Forscher entdecken rätselhafte Hirnaktivität bei Sterbenden
Menschen, die fast gestorben wären, berichten weltweit von ähnlichen Nahtod-Erfahrungen. Bis heute wissen Forscher nicht, woran das liegt. Wissenschaftler aus den USA konnten nun messen, dass bei einigen Sterbenden die Gehirnaktivität plötzlich extrem zunimmt.
Über seinem Körper schweben, das Leben läuft wie in einem Film vor einem ab, in einem Tunnel einem hellen weißen Licht entgegen gehen, ein Gefühl der Schwerelosigkeit, des Friedens, der Glückseligkeit, Begegnungen mit Verstorbenen. So schildern häufig Menschen, die fast gestorben wären, ihre Nahtoderfahrung (NDE). Dabei handelt es sich zwar um subjektive Erfahrungen, dennoch ähneln sich diese Schilderungen unabhängig von der kulturellen Prägung der Betroffenen häufig sehr.
Ursache von Nahtod-Erlebnissen völlig unklar
Laut International Association of Near Death Studies (IANDS) weiß man heute, dass Nahtoderfahrungen allgemeine Merkmale haben, die bei Menschen in allen Kulturen, egal welchen Alters und Geschlechts auftreten – kombiniert mit ganz individuellen Erfahrungen.
Bis heute ist nicht genau bekannt, was genau diese Nahtod-Erfahrungen verursacht. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze, die von neurologischen bis hin zu chemischen Prozessen im Gehirn reichen wie
- Sauerstoffmangel
- Kohlendioxidüberschuss
- Wirkung von Medikamenten und
- Halluzination.
Trotz jahrzehntelanger Forschung bleibt die Ursache aber nach wie vor im Dunkeln. „Kein physiologisches oder psychologisches Modell allein erklärt alle gemeinsamen Merkmale von NDE“, sagt etwa der amerikanische Psychiater Bruce Greyson, einer der führenden Forscher auf diesem Feld.
Gamma-Wellen: Wissenschaftler messen erhöhte Gehirnaktivität bei Sterbenden
In Tierversuchen stießen Wissenschaftler der University of Michigan bereits vor Jahren auf ein eigenartiges Phänomen. Bei Nagetieren stellten sie fest, dass das Gehirn bis zu 30 Sekunden nach dem Herzstillstand noch aktiv ist. Eine neue Studie der Forscher, die bei „ Proceedings of the National Academy of Sciences “ veröffentlicht wurde, zeigt nun, dass dies auch bei sterbenden Menschen der Fall ist.
Dafür untersuchten sie die Gehirnaktivitäten von vier Patienten, die im Koma lagen. Sie hatten keine Überlebenschancen und wurden von lebenserhaltenden Geräten in Absprache mit ihren Familien getrennt, während ihre Hirnaktivität kontinuierlich überwacht wurde.
Bei zwei der Patienten stieg demnach die neuronale Aktivität in Form von Gamma-Wellen kurz nach dem Abschalten der Beatmungsgeräte drastisch an. Dabei handelt es sich um die schnellsten Gehirnwellen, die mit hoher geistiger Aktivität und geistigen Spitzenleistungen in Verbindung gebracht werden.
Laut Studie hat dieser Anstieg auch noch für Sekunden angehalten, als das Herz nicht mehr schlug. Bei einem Patienten stieg die Produktion von Gamma-Wellen während des Sterbeprozesse sogar für kurze Zeit auf das Dreihundertfache der vorherigen Werte an und war damit viel höher als bei Menschen, die bei vollem Bewusstsein waren.
Gamma-Wellen deuten auf verborgenes Bewusstsein hin
Die erhöhte Gamma-Aktivität fand hauptsächlich in der hinteren Region des Gehirns statt, die unter anderem mit Träumen und veränderten Bewusstseinszuständen in Verbindung gebracht werden. Normalerweise geht der Herzstillstand mit einem Verlust des Bewusstseins einher. Die erhöhte Hirnaktivität deutet aber darauf hin, dass während des Sterbeprozesses tatsächlich ein verborgenes Bewusstsein aktiviert werden könnte.
Da es sich um eine sehr kleine Studie handelt, weisen die Autoren allerdings darauf hin, das sich aus ihren Beobachtungen der aktivierten Hirnaktivität beim Sterben keine pauschalen Aussagen ableiten ließen – zumal man auch nicht wisse, was die Patienten in diesen Momenten erlebt hätten.
„Wir sind nicht in der Lage, die beobachteten neuronalen Signaturen des Bewusstseins mit einer entsprechenden Erfahrung bei denselben Patienten in dieser Studie zu korrelieren “, sagt die an der Studie beteiligte Neurologin Nusha Mihaylova der University of Michigan. Dennoch seien die Ergebnisse wichtig, denn sie böten einen neuen Rahmen für unser Verständnis des verdeckten Bewusstseins sterbender Menschen.
Neurochirurg machte bereits ähnliche Beobachtung mit Gamma-Wellen bei Sterbendem
Das sieht auch der Neurochirurg, Ajmal Zemmar, von der University of Louisville ähnlich. Auch er hatte schon bei einer Person, die klinisch überwacht wurde und an an einem Herzinfarkt verstarb, erhöhte Gamma-Wellen-Aktivität festgestellt. Die Beobachtung deute auf einen biologischen Mechanismus des Gehirns hin, der denkwürdige Ereignisse in diesen letzten Momenten wiederhole, zitiert das Portal „ Science “ den Wissenschaftler.
Gamma-Wellen könnten ein Hinweis sein, dass verschiedene Gehirnregionen zusammenarbeiten, um unterschiedliche Empfindungen in der bewussten Wahrnehmung eines Objekts zu kombinieren – zum Beispiel den Anblick, den Geruch und das Geräusch eines Autos, so der Wissenschaftler weiter. Wie das im Gehirn aber genau funktioniere, sei aber „eines der größten Rätsel der Neurowissenschaften“.
Kritisch dagegen sehen der Nahtodforscher und Psychiater Bruce Greyson sowie der niederländische Kardiologe Pim van Lommel die Studie. In einem Papier , dass sie auf den Seiten von IANDS veröffentlicht haben, schreiben sie, dass die Patienten in der Studie keinen Herzstillstand gehabt hätten, sondern von der mechanischen Beatmung abgekoppelt wurden. Die elektrischen Aktivitäten im Gehirn sei also gemessen worden als bei den Patienten noch kein kompletter Herzstillstand laut EKG eingetreten war. Ob die elektrischen Aktivitäten im Gehirn, die in dieser Phase gemessen wurden, tatsächlich mit einem Bewusstseinsprozessen in Verbindung gebracht werden könnten, sei daher fraglich.
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