empfehlungen. Beides kann funktionieren oder auch schief gehen. Doch wenn sich Bund und Länder so schwer tun mit einer gemeinsamen Linie, ist das ein gefährliches Signal der Zerrissenheit an die Bevölkerung."
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