Kommt mit dem neuen Jahr der Impfstoff-Mangel?
Von einem „fatalen Signal“ spricht der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Andreas Gassen angesichts der überraschenden Botschaft von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass für das erste Quartal 2022 in Deutschland mit einem Impfstoffmangel zu rechnen ist. Die Union wirft Lauterbach hingegen „ein politisches Manöver“ vor.
„Wir haben in Deutschland gerade Rekordtempo beim Impfen in den Praxen erreicht. Diese Nachricht, dass wir einen Impfstoffmangel haben, ist ein fatales Signal an alle, die gerade mit vollem Einsatz diese Pandemie bekämpfen. Wir brauchen Transparenz und vor allem ganz schnell genügend Impfstoffe. Es kann nicht sein, dass die wöchentliche Impfstoffauslieferung ein Glücksspiel ist, bei dem die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen nie wissen, ob sie das erhalten, was sie auch bestellt haben. Es darf doch nicht wahr sein, dass im Land der Impfstoffentwicklung zu wenig Impfstoff gekauft wurde“, so äußert sich am heutigen Mittwoch der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, in einer Pressemitteilung zur Feststellung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, (SPD), ab 2022 drohe ein Impfstoffmangel.
Zu diesem Ergebnis ist Lauterbach durch eine Corona-Impfstoffinventur gekommen. Diese habe für das erste Quartal 2022 einen Mangel ergeben. Dies habe viele überrascht. „Mich auch“, sagte Lauterbach am Dienstagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Er arbeitet nach eigenen Worten bereits daran, den Mangel zu beseitigen. „Ich hoffe, dass ich da in den nächsten Tagen eine positive Botschaft übermitteln kann.“ Bemühungen liefen über alle Kanäle, auch direkt zu Unternehmen, es müsse alles EU-konform sein. „Wir müssen hier Geschwindigkeit gewinnen“, sagte Lauterbach.
Ein Versäumnis des Vorgängers Jens Spahn?
Auf die Frage im ZDF-„heute journal“, ob der Mangel auf ein Versäumnis des Lauterbach-Vorgängers Jens Spahn (CDU) zurückzuführen sei, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), es sei jetzt nicht die Frage, wo was bestellt worden sei. „Sondern die Frage ist, wie können wir noch mehr beschaffen.“
Währenddessen wirft die Union Lauterbach „ein politisches Manöver“ vor. Man wolle so die SPD von der Großen Koalition absetzen, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Tino Sorge (CDU), am Mittwoch in einem Schreiben an seine Fraktionskollegen. Dies verunsichere die Bürger in einer ohnehin schon politisch angespannten Lage zusätzlich und ohne Not.
„Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen“
„Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen – obwohl er weiß, dass es gar nicht brennt“, erklärt Sorge. Mit den Lieferungen für Dezember stehe genug Impfstoff zur Verfügung, „um den 34 Millionen geimpften Erwachsenen, für die eine Booster-Impfung noch aussteht, kurzfristig ein entsprechendes Angebot machen zu können“. Dies gelte auch unabhängig davon, wie viel Impfstoff im ersten Quartal 2022 geliefert werde – nach aktuellem Stand seien dies bereits mehr als 16 Millionen Dosen von Biontech und Moderna pro Monat. Dies sei auch genug, um bei gut 12 Millionen umgeimpften Erwachsenen Erst- und Zweitimpfungen machen zu können.
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Die Regierung treibt in der Pandemiebekämpfung als zentralen Baustein eine große Impfkampagne voran. Dies liegt neben der massiven vierten Welle auch an der sich ausbreitenden, hochinfektiösen Omikron-Variante. Lauterbach hatte nach seinem Amtsantritt angekündigt, sich einen Überblick über die vorrätigen Impfstoffmengen zu verschaffen.
Ein Wegfall von Extra-Tests für Dreifach-Geimpfte bei Zugangsregeln nach dem Modell 2G plus soll für zusätzliche Impfanreize sorgen. Auf diese Maßnahme hatten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am gestrigen Dienstagabend verständigt. Die Erleichterungen sollen aber spätestens nach zwei Monaten überprüft werden, wie der GMK-Vorsitzende Holetschek nach den Beratungen sagte. In medizinischen und Pflege-Einrichtungen soll zum Schutz der dort besonders verwundbaren Menschen weiter auch von Geboosterten ein Test verlangt werden.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte dies. „So kann das Virus gestoppt werden, bevor es unbemerkt in die Einrichtung kommt“, sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Nur leider übernähmen die Gesundheitsminister nicht die Verantwortung für die Organisation vor Ort. So laufe es wie im vergangenen Jahr. „Niemand da, der es macht“, kritisierte Brysch. An Test-Erleichterungen für dreifach Geimpfte war zuvor Kritik laut geworden. Manche Experten hielten diesen Schritt für verfrüht. Lauterbach rechtfertigte ihn jedoch. „Der Verzicht auf die Testung von Geboosterten macht epidemiologisch Sinn“, sagte er noch vor der Bund-Länder-Runde der Gesundheitsminister. Mit einer Auffrischimpfung habe man nur noch ein geringes Risiko, sich zu infizieren – und ein noch geringeres, dass man für andere ansteckend sei.
Konkret geht es um Corona-Regeln nach dem Modell 2G plus – also wenn bei Zugang nur für Geimpfte und Genesene (2G) zusätzlich ein Test verlangt wird. 2G gilt nach den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen etwa für Gaststätten, Freizeit- und Kultureinrichtungen; ergänzend können auch noch 2G-plus-Vorgaben dazu kommen. Holetschek erläuterte, dass eine Befreiung 15 Tage nach der Booster-Impfung greifen könne.
Nicht auf Hoffnung setzen
Wissenschaftlerinnen: Omikron ist nicht mehr zu stoppen
Lauterbach sagte in der ARD, wenn Omikron in Deutschland Fuß fassen würde, müsse man an den Beschluss erneut heran. Daher sei er auf zwei Monate begrenzt. Für die jetzige Delta-Welle gebe es nun aber mehr Anreize für Booster-Impfungen – und die seien das wichtigste Instrument, eine Omikron-Welle zu bekämpfen. Die verstärkende dritte Spritze soll in der Regel fünf bis sechs Monate nach einer vollständigen Grundimmunisierung gegeben werden.
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