Coronavirus: Warum sind so viele Krankenhäuser noch leer? – Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal
Leere Krankenhäuser trotz Pandemie – wie passt das zusammen?
Derzeit werden in den sozialen Medien häufig Videos gezeigt, in denen Personen in Krankenhäusern rumlaufen und sich wundern, warum so wenig Betrieb dort ist, obwohl wir mitten in einer Pandemie stecken. Warum sind trotz Corona-Krise so viele Krankenhäuser nicht ausgelastet?
Die verhältnismäßig leeren Krankenhäuser werden von manchen Leuten so interpretiert, dass es gar keine Pandemie gibt und die Krise künstlich herbeigeführt wurde. Tatsächlich ist die Auslastung in vielen Kliniken derzeit normal oder sogar gering. Woran das liegt, erklärt Coronavirus-Experte Professor Christian Drosten, der Leiter der Virologie an der Charité Berlin in seinem NDR-Podcast.
Das Wasser zieht sich zurück
Der Virologe bestätigt gegenüber dem NDR, dass tatsächlich viele Krankenhäuser, darunter auch die Charité in Berlin, in einer Phase sind, wo zur Zeit noch relativ wenig schwere COVID-19-Fälle auf den Stationen vorhanden sind. Hochspezialisierte Teams warten Tag für Tag darauf, dass der Ansturm beginnt – im Hinterkopf hoffen viele Angestellte im Gesundheitsbereich jedoch darauf, dass der Ansturm ausbleibt. Viele fühlen sich – ähnlich wie bei einem Tsunami – als würden sie am Strand stehen und das Wasser geht zurück. Nun wissen alle, dass das Wasser zurückkommen wird, aber keiner wisse, wie heftig die Flut sein wird.
Deutschland testet mehr als andere Länder
Für die geringe Auslastung hat der Virologe Drosten gleich mehrere Gründe parat. Zum einen wurden viele planbare Operationen verschoben und Krankenhausbetten für schwere Fälle freigehalten. Zudem habe man in Deutschland schon früh reagiert und umfassende Gegenmaßnahmen eingeleitet. Darüber hinaus habe Deutschland in der Corona-Krise eine der besten Diagnostiken der ganzen Welt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern konnten in Deutschland auch sehr viele Fälle mit leichter Symptomatik verfolgt und festgestellt werden.
Dies hat laut Drosten den Nachfolgeeffekt, dass das Durchschnittsalter der Erkrankten in Deutschland im Verhältnis zu vielen anderen Ländern relativ jung ist und bei jüngeren Infizierten häufiger ein milder Verlauf eintritt. So liege das Durchschnittsalter der COVID-19-Betroffen in Deutschland zur Zeit bei 48 Jahren. Dies sei auch einer der Gründe, warum die Todeszahlen im Vergleich zu Spanien und Italien wesentlich geringer sind.
Zudem sind die Corona-Fälle innerhalb der Bundesrepublik ungleichmäßig verteilt. Während Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen stark betroffen sind, verbreitet sich das Coronavirus in anderen Bundesländern langsamer. Laut Drosten wird deshalb über eine Verlegung von Corona-Betroffenen in weniger betroffenere Bundesländer nachgedacht, um die Krankheitslast gleichmäßiger zu verteilen.
Obergrenze der Testkapazitäten erreicht
Professor Drosten weist aber auch darauf hin, dass die Obergrenze der Testkapazitäten bereits ausgeschöpft sei. „Wir müssen uns einfach jetzt auch realistisch darauf einstellen, so unübersichtlich die Marktlage im Diagnostikmarkt ist, dass wir möglicherweise nicht mehr oben draufsetzen können als das, was wir jetzt haben“, erklärt der Coronavirus-Experte gegenüber den NDR.
Es sei wahrscheinlich, dass in nächster Zeit eine Umstellung der Teststrategie erfolge und gezielter getestet werde, so Drosten. So könne beispielsweise nur noch ein Test erfolgen, wenn starke Symptome vorliegen oder die Betroffenen zu einer Risikogruppe gehören. Auch in Deutschland müsse man sich in dem Fall auf einen verhältnismäßigen sowie generellen Anstieg der Todeszahlen einstellen.
Die Situation kann sich schnell ändern
Wie schnell sich das Blatt wenden kann, verdeutlichen zwei Videos des italienischen Virologen Matteo Bassetti. Ende Februar gehörte Bassetti noch zu den Skeptikern und behauptete auf YouTube, das Virus sei ungefährlich. Dieses Video wird heute noch verbreitet und vermittelt ein nicht aktuelles Bild, denn der Arzt hat seine Aussagen längst widerrufen, wie er in einem Interview mit dem norddeutsche Rundfunk im Rahmen des Rechercheformats „strg_f“ mitteilt.
„Jetzt ist die Situation eine andere“, betont Bassetti. Innerhalb von fünf Wochen habe sich ein bemerkenswerter Unterschied entwickelt. Es sterben viel alte Leute mit Begleiterkrankungen, aber inzwischen seien auch jüngere Menschen unter den Opfern. „Was damals stimmte, ist jetzt nicht mehr wahr!“ Man habe in in Italien ein Desaster. „Das ist kein Witz, sondern eine reale Bedrohung, und es wird ein Albtraum werden, wenn man nicht vorbereitet ist“, schließt Bassetti ab.
Was ist wenn der Ansturm ausbleibt?
Falls wider Erwarten der große Ansturm auf die Krankenhäuser ausbleiben sollte, werden viele zu der Auffassung kommen, dass die Maßnahmen nicht gerechtfertigt waren. Hierzu kommentiert Drosten: „There is no glory in prevention, also kein Ruhm in der Verhinderung von Krankheiten, denn diese Krankheiten sind ja gar nicht eingetreten.“ Im Nachhinein könne man nicht wissen, was man da verhindert hat. Ein Blick auf Länder wie Spanien, Italien und auf die USA könne helfen zu verstehen, was die Erkrankung in einem mit uns vergleichbaren System anstellen kann, wenn die Maßnahmen nur ein paar Wochen zu spät erfolgen. (vb)
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