Endlich Impfstoffgerechtigkeit – oder Konkurrenzkampf?

Corona-Impfstoffhersteller Biontech hat medienwirksam angekündigt, zwei Module bestehend aus je sechs Schiffscontainern nach Afrika zu schicken. Darin enthalten: quasi eine Kopie der Marburger Impfstoff-Fabrik im Kleinen. Sieht so der lang ersehnte Technologietransfer nach Afrika aus? Die Organisation Ärzte ohne Grenzen wirft dem Unternehmen rein wirtschaftliche Interessen vor. Biontech ist hingegen überzeugt, Afrika im Kampf gegen Corona so am schnellsten helfen zu können. 

Wie es in einer Mitteilung der Europäischen Kommission vom vergangenen Mittwoch heißt, begrüßt die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die geplante Entsendung von zunächst zwei Containerfabriken des Unternehmens Biontech nach Ruanda und in den Senegal. Ab 2023 sollen die Fabriken mRNA-Impfstoffe für Afrika herstellen, heißt es.

Doch der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ geht das nicht schnell genug. In einer Pressemitteilung vom vergangenen Dienstag wirft die Organisation Biontech sogar vor, die Ausweitung der Impfstoffproduktion zu blockieren. Man begrüße, dass Biontech endlich Schritte zur Produktion von mRNA-Impfstoffen in afrikanischen Ländern unternehme, doch man könnte schneller helfen, so Lara Dovifat, Impfstoff-Expertin von Ärzte ohne Grenzen: „Wir haben in einer Studie 120 Pharmafirmen im globalen Süden identifiziert, die in der Lage sind, innerhalb von Monaten in die Produktion von mRNA-Impfstoffen einzusteigen, würde Biontech einem Technologietransfer zustimmen.“

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Container nach Afrika zu verschiffen, scheint also nicht die Art Technologietransfer zu sein, die sich die Hilfsorganisation erhofft hatte: „Die Behauptung Biontechs und der Bundesregierung, bestehende Hersteller im globalen Süden seien nicht in der Lage, COVID19-Impfstoffe herzustellen, halten wir schlichtweg für falsch.“ Mehr noch: Vergangene Woche hätten die Tageszeitung „Die Welt“ und das „British Journal of Medicine“ enthüllt, wie die von Biontech finanzierte maltesische Siftung „Kenup“ Lobbyismus gegen den „Technology Transfer Hub“ der WHO in Südafrika betrieben haben soll: Die Stiftung soll an mehrere afrikanische Regierungen geschrieben haben, das WHO-Projekt zur Entwicklung eines patentfreien Impfstoffs müsse „umgehend beendet werden“. 

Kenup unterstützt Biontech beim Aufbau der afrikanischen Produktionsstätten, für die das gemeinnützige WHO-Projekt eine potenzielle Konkurrenz darstellt, erläutert Ärzte ohne Grenzen. Wie die EU-Kommission erklärt, sei das Projekt von Biontech Teil eines größeren Ziels: „Bis 2040 will die Afrikanische Union erreichen, dass 60 Prozent der auf dem Kontinent verwendeten Impfstoffe auf dem Kontinent hergestellt werden. Die Europäische Union unterstützt dieses Ziel voll und ganz.“ Morgen beginnt in Brüssel ein Gipfel zwischen Europäischer und Afrikanischer Union. Zuvor kamen am Mittwoch in Marburg auf Initiative der Kenpp-Stiftung Staats- und Regierungschefs aus der Afrikanischen Union mit führenden Vertretern der WHO, EU-Institutionen und Biontch-CEO Ugur Şahin zusammen. „Bei der Initiative geht es in erster Linie um Impfstoffgerechtigkeit. Die Impfstoffe aus den neuen Fabriken werden zu nicht gewinnorientierten Preisen ausschließlich an afrikanische Länder verkauft“, erklärte von der Leyen. Die Biontech-Fabriken könnten zudem innerhalb von Wochen auf die Herstellung verschiedener Impfstoffe umgestellt werden. Es könnte sich also um eine afrikanische Lösung für Krankheiten handeln, an denen derzeit Millionen Menschen sterben, sagte sie. Man blicke auf eine Partnerschaft, die sowohl Afrika als auch Europa zugutekomme.

Biontech: Container-Lösung ist die schnellste

„Wir arbeiten mit afrikanischen Partnern zusammen, um eine nachhaltige Produktionslösung in Afrika für Afrika zu entwickeln“, sagte Biontech-Chef Ugur Şahin zur Vorstellung der Pläne am Mittwoch. „Wir bringen das Know-how für die mRNA-Produktion mit und haben für dieses Projekt eine modulare Produktionsanlage auf Basis von Containern samt spezieller Software entwickelt.“ Dem Unternehmen zufolge ist der Biontech/Pfizer-Corona-Impfstoff nur eines der möglichen Produkte, die darin hergestellt werden können. Es gehe beispielsweise auch um potenzielle Malaria- oder Tuberkulose-Vakzinen. In einer Halle auf Biontechs Betriebsgelände im hessischen Marburg, wo seit rund einem Jahr Corona-Impfstoff im großen Stil hergestellt wird, steht der Prototyp der Anlage, der sogenannte Biontainer. Er ist quasi eine Kopie des Marburger Werks im Kleinen und besteht aus zwei Modulen, die aus jeweils sechs Schiffscontainern zusammengesetzt sind. Ausgestattet sind sie mit allen Geräten, die zur Herstellung von mRNA und dem späteren Produkt nötig sind. Die maximale Menge richtet sich nach dem jeweiligen Präparat. Von dem Corona-Impfstoff, so das Unternehmen, könnten anfangs geschätzt bis zu 50 Millionen Dosen pro Jahr hergestellt werden.

Die erste Anlage, vorgefertigt und getestet in Marburg, soll in der zweiten Jahreshälfte Afrika erreichen. Die Kosten für die Entwicklung verrät Biontech nicht. Als Grund fürs Engagement führte der operative Geschäftsführer Sierk Poetting an: „Wir haben gesagt, wir müssen Produktion nach Afrika bringen. Und auch Technologieunterstützung liefern, damit unser Prozess, den wir hier in Marburg etabliert haben, auch dahin kommt.“ Der schnellste Weg sei die Container-Lösung. Die Technologie müsse nach Afrika, denn sonst „sind wir in der nächsten Pandemie wieder an der gleichen Stelle“.

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