Omikron ist das Corona-Schreckgespenst – doch die Mutation kann die Pandemie beenden
Omikron gilt vielen als Corona-Schreckgespenst. Und ja, es verbreitet sich extrem schnell. Das birgt Gefahren. Aber gleichzeitig weist einiges auf positive Veränderungen hin. Es könnte die Variante sein, die die Pandemie beendet.
Es ist nun das dritte Pandemie-Jahr, in das wir starten. Viele blicken nicht gerade hoffnungsvoll auf 2022. Schließlich hat sich die neue Variante Omikron gerade erst aufgemacht, Deutschland zu erobern. Unmittelbar nach ihrer Entdeckung schon als „besorgniserregend“ eingestuft, verunsichert und ängstigt die Corona-Mutante die Menschen.
Sicher ist: Sie verbreitet sich rasant. Viele andere Details klären sich gerade erst nach und nach. Inzwischen finden sich darunter immer mehr Hinweise darauf, dass Omikron zum Game-Changer der Pandemie werden könnte.
Ziel ist die Endemie
Omikron ist nicht mehr aufzuhalten. Die Variante hat laut Robert-Koch-Institut (RKI) bereits einen Anteil von mehr als 17 Prozent an den Ansteckungen und treibt die Corona-Zahlen an. Besiegen lässt sich Corona in der Hinsicht, dass die meisten Menschen in einem Land eine gewisse Immunität gegen die Sars-CoV-2-Familie entwickelt haben – entweder durch Infektion oder durch Impfung. Damit trifft der Erreger nicht mehr auf so viele mögliche Opfer, die es gleichzeitig anstecken kann.
Und er trifft die meisten nicht mehr so schwer. Infektionszahlen steigen nicht mehr langandauernd oder schnell. Wissenschaftler sprechen dann davon, dass das Virus endemisch wird – vergleichbar mit den Grippeviren. Auf diesem Weg könnte Omikron helfen.
Bringt die schnelle Omikron-Verbreitung endlich Herdenschutz?
Die Variante des Coronavirus läuft aktuell schnell durch. Die Dunkelziffer ist hoch. Omikron wird viele anstecken und immunisieren. „Nach der Omikron-Welle wird es nicht mehr viele Menschen geben, deren Immunsystem das Virus noch nicht gesehen hat – sei es durch eine Infektion oder stimuliert durch eine Impfung“, sagte die Virologin Ulrike Protzer FOCUS Online mit Blick auf 2022. „Danach wird das Virus dann aber (hoffentlich) endgültig zu einem saisonal im Herbst immer wieder auftretenden Virus, ähnlich wie das Grippevirus, werden.“
Ähnlich sah es der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen im Interview mit FOCUS Online: „Ich gehe momentan davon aus, dass wir mit Omikron den Schritt in die Endemie schneller machen können.“ In Großbritannien und Südafrika sei das bereits zu sehen. Die Zahlen sinken dort nach dem Peak schnell. Für Deutschland erwartete der Epidemiologe zwar erst einmal in die Höhe schießende Zahlen nach den Ferien. Aber ein Pandemie-Ende in 2022 halte er für realistisch. Daran ändere die gerade erst entdeckte neue Mutation in Frankreich wenig.
„Kann mir schwer vorstellen, dass eine Variante Omikron überrennt“
„Ich kann mir im Moment tatsächlich schwer vorstellen, dass wir jetzt eine Variante bekommen, welche die sich sehr schnell ausbreitende Variante Omikron zusätzlich überrennt. Das halte ich für eher unwahrscheinlich.“ Dass aber gerade dort, wo Omikron noch nicht besonders dominant sei, sondern auch Delta vorherrsche, weitere mögliche Varianten auftreten können, das entspreche der Biologie der Mutationen.
Erste Untersuchungen aus Südafrika und Großbritannien verfestigen immer häufiger eine Tendenz: Die Omikron-Variante verursacht sehr viel weniger schwere Krankheitsverläufe. In jedem Fall gibt es bisher keine Daten, die auf schwerere Verläufe als bei Delta hinweisen.
Das bestätigte der Epidemiologe Zeeb: Die gute Nachricht bei Omikron sei, „dass diese Variante ein anderes klinisches Bild zeigt und nach den momentanen Daten einen etwas milderen Verlauf hat als vorherige Varianten“.
Konkrete Informationen zu den Symptomen der Omikron-Infektion liefern die Wissenschaftler der „Zoe Covid Symptoms“-Studie am King’s College London. Nach ersten Daten unterscheiden sie sich zumindest teilweise von denen der Delta-Erkrankung.
- Mehr dazu lesen Sie hier: Habe ich mich mit Omikron angesteckt? Zwei Symptome könnten darauf hinweisen
Immer weniger Personen klagten demnach über die klassischen drei Symptome Fieber, Husten oder Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns.
Als die fünf häufigsten Symptome identifizierten die Forscher:
- eine laufende Nase
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit (leicht oder schwer)
- Niesen
- Halsweh
Quelle: Zoe
- Mehr dazu lesen Sie hier: Großer Symptom-Check: Welche Anzeichen für Omikron, Delta, Grippe oder Erkältung sprechen
Milde Verläufe gefährden Gesundheitssystem nicht
Bleibt es bei solch harmlosen Krankheitszeichen, müssen die meisten Infizierten nicht im Krankenhaus behandelt werden. Stecken sich jedoch viele Menschen gleichzeitig an, steigt das Risiko, dass mehr Menschen schwer krank werden – selbst wenn es sich bestätigt, dass die Verläufe überwiegend milder sind. Wie sich Omikron hier in Deutschland verhält, ist bisher noch nicht abzuschätzen. Florian Klein, Leiter des Instituts für Virologie der Universität zu Köln gab im Gespräch mit der „Welt“ zu bedenken, dass in Großbritannien und Südafrika, woher viele der optimistisch stimmenden Omikron-Daten stammen, die Pandemie viel heftiger verlaufen war als in Deutschland. Sprich, viele Omikron-Infizierte waren von einer anderen Variante Genesene. Auch das könnte die milderen Verläufe erklären.
Ein ähnliches Bild zeigt sich aktuell im Spanien. Dass hier trotz einer Inzidenz von mehr als 1000 die Krankenhauseinweisungen nicht drastisch gestiegen sind, hat vor allem einen Grund: Ein Großteil der Menschen habe eine vorbestehende Immunität, erklärte die Virologin Ulrike Protzer im ARD-„Morgenmagazin“. Dies läge unter anderem an der hohen Impfquote, aber auch an vorherigen schweren Wellen, in denen viele eine natürliche Infektion durchgemacht hätten. Da es in Deutschland weniger Genesene gibt, könnte sich die Lage anders entwickeln.
Michael Weber, Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte zeigte sich hier optimistischer: „Wenn sich die Omikron-Variante auch bei uns so stark durchsetzt wie in Südafrika, Großbritannien oder Dänemark und die Infektionen so überwiegend mild verlaufen wie dort, besteht eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass die Pandemie auch hierzulande zu einer Endemie wird.“ Das bedeute, dass das Virus keine relevante Bedrohung mehr für das Gesundheitssystem darstellt.
Der Blick nach Dänemark und die USA verfestigt die positiven Erwartungen: Die dänische Epidemiologin Tyra Grove Krause, Leiterin des staatlichen „Statens Serum Institut (SSI)“, erklärte dem Fernsehsender TV 2, dass durch Omikron die Pandemie in ihrem Land in nur zwei Monaten vorbei sein könnte. US-Regierungsberater Anthony Fauci ist ähnlich zuversichtlich und erwartet den Peak der aktuellen Welle Ende Januar.
Die Zahl der Krankenhausaufenthalte in Dänemark aufgrund der Omikron-Variante ist laut einer Studie von Krauses Instituts nur halb so hoch sei wie bei der Delta-Variante. Fauci betonte ebenfalls, dass die Sterbe- und Hospitalisierungsrate in den USA in den vergangenen Wochen deutlich niedriger gewesen sei als bei früheren Corona-Wellen.
In jedem Fall sprechen die Beispiele dafür, dass eine hohe Impfquote die Omikron-Welle abmildern kann. Selbst wenn die Impfstoffe noch nicht angepasst sind, schützen sie gut vor einem schweren Verlauf – vor allem ab 14 Tagen nach der Impfung. Das heißt, auch jetzt lohnt sich eine Erstimpfung noch, gerade angesichts der andauernden Wintersaison. Denn erst mit der Zeit nimmt die Schutzwirkung wieder ab.
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Stabile Immunantwort bleibt nach Omikron-Infektion
Was die Immunreaktion auf Omikron angeht, lieferte Alex Sigal vom Africa Health Research Institute in Durban, Südafrika, und dem Max-Plank-Institut für Infektionsbiologie, Berlin, gemeinsam mit Kollegen in einem Preprint erst kürzlich spannende immunologische Daten zur Omikron-Variante. Sie sind demnach noch nicht von unabhängigen Fachkollegen begutachtet. Die Wissenschaftler untersuchten Blutproben von Geimpften und Ungeimpften aus Südafrika nach einer Omikron-Infektion. Ihren Fokus legten sie im Labor darauf, wie gut die Abwehrzellen Delta beziehungsweise Omikron neutralisieren.
„Die neutralisierende Aktivität gegen Omikron stieg um das 14-Fache an, was auf eine sich entwickelnde Antikörperreaktion gegen die Variante hinweist“, berichten Sigal und Kollegen. Wichtig sei auch, dass die Neutralisierung des Delta-Virus ebenfalls um im Mittel das 4,4-Fache zunahm. Wer also eine Omikron-Infektion durchgemacht hat, könnte auch vor Delta besser geschützt sein. Das ist insofern relevant, als in Deutschland momentan beide Varianten kursieren.
„Wichtige Daten aus Südafrika (…): Infektion mit der Omikron-Variante verstärkt (=boostert) neutralisierende Antikörper gegen Omikron & Delta“, urteilte der Immunologe Leif Erik Sander auf Twitter. „D.h. die Immunantwort verbreitert und verbessert sich gegen verschiedene Varianten.“ Sander ergänzte: „Geimpfte entwickeln nach Omikron-Durchbruchinfektion sehr gute Immunität gegen Omikron UND Delta, während Ungeimpfte nach Omikron-Infektion schlechte Immunität gegen Delta aufwiesen.“
Auch unter diesem Gesichtspunkt könnte Omikron also helfen, die Pandemie zu beenden – im Sinne eines Gemeinschaftsschutzes.
Ein Ende der Mutationen und der Pandemie ist absehbar
Dass Viren sich verändern, mutieren, ist normal. Die Impfstoffe sollen nun an die Omikron-Variante angepasst werden. Viele haben Bedenken, dass das nun endlos weitergeht mit Mutation, Impfung, neue Mutation, neue Impfung. Doch Experten sehen hier Grenzen. „Das Virus kann sich nicht beliebig verändern, weil es mit dem Spike-Protein ja immer noch an unsere Zellen andocken muss“, erläuterte der Immunologe Carsten Watzl bereits Ende November in den „Tagesthemen“.
Der Rezeptor, an den das Virus im menschlichen Körper andockt, um ihn zu infizieren, verändert sich nicht. „Das heißt, da hat das Virus nur einen bestimmten Spielraum.“ Irgendwann werde sich das Spike-Protein dann so verändert oder verbessert haben, dass das Maximale erreicht sei. Ob das schon bei Omikron der Fall sein werde oder nicht, werde sicherlich erst die Zukunft zeigen.
Die aktuell entdeckte Mutante in Frankreich beweist: Corona ist immer wieder für Überraschungen gut. Wie gut nun diese Variante optimiert ist und ob sie vielleicht noch mehr Potenzial als Wegbereiter der Endemie hat, beobachten Experten gespannt.
Omikron als „Glücksfall in dieser Pandemie“?
In die Zukunft begleitet uns Omikron jetzt. Die Virologin Isabella Eckerle von der Universität Genf hatte kürzlich auf Twitter geschrieben, Omikron könne „unsere Exit-Welle & das ‚Ticket‘ in die endemische Situation“ werden. Der Preis, den wir dafür bezahlen, wird gerade ausgehandelt. Wie viele Menschen schützen sich durch eine Impfung? Wie viele trifft es weitgehend ungeschützt?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist überzeugt, dass die akute Phase der Pandemie längst vorbei sein könnte – wenn die reichen Länder nicht Impfstoff gehortet und damit die Versorgung vieler ärmerer Länder verhindert hätten. „Wenn wir 40 Prozent Impfung in allen Ländern erreichen, haben wir die akute Phase der Pandemie praktisch beendet“, sagte Bruce Aylward, Epidemiologe und Corona-Experte im WHO-Führungsteam in Genf. Das bis Ende 2021 angestrebte 40-Prozent-Ziel verfehlen aber Dutzende Länder.
Einigermaßen optimistisch äußerte sich Epidemiologe Zeeb im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Omikron könnte vielleicht zum Glücksfall in dieser Pandemie werden. Tatsächlich sei es so, „dass von den Viren, die wir bisher hatten, wir bei Omikron in der Situation sind, dass wir relativ milde klinische Situationen beobachten bei hoher Infektiosität“. Das seien typischerweise Merkmale für ein Virus, mit dem wir gut leben können als Menschen. Und ergänzte: „Wir haben sonst auch viel mit Viren zu tun, die in etwa derart agieren, dass sie uns nicht in großem Stil krank machen. Wenn sich Omikron da einreiht, wäre das nicht das Schlechteste.“
Auch der Virologe Christian Drosten bescheinigte der aktuellen Mutante: Omikron habe das Zeug, zum ersten „postpandemischen Virus“ zu werden.
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