Aufholjagd in Bullerbü: Bundestag berät Digitalgesetze
Vom digitalen „Entwicklungsland“ auf die „Überholspur“ – laut Gesundheitsministerium und Ampel-Fraktionen sollen das Digitalisierungsgesetz und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz genau das bewerkstelligen. Die ABDA hatte an den Entwürfen Fundamentales auszusetzen. Ihre Bedenken scheinen aber weder Regierungs- noch Oppositionsparteien zu teilen – mit einer Ausnahme.
Die Kabinettsentwürfe zum Digitalisierungsgesetz (DigiG) und zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) stehen, der Bundesrat nahm vor wenigen Wochen bereits dazu Stellung. Kernelement des DigiG ist die elektronische Patientenakte (ePA), die ab dem Jahr 2025 für alle gesetzlich Versicherten, die dem nicht widersprechen, bereitgestellt werden soll (Opt-out). Für privat Versicherte können die PKV-Unternehmen ebenfalls eine widerspruchsbasierte ePA anbieten. Das GDNG soll laut Regierung Daten „für gemeinwohlorientierte Zwecke leichter und schneller nutzbar“ machen.
Die ABDA hatte wiederholt grundsätzliche Kritik an den Regierungsplänen geäußert. Sie sieht unverhältnismäßige Eingriffe in die informelle Selbstbestimmung der Versicherten und befürchtet vor allem, dass wegen der geplanten automatisierten Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) durch die Kassen die Abgrenzung von Heilberuflern und Kassen verwischt werden. Hierzu gab es neben Stellungnahmen der ABDA auch einen Antrag auf dem Apothekertag dieses Jahr, der dann auch angenommen wurde.
An diesem Donnerstag begann mit der ersten Beratung im Bundestag das parlamentarische Verfahren – die Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Fraktionen klopften sich auf die Schulter und auch die CDU/CSU-Fraktion hatte als Opposition nur wenig an den Entwürfen auszusetzen. Nur die Links-Fraktion teilte im Verlauf der Beratung die Sorgen der ABDA.
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„Es ist überfällig, dass wir in Bezug auf Datennutzung, in Bezug auf Digitalisierung mit diesen Gesetzen eine Aufholjagd beginnen“ – das sagte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Gesundheit, Edgar Franke (SPD) als erster Redner. Er griff dabei eine Formulierung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf. Der hatte bereits im August bei einer Veranstaltung davon gesprochen, dass Deutschland bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems ein „Entwicklungsland“ sei und eine „Aufholjagd“ nötig.
Grüne: Deutschland auf der „Überholspur“
Forschung und Innovation seien ohne effektive Datennutzung nicht mehr möglich, so der Staatssekretär, und da stehe Deutschland nicht gut da. Sie sei aber nicht nur Standortvorteil, sondern diene auch der Patientensicherheit. Zudem seien Fachkräfte rar, sie seien durch die Digitalisierung zwar nicht zu ersetzen, diese könnte aber ihre Arbeit erleichtern. Das „Herzstück“ der Digitalisierung, die ePA, werde beginnen, im Alltag zu schlagen.
Janosch Dahmen (B90/Die Grünen) dankte Lauterbach, der laut Dahmen wegen Krankheit verhindert war, ausdrücklich für die Gesetze und sagte, dass Deutschland mit ihnen wieder auf die „Überholspur“ komme. Die ePA sei „keine Kleinigkeit“, Patienten könnten so endlich Einblick in die Daten gewinnen, die über sie gesammelt werden.
CSU: „Das erste vernünftige Gesetz“
Maximilian Funke-Kaiser (FDP) sagte, die ePA wäre vor 20 Jahren von der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt versprochen worden, die „Fortschrittskoalition“ löse nun das Versprechen ein. Dabei sei ihm als Liberalen der Schutz von sensiblen Daten besonders wichtig.
Auch die Konservativen waren grundsätzlich zufrieden mit den Kabinettsentwürfen und erklärten, sie gingen in die richtige Richtung. Stephan Pilsinger (CDU/CSU) sagte an die Ampel-Koalition gerichtet, es sei „das erste vernünftige Gesetz, das Sie in der Gesundheitspolitik eingebracht“ habe und äußerte die Vermutung, dass es nicht von Lauterbach, sondern von Staatssekretär Franke geschrieben worden sei.
Die Linke: Opt-Out-Verfahren „unverantwortlich“
Fundamentale Kritik gab es nur von Kathrin Vogler (Die Linke). Die Gesetze würden die „gläserne Patientin“ schaffen und das lehne ihre Partei „aus guten Gründen“ ab. Natürlich sei Digitalisierung zu begrüßen, wenn sie die Datennutzung zum Wohle aller fördere und Prävention verbessere. Aber das Gesetz werde den Prinzipien von Datenschutz und -sparsamkeit nicht gerecht und hebele das Selbstbestimmungsrecht der Patientinnen und Patienten aus. So halte sie das Opt-Out-Verfahren für „unverantwortlich“. Die Nutzung der Patientendaten sei kaum kontrollierbar. Sie warf der Ampel-Koalition vor, dass es in ihrem „Gesundheitsdaten-Bullerbü“ keine Datenlecks und keine Hacker gebe.
Insbesondere kritisierte sie, dass laut Entwurf die Krankenkassen die Daten selbst auswerten dürfen und mit individuellen Gesundheitsratschlägen an die Versicherten herantreten dürfen – und lag damit auf Linie der ABDA. Vogler erklärte, sie wolle ihre gesundheitlichen Angelegenheiten mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin besprechen, nicht mit ihrer Krankenkasse. Patientendaten gehörten in Patientenhand und müssten vor „den kommerziellen Begehrlichkeiten der Gesundheitsindustrie, der Pharmaunternehmen und der Versicherungen geschützt werden“. Vogler verwies darauf, dass die Links-Fraktion diesbezüglich in einem Antrag Verbesserungsvorschläge gemacht habe.
Wie es weiter geht
Der weitere Plan sieht nun vor, dass es kommende Woche eine erste Anhörung im Gesundheitsausschuss geben wird und eine abschließende am 13. Dezember. In den Bundestag kommt das Gesetz dann wieder am 14. und 15. Dezember, am zweiten Tag soll die Abstimmung erfolgen. Der Bundesrat, der nicht zustimmungspflichtig ist, befasst sich am 2. Februar des kommenden Jahres noch einmal mit den beiden Gesetzen. Noch im selben Monat sollen sie in Kraft treten.
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