Auf was die Forschung setzt: Der große Medikamentencheck zu Corona
Zigtausende Menschen weltweit kämpfen derzeit gegen die durch Sars-CoV-2 ausgelöste Erkrankung Covid-19, viele sind ihren Folgen schon erlegen. Forscher arbeiten mit Hochdruck daran, Medikamente zu finden, die Betroffene unterstützen. Hier lesen Sie den aktuellen Stand der Dinge.
Mehr als 1,5 Millionen Menschen weltweit haben sich bereits mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 infiziert, bei mindestens 335.000 konnte der Körper das Virus bekämpfen. Damit, so die Meinung vieler Experten, sind diese Menschen gegen das Virus immun. Mindestens für ein paar Jahre kann Sars-CoV-2 ihnen nichts mehr anhaben.
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Doch Hunderttausende Menschen weltweit kämpfen laut "worldometers.info" derzeit noch dagegen an, knapp 50.000 davon gegen einen schweren bis kritischen Verlauf. Sie und alle die folgen werden, setzen ihre Hoffnungen auf die Entwicklung wirksamer Medikamente – doch bis diese auf dem Markt sind wird noch einige Zeit vergehen. Experten gehen derzeit von noch etwa einem Jahr aus, bis es eigens für Covid-19 entwickelte Medikamente gibt.
Aus alt mach neu: Ärzte bekämpfen Covid-19 mit Malaria-, HIV- und Ebolawirkstoffen
Manche der Hoffnungen liegen aber auch auf altbewährten Methoden und Medikamenten, die bereits für andere Viren und Krankheiten zugelassen sind und im Kampf gegen Covid-19 Erfolg versprechen. Das Bundesgesundheitsministerium hat fünf Wirkstoffe bestimmt, die Ärzte Patienten mit einem schweren Verlauf der Erkrankung bereits jetzt geben dürfen:
1. Favipiravir
Favipiravir, auch Favilavir, ist bereits zugelassen für pandemische Influenza-, also Grippeviren. Es wirkt gegen ein breites Spektrum von viralen Erregern – einschließlich Stämmen, die gegen verfügbare Influenzamedikamente resistent sind. Es kam auch schon gegen das Ebolafieber zum Einsatz. Unproblematisch sind diese sogenannten Virostatika aber nicht: "Viren verändern sich und können resistent werden", sagt Melanie Brinkmann, Virologin am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Ähnlich wie bei Antibiotika könne es auch bei Virostatika zu Resistenzen kommen.
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2. Camostat
Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen und der Charité Berlin haben ein Enzym identifiziert, das den Eintritt des Virus in Lungenzellen ermöglicht. Das in Japan zugelassene Medikament Camostat Mesilate, bisher bei Entzündungen der Bauchspeicheldrüse eingesetzt, hemmt diese Protease und könnte eine Behandlungsmöglichkeit darstellen. Auch hier soll es klinische Studien geben.
3. Lopinavir/Ritonavir
Vor einigen Wochen wurde in Thailand eine Patientin mit einer Kombination aus Grippe- und HIV-Mitteln behandelt. Die Frau bekam von den Ärzten das Grippe-Medikament Oseltamivir und die zwei HIV-Wirkstoffe Lopinavir und Ritonavir. 48 Stunden nach der Behandlung sei das Virus bei der Patientin nicht mehr nachweisbar gewesen, hieß es.
Weltweit setzten Wissenschaftler Hoffnungen auf die HIV-Wirkstoffkombination Ritonavir/Lopinavir (verkauft als das Medikament"Kaletra"). Laut Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing, sei die Begeisterung für das HIV-Medikament inzwischen aber abgeflaut: "Wir hatten subjektiv den Eindruck, dass wir einzelnen Patienten damit helfen konnten", sagte er bereits Ende März. "Leider hat sich in einer Studie mit knapp 200 Patienten aber kein signifikanter Benefit gezeigt." Das verdeutliche, wie wichtig Studien seien.
4. Hydroxychloroquin
Ein weiterer hochgehandelter Wirkstoff im Kampf gegen Sars-CoV-2 ist das Malariamittel Hydroxychloroquin. Der Wirkstoff ziele nicht direkt auf das Virus ab, sondern greife in zelluläre Prozesse ein, die für das Virus existentiell seien, erläutert die Braunschweiger Virologin Melanie Brinkmann. Erst kürzlich wurde in Deutschland eine klinische Studie genehmigt, die die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin gegen Covid-19 untersuchen soll.
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5. Chloroquin
Auch Chloroquin wurde gegen Malaria entwickelt, wirkt aber ebenso gegen viele Viren. Es ist einer der Wirkstoffe, mit dem laut Peter Kremsner, Direktor des Tübinger Instituts für Tropenmedizin, Covid-19-Patienten in China und Italien behandelt wurden. Unklar sei aber, ob mit Erfolg, da die Erkrankten Chloroquin teils in sehr hoher Dosierung und gemeinsam mit vielen weiteren Medikamenten bekommen hätten.
"Im Moment wird, wie es bei Epidemien und Pandemien häufig der Fall ist, nach Wildwest-Manier alles Mögliche eingesetzt, wo man irgendeinen Hoffnungsschimmer sieht. In Tübingen bemühen wir uns, nichts davon zu machen, weil man damit auch sehr viel Schaden anrichten kann", sagte Kremsner gegenüber dem SWR. Die Tübinger Tropenmediziner arbeiten eng mit dem Paul-Ehrlich-Institut und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medikamente zusammen.
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Die meisten Medikamente überstehen klinische Studien nicht
Dort fallen mehr als 90 Prozent aller neu entwickelten Medikamente durch, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Denn vieles, was im Modell theoretisch überzeugend ausgesehen, in der Zellkultur funktioniert habe und auch im Tierversuch wirksam gewesen sei, führe beim Menschen oft zu ungeahnten Nebenwirkungen und Komplikationen. Am Ende könne der Schaden dann wesentlich größer sein als der Nutzen.
Antikörperspenden mit Hilfe von Blutplasma
Wer eine Krankheit durchgemacht hat, bildet Antikörper gegen die Erreger und ist künftig immun – zumindest für eine gewisse Zeit. Die Abwehrkräfte anderer sollen jetzt schwerkranken Covid-19-Patienten in Deutschland helfen.
Mehrere Kliniken in Deutschland suchen zurzeit genesene Corona-Patienten, die Blutplasma für eine Behandlung der Schwerkranken spenden. Darunter sind neben dem Universitätsklinikum Erlangen auch die Medizinische Hochschule Hannover und das Universitätsklinikum Münster. "Das mildert und verkürzt den Krankheitsverlauf", sagte der Leiter der Transfusionsmedizin am Universitätsklinikum Erlangen, Holger Hackstein. Das zeigten Erfahrungen aus China.
Das Paul-Ehrlich-Institut im hessischen Langen wies allerdings darauf hin, dass weitere klinische Studien zur Wirksamkeit der Blutplasma-Therapie unerlässlich seien. In China haben Forscher deren Wirkung jüngst an zehn Covid-19-Erkrankten untersucht. Die Ergebnisse veröffentlichten sie nun in der Online-Ausgabe des Fachjournals "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS).
Danach verbesserte sich der Zustand der Patienten innerhalb von drei Tagen nach der Transfusion. Die Ergebnisse zeigten, dass die Blutplasma-Therapie ein großes Behandlungspotenzial bei Covid-19-Patienten habe und gut vertragen werde, schrieben die Autoren. Da Antikörper im Gegensatz zu herkömmlichen Medikamenten körpereigene Stoffe sind, sollten in der Regel auch die Nebenwirkungen gering ausfallen.
TU Braunschweig stellt Antikörper im Reagenzglas her
An der Technischen Universität Braunschweig (TU) können menschliche Antikörper gegen Sars-CoV-2 mittlerweile im Reagenzglas gewonnen werden. Im Gegensatz zu Präparaten aus dem Blut gesundeter Patienten erschließe dies eine unerschöpfliche Quelle, betont die Braunschweiger Virologin Brinkmann. Auch diese Antikörper müssten aber noch auf ihre Wirksamkeit getestet werden.
"Neutralisierende Antikörper sind für mich derzeit am erfolgversprechendsten", sagt Brinkmann. Solche Antikörper kann man inzwischen biotechnologisch im Labor herstellen. Der Einsatz von im Labor erzeugten monoklonalen Antikörpern sei in etwa drei Monaten möglich.
Risiko stets abwägen: Vorsicht vor unerwarteten Nebenwirkungen
Alle genannten Medikamente und Methoden werden derzeit noch experimentell bei Covid-19 angewandt. Es ist noch nicht eindeutig erwiesen, wie groß Ihr Nutzen tatsächlich ist. Vor ihrem Einsatz sollte deshalb stets eine individuelle Nutzen-Risikoabwägung erfolgen. FOCUS Online/Wochit „Weiß nicht, ob das Ihr Ernst ist“: Laschet fährt Hayali in ZDF-Interview an
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