Drei Grafiken aus Großbritannien machen Omikron-Hoffnung für Deutschland
Die Zahl der Neuinfektionen in Großbritannien fällt rapide. Auch auf den Intensivstationen liegen weniger Patienten als im Dezember. Der Trend verfestigt sich – ähnlich wie in Südafrika. FOCUS Online erklärt, was sich daraus für Deutschland ableiten lässt.
Ebenso rasant wie die Corona-Zahlen in die Höhe schossen, sind sie wieder gefallen. Das zeigte sich zuerst in Südafrika. Zu stark allerdings unterscheidet sich das Land von Deutschlands Bevölkerungsstruktur. Vergleiche waren daher schwierig zu ziehen.
Doch nun deutet sich eine ähnliche Entwicklung auch in Großbritannien an. Die Zahl der Neuinfektionen fällt seit dem 6. Januar deutlich. Auch auf die Intensivstationen hat die Omikron-Welle nicht durchgeschlagen. Seit Mitte November sank die Patientenzahl dort auf rund 850. Zum Vergleich: Mehr als 4000 Intensivpatienten mit Covid-19 musste das britische Gesundheitssystem vor einem Jahr versorgen. Diese hoffnungsvolle Entwicklung kann nun mehr als die südafrikanische Situation Hinweise für Deutschlands Corona-Szenario mit Omikron liefern.
Die Grafiken von „Ourworldindata“ verdeutlichen die Relation zur vergangenen Winterwelle in Großbritannien.
Der Höhepunkt der Omikron-Welle zeichnete sich bereits in den Weihnachtsferien ab. Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen sagte Anfang Januar im Interview mit FOCUS Online: „Ich gehe momentan davon aus, dass wir mit Omikron den Schritt in die Endemie schneller machen können.“ In Großbritannien und Südafrika sei das bereits zu sehen. Die Zahlen sinken dort nach dem Peak schnell. Auch für Deutschland hält der Experte ein Pandemie-Ende in 2022 für realistisch.
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Noch zeigt sich hierzulande allerdings kein Höhepunkt hinsichtlich der Neuinfektionen. Die Kurve geht aktuell weiter steil nach oben. Der Vergleich mit der vorangegangenen Winterwelle zeigt jedoch auch hier: Im Verhältnis landen weniger Menschen mit Covid-19 im Krankenhaus und auf den Intensivstationen.
Drei Grafiken aus Großbritannien machen Deutschland Hoffnung
Um die Corona-Lage zu beurteilen, lassen sich verschiedene Parameter aus Großbritannien betrachten. Drei davon erlauben einen positiven Ausblick für Deutschland:
So lassen sich die Zahlen erklären
Wenn sich eine Variante so rasant verbreitet wie Omikron, findet sie in kurzer Zeit weniger „Opfer“. Das heißt, die Zahl der Neuinfektionen sinkt auch wieder ähnlich schnell.
Dass Omikron in Großbritannien nicht zum Kollaps der Intensivstationen führte, liegt unter anderem daran, dass die Variante offenbar weniger schwer krank macht. Inzwischen hat sich in diversen Untersuchungen gezeigt, dass die klinischen Verläufe in der Regel milder sind als mit Delta. Die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) etwa dokumentiert in ihrem jüngsten Varianten-Bericht: Das Risiko, ins Krankenhaus zu kommen, ist mit Omikron halb so groß wie bei Delta, das Risiko, ein Intensivfall zu werden, um ein Drittel kleiner.
Ähnliches zeigte auch eine Studie der University of California in Berkeley. Das Risiko, wegen einer Omikron-Infektion intensivmedizinisch behandelt zu werden, war im Vergleich zu Delta um 74 Prozent reduziert. Die Wahrscheinlichkeit der Hospitalisierung sank um etwa 52 Prozent. Das Risiko, an einer Omikron-Infektion zu sterben, ist um 91 Prozent niedriger als bei einer Infektion mit der zuvor dominanten Variante.
Das zeigen die britischen Daten ebenfalls: Der 7-Tage-Schnitt von unter 180 Opfern liegt weit unter den Höchstständen Mitte Januar 2021. Damals waren täglich fast 1300 Tote zu beklagen.
Parallelen zwischen Großbritannien und Deutschland
Für beide Länder gilt in der Omikron-Welle: Der Trend, dass sich die schweren Verläufe von der Inzidenz abkoppeln, verfestigt sich. Das heißt, trotz hoher 7-Tage-Inzidenzen trifft es im Verhältnis weniger Menschen schwer als in der Winterwelle 2021/22.
Sprich, wir können uns höhere Inzidenzen leisten, bevor das Gesundheitssystem überlastet wird – abgesehen davon, dass die Situation in den Kliniken hierzulande vor Corona bereits alles andere als entspannt war.
Trotz positiver Signale noch keine Entspannung in den Kliniken
Auch wenn die Corona-Zahlen in Großbritannien einen positiven Trend zeigen, bleibt die Lage in den Krankenhäusern angespannt. Gerade erst erreichte die Zahl der Menschen in England, die auf eine planbare Operation oder Behandlung im Krankenhaus warten, einen Höchststand. Sechs Millionen Patienten standen Ende November 2021 im größten britischen Landesteil auf den Wartelisten. Diese Zahlen veröffentlichte der englische Gesundheitsdienst NHS am Donnerstag. Das entspricht dem höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 2007. Mehrere Hunderttausende warten bereits länger als ein Jahr.
Wie bereits in vorherigen Corona-Wellen wurden in den vergangenen Wochen wieder viele planbare Operationen verschoben, sodass sich der Rückstau weiter erhöhen dürfte.
Der hohe Druck auf die Kliniken, in denen aktuell außerdem viele Beschäftigte krankheitsbedingt wegen der Omikron-Welle ausfallen, zeigt sich zudem an langen Wartezeiten vor den Notaufnahmen. Die Zahl der Patienten, die länger als zwölf Stunden auf die Aufnahme warten mussten, hat im Dezember in England mit knapp 13.000 einen Rekord erreicht.
Unterschiede zwischen Großbritannien und Deutschland
Ob nun die Omikron-Welle in Deutschland nach ihrem Höhepunkt ebenso schnell wie in Großbritannien abflaut, ist aktuell noch schwer einzuschätzen. Möglich ist auch eine flachere Kurve, die dann länger anhält. Der Virologe Alexander Kekulé formulierte es in seinem Podcast folgendermaßen: „Wir haben die Wahl zwischen einer kurzen, spitzen Welle – kurzen, hohen Welle – oder einer etwas breiteren Welle. Die Fläche darunter, sozusagen mathematisch, bleibt die gleiche.“
Letztlich hängt die Entwicklung von unzähligen Faktoren ab, beispielsweise:
- aktuelle Maßnahmen
- Verhalten der Bevölkerung
- Altersstruktur
- Zahl der Geimpften
- Art der Impfstoffe
- wie lange ist es her, dass zuletzt geimpft wurde
- wie oft wurde geboostert.
Diese wiederum sind in Großbritannien und Deutschland sehr unterschiedlich. Auf der anderen Seite des Ärmelkanals wurden etwa sehr viele Menschen mit dem weniger wirksamen Impfstoff Astrazeneca geimpft, mit einem großen Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung. Gleichzeitig leben dort aufgrund der schweren vorangegangenen Corona-Wellen mehr Genesene als in Deutschland. All diese Aspekte spielen für den Gemeinschaftsschutz einer Gesellschaft eine Rolle.
Wann kommt der Peak in Deutschland?
Die Frage, die sich hierzulande momentan stellt: Wie viele „Opfer“ findet Omikron in welchem Zeitraum? Derzeit seien sehr viele Menschen empfänglich für Omikron, sagte Christian Hesse, Leiter der Abteilung für Mathematische Statistik an der Universität Stuttgart, FOCUS Online. Denn noch ein Viertel der Bevölkerung sei nicht geimpft und bei einem ähnlich hohen Anteil habe der Impfschutz gegen Omikron bereits wieder erheblich abgenommen. Insofern sei die Zahl der Omikron-Infektionen Tag für Tag größer als die der Genesenen.
„Bei einem starken Anstieg nimmt aber auch der für das Virus empfängliche Teil der Bevölkerung ähnlich schnell ab. Und irgendwann in den nächsten Wochen werden die täglichen Neuinfektionen der Zahl der Genesenen die Waage halten. Nach diesem Peak kehrt sich der Trend schnell um: An jedem weiteren Tag gibt es dann sehr viel mehr Genesungen als Neuinfektionen. In dieser Phase ist Südafrika momentan.“
Großbritannien sei in seinem Omikron-Szenario etwa zwei bis drei Wochen weiter als Deutschland. Ob auch wir derart hohe Fallzahlen bekommen werden, urteilte Hesse, werde sich in der nächsten Woche abzeichnen und einschätzen lassen.
Vorsichtig optimistisch äußerte sich der Virologe Christian Drosten mit Blick auf das Frühjahr: „Wir werden ganz sicher auch eine steile Welle sehen, aber ich glaube, wir sind insgesamt auf einem Weg, sagen wir mal Richtung Ostern, wo wir viele Möglichkeiten noch haben.“ Um das Infektionsgeschehen zu „moderieren“ müssten wir viele Karten zum Einsatz bringen und vor allem die Impflücke schließen.
Oberarzt warnt vor gefährlichem Omikron-Trugschluss: „Der Booster ist unverzichtbar“
FOCUS Online/Wochit Oberarzt warnt vor gefährlichem Omikron-Trugschluss: „Der Booster ist unverzichtbar“
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