Für den Fall eines Reaktorunfalls kauft das Bundesamt für Strahlenschutz jetzt Jodtabletten
Bis 2022 sollen alle Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet sein. Trotzdem kaufte das Bundesamt für Strahlenschutz jetzt Jodtabletten für den Fall eines Reaktorunfalls. Eine Gefahrenquelle seien auch grenznahe Atomkraftwerke.
190 Millionen Jodtabletten für zirka 8,4 Millionen Euro hat das Bundesamt für Strahlenschutz laut WDR-Recherchen von der österreichischen Pharmakonzern Gerot Lannach bestellt. Das ist das Vierfache des aktuellen Bestands.
Die Tabletten seien zur Notfallvorsorge, um die Bevölkerung vor Schilddrüsenkrebs zu schützen – sollte es einen Unfall mit einem Atomreaktor geben. Denn das Bundesamt für Strahlenschutz hat nach dem Unglück in Fukushima auch Konsequenzen für den Notfallschutz in Deutschland gezogen.
Atomausstieg in Deutschland 2022 vorgesehen
Die Bestellung scheint zum aktuellen Zeitpunkt absurd. Warum soll ausgerechnet ein Land, das in wenigen Jahren sämtliche Atomkraftwerke abgestellt haben will, jetzt solche Mengen an Tabletten anschaffen? Die Journalisten des WDR haben mit dem Essener Strahlenbiologen Wolfgang Müller gesprochen: „Es könnte beim Rückbau kleinere Unfälle geben, die aber keine großflächigen Freisetzungen nach sich ziehen würden.“ Viel dringender sei das Risiko durch grenznahe Kernkraftwerke. „Denken Sie an Belgien, an Frankreich, an die Schweiz, an Tschechien, Schweden. Und wenn da etwas passiert, müssen wir die deutsche Bevölkerung natürlich genauso schützen.“ Um im Notfall dafür gerüstet zu sein, empfiehlt die Strahlenschutzkommission konzentrierte Jodtabletten.
Die Zeit der Einnahme ist entscheidend
Jodtabletten können einer durch Radioaktivität ausgelöstem Schilddrüsenkrebs vorbeugen. Bei einem Reaktorunfall kommt es unter anderem zur Freisetzung radioaktiver Jodmoleküle. Der Körper nimmt diese über Luft oder Nahrung zu sich. In der Schilddrüse wird das Jod angereichert. Allerdings nimmt das Organ nicht unendliche Mengen auf. Ist die Schilddrüse bereits mit unverstrahltem Jod gesättigt, wird das radioaktive nicht mehr aufgenommen. Daher ist die Zeit der Einnahme entscheidend. Wird die Tablette zu früh eingenommen, würde das Jod von Körper bereits abgebaut und radioaktives Jod könnte eingelagert werden. Nimmt man die Tablette zu spät, könnte sie wirkungslos sein, weil sich radioaktive Moleküle bereits eingelagert haben.
Die flächendeckende Versorgung mit Jod ist daher im Notfall entscheidend. Besonders Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren seien nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz gefährdet. Es empfiehlt die Einnahme im Notfall für alle Personen unter 45 Jahren, auch Kindern und Schwangeren.
Das Einnehmen von Jodtabletten ist mit Gesundheitsrisiken verbunden
Jodtabletten haben aber auch Nebenwirkungen. Besonders riskant seien sie für Personen mit Schilddrüsenerkrankung, wie Hyperthyreose. Die Einnahme im Notfall sollte unbedingt erst geschehen, wenn die Katastrophenschutzbehörden dazu auffordern.
Angst vor Atomunfall in Tihange: Belgien verteilt massenweise Jodtabletten
FOCUS Online/Wochit Angst vor Atomunfall in Tihange: Belgien verteilt massenweise Jodtabletten
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