Verkürzte Quarantäne für Geboosterte – was dafür spricht und was dagegen
Angesichts steigender Infektionszahlen sei es zwingend notwendig, die Strategie im Kampf gegen Corona neu abzustimmen. Am Freitag werde es beim erneuten Zusammenkommen von Bund und Ländern "auf jeden Fall neue Beschlüsse geben", sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einem Interview mit RTL am Sonntagabend (der stern berichtete).
Mit auf dem Verhandlungstisch: eine verkürzte oder gar gänzlich entfallende Quarantänezeit für Geboosterte. Was spricht trotz oder gerade wegen der sich rasend schnell ausbreitenden Omikron-Variante dafür, was dagegen?
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Schutz der kritischen Infrastruktur
Dass Experten aufgrund der hochansteckenden Omikron-Variante von explodierenden Fallzahlen ausgehen, könnte insbesondere für die sogenannte kritische Infrastruktur zu einem ernsten Problem werden. Darunter fallen laut Bund alle Organisationen und Einrichtungen, die von entscheidender Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen sind. Sollten hier zahlreiche Beschäftigte aufgrund einer Quarantäne nicht arbeiten können, könnte dies schwerwiegende Folgen haben. Zwar bereiteten sich diese Bereiche auf den Ernstfall vor (der stern berichtete) – gänzlich auszuschließen ist ein Kollaps jedoch nicht.
Um diesen kritischen Punkt gar nicht erst zu erreichen, könnten Quarantäne-Ausnahmen für Dreifach-Geimpfte in der kritischen Infrastruktur beschlossen werden. Dafür hat sich unter anderem der Deutsche Städte- und Gemeindebund ausgesprochen. Infizierte Geboosterte ohne Krankheitssymptome, so Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg, sollten nicht in Isolation müssen. Die Entscheidung darüber, ob eine solche Ausnahme Anwendung findet, solle stets individuell und vor Ort entschieden werden. Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte kürzlich eine Befreiung von der Quarantäne für geboosterte Kontaktpersonen zum Schutz der kritischen Infrastruktur ins Gespräch gebracht.
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Andere Länder haben Quarantäne gekürzt
Großbritannien und die USA haben bereits die Quarantäne-Dauer für Infizierte ohne Symptome verkürzt, um akutem Personalmangel in Bereichen vorzubeugen, die für die Grundversorgung und Sicherheit nötig sind. Dabei haben beide Länder mit einer noch geringeren Impfquote (70,5 und 62 Prozent) zu kämpfen als Deutschland. Zudem ist Omikron sowohl in den USA als auch in Großbritannien bereits dominierende Form des Virus.
In den USA müssen sich Menschen, die zwar positiv auf Corona getestet wurden, aber keine Symptome aufweisen, künftig nur noch fünf Tage isolieren und anschließend fünf weitere Tage konsequent Maske tragen, wie die Seuchenschutzbehörde CDC Ende Dezember mitteilte. Die Begründung: Infizierte seien nach aktuellem Wissensstand in den Tagen kurz vor und kurz nach Auftreten der ersten Symptome am ansteckendsten.
Spanien und Portugal verkürzten die Quarantäne-Dauer für symptomlose Infizierte von zehn auf sieben Tage. Hier sind allerdings bereits deutlich mehr Menschen vollständig gegen Corona geschützt als in Deutschland: 21 Prozent der Deutschen, die sich impfen lassen könnten, haben es Stand Montag bisher nicht getan. Nur ist der Staat verpflichtet, die Gesundheit all seiner Bürger zu schützen – auch die der Impfverweigerer. Zwar haben laut Gesundheitsministerium bereits 32,3 Millionen Deutsche eine Auffrischungsimpfung erhalten und sind somit auch weniger ansteckend. Das wiederum macht jedoch nicht das Problem wett, dass mehr als 17 Millionen Deutsche nicht geschützt sind und es sich bei einem Großteil der täglichen Neu-Impfungen "nur" um Auffrischungen handelt.
Grünen-Gesundheitsexperte bleibt kritisch
Da man aber davon ausgehen muss, dass die Omikron alsbald auch in Deutschland dominant sein wird und kein hinreichendes Studienmaterial zur Infektiosität der Variante vorliegt, bleibt es fraglich, ob eine verkürzte Quarantäne zum jetzigen Zeitpunkt zu verantworten ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Gefahr, die von der Omikron-Variante ausgeht, weiterhin als "sehr hoch" ein, wie die Organisation in ihrem letzten wöchentlichen Lagebericht mitteilte. Die WHO hatte laut "Deutschlandfunk" allerdings Verständnis für die Verkürzung der Quarantäne-Dauer gezeigt. Es sei ein Kompromiss zwischen der Kontrolle des Infektionsgeschehens und wirtschaftlichen Überlegungen, habe ein Sprecher erklärt.
Anders als bei anderen Mutationen des Coronavirus rät auch das Robert-Koch-Institut bei einer Ansteckung mit der Omikron-Variante zur Isolation – und zwar "auch für vollständig geimpfte und genesene Kontaktpersonen". Das RKI will vor dem Bund-Länder-Treffen eine Empfehlung zur möglichen Quarantäne-Verkürzung abgeben. Vor allem für den Fall, dass Belastbarkeitsgrenzen erreicht werden, könnten bei den Quarantäneregeln verkürzte Zeiten erforderlich werden, sagte der Sprecher.
Eine generelle Verkürzung der Quarantäne-Zeit für Geboosterte sieht Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen, kritisch. "Die Krankenschwester, die dann infiziert den Schlaganfall- oder Herzinfarktpatienten anstecken könnte, durch eine verkürzte Quarantäne zu einem Risiko für die Ausbreitung dieser Omikron-Welle zu machen, das halte ich im Moment noch nicht für einen richtigen Weg", sagte Dahmen am Montag in der Sendung "Frühstart" von RTL/ntv. In bestimmten Bereichen der kritischen Infrastruktur sei die Ausnahmeregelung allerdings denkbar – vor allem dort, wo hochspezialisierte Fähigkeiten benötigt, aber wenig Kontakte zu anderen vorhanden sei (zum Beispiel in Wasserwerken).
Quellen: Mitteilung CDC; "Tagesschau"; Wöchentliches Update WHO; mit AFP und DPA
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