Immer mehr Geimpfte in Kliniken: Was Israels Impf-Paradoxon für uns bedeutet
Wie gut wirkt die Impfung gegen das Coronavirus? Und wie lange hält der Schutz? Dazu gibt es neue Zahlen aus Israel. Sie zeigen: Biontech schützt sehr gut vor schwerer Erkrankung. Gleichzeitig weisen sie auf ein Problem hin, das auch Deutschland hat.
Beinahe gleich viele Neuinfizierte melden Israel und Deutschland: Beide Länder haben eben die 10.000er-Marke an Corona-Fällen an einem Tag geknackt – allerdings hat Israel 9,4 Millionen Einwohner, Deutschland 83 Millionen. Das allein zeigt: Corona-Vergleiche zwischen den Ländern sind schwierig. Sehr unterschiedlich sind die geographischen, politischen, sozioökonomischen oder demographischen Strukturen. Dennoch schauen die Menschen immer wieder gern in den Nahen Osten und was er über die Corona-Zukunft verheißen könnte.
Etwa 60 Prozent der Bevölkerung sind in Israel vollständig geimpft – je nachdem, welche Datenquelle man betrachtet. Knapp 59 Prozent der Bevölkerung sind es laut Ministerium bisher. Gut 63 Prozent weist das Portal „Ourworldindata“ Ende August aus.
Jeffrey Morris, Professor für Biostatistik an der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania, kommt sogar auf 80 Prozent – bezogen auf die Israelis älter als zwölf Jahre. In einem ausführlichen Blog-Beitrag dröselte Morris Israels Impf-Paradoxon auf. Denn dass im einstigen Impfvorzeigeland zwei Drittel der Corona-Patienten geimpft sind, beschäftigt viele.
Schon für 30-Jährige: Israel gibt Gas bei Drittimpfungen
Ein Großteil der Israelis gilt als „impffreundlich“. Bereitwillig krempelten sie also ganz wie der damalige Präsident Benjamin Netanjahu die Ärmel hoch. Der Titel Impf-Weltmeister war schnell erreicht. Nun zündet das Land auch bei den Auffrischungsimpfungen den Turbo. Seit Ende Juli verabreicht das Land, als erstes weltweit, dritte Impfungen gegen das Coronavirus. Aktuell sind bereits knapp 19 Prozent dreifach geimpft.
Israel vergibt nun schon an Menschen ab 30 Jahren eine dritte Dosis, um eine Zunahme von Corona-Neuinfektionen zu stoppen. Mehrere Expertenteams hätten eine Empfehlung zur Ausweitung der Impfkampagne gegeben, teilte das Gesundheitsministerium mit. Entscheidend ist dabei, dass die zweite Impfung mindestens fünf Monate zurückliegt.
Hintergrund der Entscheidung für eine dritte Impfung sind Zahlen des Gesundheitsministeriums, wonach die Effektivität der Biontech/Pfizer-Impfung seit Anfang Juni stark nachgelassen hat. Gleichzeitig verbreitete sich die Delta-Variante, die als besonders ansteckend gilt. Doch genau an diesen Punkten gilt es genau hinzusehen.
Impfung schützt auch nach Monaten noch
Diese Information zur nachlassenden Schutzwirkung hat begonnen, sich in den Köpfen zu verfestigen. Immer wieder kursierten Studiendaten, die das belegen sollen. Häufig allerdings waren die Untersuchungen noch vorläufig oder methodisch nicht einwandfrei.
- Lesen Sie dazu mehr: Wirkt Biontech schlechter gegen Delta-Variante? Das Problem mit den Daten aus Israel
Wichtige Neuigkeiten dazu, wie gut und wie lange die Biontech-Impfung vor Corona schützt, liefert nun eine Studie. Bisher handelt es sich zwar auch um ein Preprint, das also noch nicht von Fachkollegen begutachtet wurde. Aber Experten wie der Charité-Immunologe Leif Sander bewerten die Analyse als „sehr aufschlussreich“.
Sein Kollege Carsten Watzl illustriert zentrale Ergebnisse auf Twitter: „Wir hören ja immer wieder, dass der Impfschutz über die Zeit nachlässt“, schreibt der Immunologe. „Ja, der Schutz lässt etwas nach, aber Schutz vor schwerer Erkrankung ist immer noch >86%.“
Sander unterstreicht: „Wichtig sind v.a. die Daten zu schweren Erkrankungen. Hier bleibt der Schutz sehr hoch (!), aber lässt auch bei den Ältesten & zuerst Geimpften etwas nach.“
Was Israels Impf-Paradoxon für Deutschland bedeutet
67,7 Prozent Schutz liegen dennoch unter den 95 Prozent aus den Studiendaten von Biontech. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Impfung so viel schlechter wirkt oder so viel weniger gegen Delta ankommt. Das wäre eine Falschinterpretation der Zahl. Vielmehr sei es wichtig, den Faktor Alter in Bezug auf Impfstatus und Erkrankungsrisiko zu berücksichtigen, erklärt Biostatistiker Morris.
Unter älteren Menschen ist die Impfquote höher als unter jüngeren. Gleichzeitig haben sie ein sehr viel höheres Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf. Genau dieser Zusammenhang führt zu dem Paradox, dass sich aufgedröselt nach Altersgruppen jeweils eine höhere Effektivität des Schutzes vor schwerem Verlauf ergibt:
Vor allem ältere Menschen – wie einige Risikogruppen – bleiben gefährdeter als junge. Es liegt demnach auch an den Jüngeren durch eine hohe Impfquote sowohl sich selbst als auch die gesamte Gesellschaft zu schützen.
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