Apotheker bei der Impfstoffrekonstitution: richtig und wichtig!
Seit etwas mehr als einer Woche werden in ganz Europa Menschen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft. Bei der Rekonstitution des Impfstoffes wirkt in manchen Bundesländern pharmazeutisches Personal mit. Ein junger Approbierter, der selbst in einem Impfzentrum tätig ist, hat in den sozialen Netzwerken die aus seiner Sicht vorhandenen „Stolpersteine“ beschrieben und geteilt. Mit seinen Gedanken will er zeigen, dass es richtig und wichtig ist, hier die pharmazeutische Kompetenz zu nutzen.
„Stolpersteine der Impfstoffherstellung“ hat Apotheker Michael Gabel seinen Beitrag, den er in den sozialen Netzwerken geteilt hat, überschrieben. Er kennt sie, weil er selbst in einem Impfzentrum in Bayern tätig ist – allerdings auf eigene Initiative. Im Gegensatz zu beispielsweise Rheinland-Pfalz und Berlin, wo die Kammer aktiv pharmazeutisches Personal rekrutierte, wurde nämlich in Bayern auf den systematischen Einsatz von Apotheker:innen und PTA in den Impfzentren verzichtet. Anscheinend wurde es nicht für notwendig befunden. Er selbst habe oft den Satz gehört: ,,Das bisschen Zusammenmischen, das ist doch nicht schwer. Das bekomme ich selbst hin‘‘, schreibt Gabel. Der Vorgang selbst sei tatsächlich nicht kompliziert, ebenso wenig wie z. B. der Vorgang des Impfens. Es ist in seinen Augen kein Hexenwerk. Dennoch sollten einige Dinge bedacht werden und das Personal gut geschult werden, findet er. „Ich habe diese Woche einige Impfdosen rekonstituiert. Dabei sind mir einige Stolpersteine aufgefallen, die ich gerne mit euch teilen möchte“, erklärt er. Dann schildert er Schwierigkeiten, welche die Stabilität beeinflussen können und mikrobielle Stolpersteine:
Schwierigkeiten, die die Stabilität beeinflussen können
- Unsachgemäßer Transport der Impfdosen nach dem Verdünnen (z. B. auf einem Rollwagen),
- zu starkes Schütteln der Impfdosen bei der Herstellung,
- Verwendung von zu kleinen Kanülen,
- zu schnelle Injektion (Scherkräfte/Druck schädigen die mRNA),
- Verwendung von zu großen Spritzen (Dosierungsprobleme),
- größere Luftansammlung in der Spritze (mehrmaliges Aufziehen/Austreiben schädigt mRNA),
- Nichteinhaltung der Kühlkette (Schädigung der mRNA).
All das sind Möglichkeiten, die die mRNA schädigen können. Was wäre die Folge? Mehr oder weniger funktionsfähiger Impfstoff pro Impstoffdose. Vermutlich ändert dies an der Wirksamkeit der Immunantwort nichts, allerdings sollte man bedenken, dass der ganze Aufwand drum herum (Impfzentren, Logistik, Personal) nur dafür betrieben wird, dass die Bevölkerung diesen Impfstoff ordnungsgemäß verabreicht bekommt. Möchte man dann letztendlich Abstriche hinnehmen?
Mikrobielle Stolpersteine
- Schlechte Arbeitsplatzdesinfektion,
- fehlendes Tragen von Schutzausrüstung,
- mehrfache Verwendung derselben Kanülen,
- fehlende Händedesinfektion,
- Störung des Herstellungsvorgangs durch anderes Personal,
- unprofessionelles aseptisches Arbeiten.
All das sind mikrobielle Stolpersteine. Was sind hiervon die Folgen? Verschleppen von Keimen, Infektion an der Einstichstelle? Blutvergiftung? Klar, das Risiko ist gering, aber es ist vorhanden.
Biontech selbst gibt in seiner Fachinformation eine chemische und physikalische Stabilität des verdünnten Impfstoffs von 6 Stunden bei 2-30°C an. Allerdings schreiben sie wortwörtlich: ,,Aus mikrobiologischer Sicht sollte das Produkt sofort verwendet werden. Bei nicht sofortiger Verwendung liegen die Aufbewahrungszeiten und -bedingungen für den Gebrauch in der Verantwortung des Benutzers.“
Quelle: Michael Gabel auf Facebook
Das Bundesland Bayern verzichte in den Impfzentren auf pharmazeutisches Personal, schreibt er weiter. Weil es den Einsatz von Pharmazeuten für unnötig halte. Witzigerweise arbeite er in einem Impfzentrum in Bayern. Die Unterschiede in der Herstellung seien gravierend. Gabel hat auch eine Theorie, warum das so ist: „Als Pharmazeut besitzt man eine andere Sichtweise. Das Studium trimmt durch die vielen Laborzeiten auf eine saubere Arbeitsweise und die professionelle Umsetzung von Herstellungsanweisungen. Als Pharmazeut sieht man eben nicht nur das Zusammenmischen des Impfstoffes, sondern auch die Hintergründe hinter der Herstellung. Und man studiert eine Fachinformation und die richtige Herstellung, bevor man loslegt.“ Dabei verweist er auf die Impfpanne in Stralsund, wo Patienten die fünffache Dosis verabreicht worden war, weil sich offensichtlich nicht alle Beteiligten im Vorfeld eingelesen hatten.
Sein Fazit:
„Man könnte sagen, man arbeitet mit einem rohen Ei. Man kann es in die Hand nehmen, es geht nicht sofort kaputt. Aber man sollte vorsichtig damit umgehen. Die Herstellung ist kein Hexenwerk. Ebenso wenig wie das Impfen. Aber eine gründliche Vorbereitung ist wichtig. Gerade, wenn das mediale Interesse nur nach Fehlern/Problemen sucht, ist ein fehlerfreies Arbeiten umso wichtiger. Man trägt eine Verantwortung. Das Wohl des Patienten steht im Vordergrund. Die Herstellung sollte von gut geschultem (am besten pharmazeutischem) Personal durchgeführt werden. Es ist eben nicht nur: ‚Das bisschen zusammenmischen, das ist doch nicht schwer. Das bekomme ich selbst hin‘.“
Im Gespräch mit DAZ.online erklärt der Apotheker, dass er sich freue, dass hier tatsächlich zumindest in manchen Bundesländern einmal die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker genutzt werde. Im Alltag sei das noch viel zu selten der Fall.
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