Die Signale der Bakterien
Auch Bakterien verständigen sich untereinander – im Verbund steigt die Chance, den Wirt erfolgreich zu attackieren. Könnten künftig also nicht nur Antibiotika zur Bekämpfung von Bakterien eingesetzt werden, sondern Substanzen, die einfach die Absprachen der Bakterien untereinander stören? Für die Erforschung der Signale von Bakterien gab es nun den Paul-Ehrlich-Preis.
Bakterien verständigen sich über Signale. Für ihre Arbeit zu diesem Thema erhalten die beiden amerikanischen Mikrobiologen Bonnie L. Bassler und Michael R. Silverman in diesem Jahr den mit 120.000 Euro dotierten Paul-Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis. Die Arbeit von Bassler und Silverman könnte helfen, Antibiotika zu vermeiden, wie die Paul-Ehrlich-Stiftung am Mittwoch in Frankfurt am Main berichtete.
Kommunikationsstörer statt Antibiotika
Die beiden haben gezeigt, „dass kollektives Verhalten nicht nur die Regel unter vielzelligen Organismen ist, sondern auch unter Bakterien“, wie es in der Begründung der Jury heißt. Die Kommunikation zwischen Bakterien sei „eine Achillesferse“, die neue Ansätze liefere, Mikroben zu bekämpfen: „Statt Bakterien mit Antibiotika zu töten, können nun Substanzen entwickelt werden, die die bakterielle Kommunikation unterbinden. Die Forschung der Preisträger hat damit eine erhebliche Relevanz für die Medizin.“
Quorum Sensing
Silverman und Bassler haben herausgefunden, dass Bakterien Signale senden und empfangen, die Mikroorganismen wollen wissen, ob sie allein oder mit vielen Artgenossen vor Ort sind. Für diese Kommunikation wurde der Begriff „Quorum Sensing“ geprägt. Um die Zahl an Bakterien zu messen, analysieren sie bestimmte Sprachmoleküle. Überschreitet die Konzentration einen bestimmten Schwellenwert, setzt ein gruppenspezifisches Verhalten ein.
Silverman hatte das Phänomen erstmals in den 1980er Jahren bei Zwergtintenfischen entdeckt, die nachts blau-grün leuchten – dank eines Bakteriums. Bassler entdeckte Anfang der 1990er Jahre, dass es noch andere Sprachmoleküle gibt. Sie informieren die Bakterien, ob auch andere Arten vor Ort sind und wer in der Überzahl ist. Bakterien sind also nicht nur äußerst kommunikativ, so der Stiftungsrat, sie beherrschen sogar mehrere Sprachen.
Ganz neue Ansätze in der Antibioka-Forschung
Die Bedeutung dieser Erkenntnisse sei „erst kürzlich in ihrer ganzen Tragweite erkannt worden“, sagte der Vorsitzende des Stiftungsrats, Prof. Thomas Boehm (Freiburg). Inzwischen sei bekannt, dass alle Bakterien auf diese Weise kommunizieren. „Das hat nicht nur zu einem fundamentalen Perspektivenwechsel in der Bakteriologie geführt, sondern ebenso zu gänzlich neuen Ansätzen in der Antibiotika-Forschung.“
Preisverleihung erst 2022
Wegen der Corona-Pandemie wird die Preisverleihung erst am 14. März 2022 stattfinden – zusammen mit der Ehrung der Preisträger des nächsten Jahres. Bassler (53) lehrt an der Princeton University und dem Howard Hughes Medical Institute (New Jersey), Silverman (77) arbeitete vor seiner Emeritierung am Agouron Institute in La Jolla (Kalifornien).
Nachwuchspreis für Organentwicklung
Der mit 60.000 Euro dotierte Nachwuchspreis geht an die Bonner Entwicklungsbiologin Elvira Mass. Die 34-Jährige ist Professorin am „Life and Medical Sciences“ Institut der Universität Bonn. Sie hat sich mit der Frage beschäftigt, wie sich Organe entwickeln und was sie gesund erhält. Die Weichen dafür werden schon im frühen Embryo gestellt, wie die Preisträgerin „in einer Reihe eleganter Experimente“ gezeigt habe, so die Jury.
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