Arznei-Telegramm kritisiert Kijimea Reizdarm Pro – und erntet Anwaltsschreiben vom Hersteller
„Vorsicht Desinformation“, warnt das Arznei-Telegramm vor Kijimea Reizdarm Pro. Die massive Werbung bewertet es als „irreführend“, sie schaffe unrealistische Erwartungen, auch klinische relevante Vorteile gegenüber Placebo blieben fraglich. Wie kommt das Arznei-Telegramm zu dieser Einschätzung? Synformulas scheint indes mit den Ergebnissen der Arznei-Telegramm-Recherche nicht zufrieden – der Hersteller beauftragte eine Rechtsanwaltskanzlei.
„Oft Durchfall, Bauschmerzen, Blähungen – das volle Programm. Aber dann hat mir mein Arzt das neue Kijimea® empfohlen. Meine Darmbeschwerden sind wie weg“, wirbt Synformulas für sein Kijimea® Reizdarm Pro sehr präsent im TV. Kijimea® Reizdarm Pro sei die „intelligente Weiterentwicklung“ von Kijimea® Reizdarm – und sei „40 Prozent wirksamer“ (bezogen auf die Ansprechrate). Belegt sieht Syformulas seine Aussagen unter anderem durch eine Studie [„Heat-inactivated Bifidobacterium bifidum MIMBb75 (SYN-HI-001) in the treatment of irritable bowel syndrome: a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled clinical trial“], die der Hersteller selbst finanziert hat und die in „The Lancet Gastroenterology & Hepatology“ im April 2020 veröffentlicht wurde. Zur Erklärung: Kijimea® Reizdarm Pro enthält den hitzeinaktivierten Bakterienstamm Bifidobacterium bifidum HI-MIMBb75, das Präparat ist nicht als Arzneimittel zugelassen, es ist als Medizinprodukt im Verkehr.
Was ist dran an den Werbeversprechen von Kijimea Reizdarm Pro? Dieser Frage ging das Arznei-Telegramm nach.
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Zunächst zur Studie: In der im „The Lancet“ veröffentlichten Arbeit wurden 443 Patienten mit Reizdarmsyndrom (IBS, Irritable Bowel Syndrome) per Zufall auf zwei Gruppen verteilt: 222 Patienten erhielten über acht Wochen Placebo, 221 Patienten nahmen einmal täglich 1 x 109 hitzeinaktivierte Bifidobakerien (entspricht zwei Kapseln Kijimea® Reizdarm Pro). Teilnehmen durften Patienten, die nach den ROM-III-Kriterien (siehe Infobox) mit Reizdarm diagnostiziert sind und während der zweiwöchigen Einleitungsphase (Run-in-Phase) der Studie an mindestens zwei Tagen an Bauschmerzen litten. Die Studie lief doppelblind, weder Patienten noch Versuchsleiter wussten, welcher Patient Placebo und welcher Bifidobakterien erhielt.
ROM-Kriterien
Nach den ROM-III-Kriterien von 2006 liegt ein Reizdarmsyndrom vor, wenn in den vergangenen drei Monate an mindestens drei Tagen im Monat abdominelle Schmerzen bestehen, die mindestens zwei der nachfolgenden Bedingungen erfüllen:
- Sie bessern sich durch Defäkation,
- sie beginnen in Zusammenhang mit einer veränderten Stuhlform,
- sie beginnen in Zusammenhang mit einer veränderten Stuhlfrequenz.
Bereits 2016 wurden die ROM-III-Kriterien durch die ROM-IV-Kriterien abgelöst. Laut Pschyrembel sind diagnostische Kriterien des RDS:
- wiederholte Bauchschmerzen mit mindestens zwei der folgenden Kriterien assoziiert im Zusammenhang mit der Stuhlentleerung
- Änderung der Stuhlfrequenz
- Änderung der Stuhlkonsistenz
- Beschwerden an mindestens einem Tag/Woche in den letzten drei Monaten
- Beginn der Beschwerden vor mehr als sechs Monaten.
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