COVID-19: Durch Corona-Maßnahmen erhöhtes Risiko für weitere Infektionskrankheiten? – Heilpraxis
Anstieg von Infektionskrankheiten nach Corona befürchtet
Masken, Distanzierung, häufiges Händewaschen und Desinfektionsmittel schützen uns vor einer Coronavirus-Infektion, aber auch vor anderen Infektionskrankheiten wie Grippe. Unser Immunsystem hat dabei allerdings nicht viel zu tun und könnte schwächer werden, befürchten nun verschiedene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dies legt unter anderem auch eine aktuelle Studie aus Hongkong nahe. Die Forschenden dokumentierten, dass es nach Wiedereröffnung von monatelang geschlossenen Schulen zu einem explosionsartigen Anstiegen an Infektionskrankheiten kam.
Ein chinesisches Forschungsteam dokumentierte einen dramatischen Anstieg von gewöhnlichen Infektionskrankheiten der oberen Atemwege, kurz nachdem die Kinder im Oktober 2020 in die Schulen und Kindertagesstätten zurückkehrten. Die Ausbrüche betrafen sowohl Lehrkräfte als auch Schulkinder, obwohl strenge Corona-Schutzmaßnahmen befolgt wurden. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachjournal „Emerging Infectious Diseases“ veröffentlicht.
Verweichlicht unser Immunsystem in der COVID-19-Blase?
Gewöhnliche Infekte wie Schnupfen, grippale Infekte und Grippe sind Teil des normalen Alltags. Die COVID-19-Schutzmaßnahmen haben vielen von uns auch eine Pause von lästigen Erkältungskrankheiten gegönnt. Dies könnte sich nach Lockerung der Maßnahmen rächen, befürchten chinesische Expertinnen und Experten. In der Flaute könnte unser Immunsystem ein Teil der Abwehrkräfte verloren haben.
Welle von Erkältungskrankheiten in Schulen
Die aktuelle Studie zeigt, dass es nach der Wiedereröffnung der Schulen und Kindertagesstätten in Hongkong im Oktober 2020 trotz vorherrschenden Schutzmaßnahmen zu einem deutlichen Anstieg an Erkältungskrankheiten kam. „Das Personal und die Schüler trugen zu jeder Zeit Gesichtsmasken; die Mittagspause wurde gestrichen, die Tische wurden auf Abstand gehalten und Gruppenaktivitäten wurden eingeschränkt“, berichtet das Forschungsteam.
Corona-Fehlalarm in Hongkong
Dennoch kam es der Studie zufolge bis Ende November 2020 zu 482 Ausbrüchen von Infektionen der oberen Atemwege in Schulen und Kindergärten: 308 in Grundschulen, 149 in Kindergärten und nur 25 in weiterführenden Schulen. Angesichts der weit verbreiteten Ausbrüche riefen die Behörden in Hongkong von Mitte bis Ende November erneut zu landesweiten Schulschließungen auf, da zunächst ein Anstieg von Coronavirus-Infektionen befürchtet wurde.
Doch als die Keime im Labor untersucht wurden, fanden die Forschenden weder das Coronavirus SARS-CoV-2 noch Influenza-Viren. Die Ausbrüche wurden von gewöhnlichen Rhinoviren und Enteroviren verursacht, die für die meisten grippalen Infekte verantwortlich sind und von unserem Immunsystem in der Regel gut abgewehrt werden.
Schwächte der Lockdown das Immunsystem der Kinder?
Die Forschenden stellten die Hypothese auf, dass der drastische Anstieg an Erkältungen darauf zurückzuführen sei, dass die Immunreaktionen der Kinder zu schwach waren, um die Erreger abzuwehren. Die Kinder waren zuvor von Januar bis September 2020 im Heimunterricht. Umfragen haben ergeben, dass rund 75 Prozent der Kinder keinen Kontakt zu Personen außerhalb des Haushalts hatten.
Gleichzeitig konnten die Forschenden nachvollziehen, dass während des Lockdowns in Hongkong auch die Anzahl der Erkältungen und grippeähnlichen Erkrankungen stark zurückging. Das Immunsystem kam also deutlich weniger häufig in Kontakt mit diesen Erregern, wodurch „die Anfälligkeit in der Bevölkerung für Rhinoviren und andere Atemwegsviren, einschließlich Influenzaviren, im Laufe der Zeit zugenommen haben könnte“, folgern die Forschenden. Aus diesem Grund habe sich wahrscheinlich „das Übertragungspotenzial erhöht, als der Schulbetrieb wieder aufgenommen wurde“, vermutet die Arbeitsgruppe.
Auch in England kam es zu einer Erkältungswelle
Dass dieses Phänomen nicht nur in Hongkong auftritt, zeigt eine weitere Studie, die im renommierten Fachjournal „The Lancet“ vorgestellt wurde. Ein Forschungsteam dokumentierte trotz vorherrschender COVID-19-Maßnahmen einen Anstieg von Erkältungskrankheiten in Großbritannien, zwei Wochen nachdem die Kinder im September 2020 wieder am Präsenzunterricht teilnahmen. Der Anstieg sei zu dieser Jahreszeit zwar normal, doch es bestünden gewöhnlich keine Schutzmaßnahmen gegen Infektionskrankheiten. Die Corona-Maßnahmen seien daher nicht wirksam gegen Rhinoviren, vermuten die Forschenden.
Virus ist nicht gleich Virus
Insgesamt unterstützen beide Forschungsteams die Hypothese, dass die Corona-Schutzmaßnahmen nicht gut gegen Erkältungskeime wie Rhinoviren und Enteroviren funktionieren. Besser scheinen die Maßnahmen jedoch gegen Influenzaviren und Coronaviren zu wirken. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass sich Entero- und Rhinoviren nicht so leicht durch Desinfektionsmittel abtöten lassen.
Übertragungswege müssen besser untersucht werden
Interessant ist, dass die hier genannten Viren alle ähnliche Übertragungswege nutzen. „Wie viel jeder Übertragungsweg letztendlich zur Verbreitung eines Virus beiträgt, bleibt unklar“, unterstreichen die Forschenden. Daher könnte sich auch die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen zwischen den Viren unterscheiden. (vb)
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