25 Mediziner und Forscher aus Schweden appellieren an USA: "Geht nicht den schwedischen Weg"
Welcher Weg in der Corona-Pandemie ist der richtige beziehungsweise wäre der richtige gewesen? Diese Frage stellen sich viele Menschen. Zwischen hartem Lockdown und lockereren Maßnahmen wurde vieles diskutiert. Immer wieder für Aufsehen sorgte das skandinavische Land Schweden. Der Staat hatte einen laxeren Kurs im Kampf gegen Corona eingeschlagen. So waren Geschäfte und Gastronomie unter Auflagen geöffnet, eine Maskenpflicht gibt es nach wie vor nicht. Dennoch sind durch die Restriktionen einige Bereiche betroffen, da es Versammlungsverbote ab 50 Personen gibt.
Schweden hat im Vergleich zu seinen Nachbarländern sehr hohe Infektions- und Todeszahlen. Aktuell sind 78.763 Infektionen und 5.676 Tote durch Covid-19 gemeldet worden. Doch die Zahlen gehen seit kurzer Zeit zurück, das Infektionsgeschehen entspannt sich.
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Schwedens Weg werde in den USA als liberal empfunden
Nun haben 25 Medizinerinnen und Mediziner sowie Forscherinnen und Forscher einen Appell an das von der Corona-Pandemie am härtesten getroffenen Land der Welt gerichtet – die USA. In der „USA Today“ wurde der Text der Wissenschaftler und Mediziner, darunter Epidemiologen und Virologen, mit dem Titel „Schweden hoffte, dass die Herdenimmunität Covid-19 eindämmen würde. Tut nicht, was wir getan haben. Es funktioniert nicht“ veröffentlicht.
Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Dr. Leif Bjermer, Professor für Atemwegsmedizin und Allergologie an der Universität Lund, Dr. Lena Einhorn, Virologin und Dr. Bo Lundbäck, Professor für Epidemiologie von Atemwegserkrankungen an der Universität Göteborg.
Über die laxeren Anti-Corona-Maßnahmen schreiben die Autoren: „Dieser Ansatz wurde als liberaler empfunden und hat sich auf Schildern und in Sprüchen mit ‚Be Like Sweden‘ bei US-Protesten gezeigt. Überall dort, wo die Maßnahmen nachsichtig waren, haben die Sterblichkeitsraten ihren Höhepunkt erreicht. In den Vereinigten Staaten leiden Gebiete, die frühzeitig den Lockdown aufheben , und wir sehen dies auch in anderen Ländern.“
Verfasser sehen Herdenimmunität hinter Strategie
Die Motive für den lockeren Ansatz der schwedischen Gesundheitsbehörde seien rätselhaft. Andere Länder, die diese Strategie ursprünglich anwendeten, hätten sie schnell wieder aufgegeben, als die Zahl der Todesopfer zu steigen begann. Stattdessen hätten sie sich für Lockdowns entschieden – wenn auch verzögert. „Aber Schweden ist seinem Ansatz treu geblieben.“
Für die Verfasser ist auch der Grund klar: „Die Erlangung der Herdenimmunität, bei der ein großer Teil der Bevölkerung (vorzugsweise Jüngere) infiziert wird und dadurch Immunität entwickelt, war kein offizielles Ziel der schwedischen Gesundheitsbehörde. Aber sie hat gesagt, dass Immunität in der Bevölkerung helfen könnte, die Ausbreitung der Krankheit zu unterdrücken, und einige Aussagen der Behörde legen nahe, dass dies das geheime Ziel ist.“
Ein Beweis dafür sei, dass die Regierungsbehörde auf einer Schulpflicht für jüngere Kinder bestehe, also Grundschulen nicht geschlossen wurden. Außerdem sei die Bedeutung von Covid-Tests heruntergespielt und die Bedeutung einer asymptomatischen Ausbreitung des Virus nicht anerkannt worden. Das Test-Niveau in Schweden wurde mittlerweile erhöht. Auch die Ablehnung einer Maskenpflicht sei ein Beweis dafür, dass Schweden an der Herdenimmunität arbeite, so die Autoren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe die Herdenimmunität immer wieder als Strategie verurteilt.
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„Schwedische Sterblichkeitsrate beunruhigend“
Wie sich die Strategie Herdenimmunität entwickelt habe? Nicht so gut, sagen die Wissenschaftler. Der Anteil der Schweden, die Antikörper tragen würden, werde auf unter zehn Prozent geschätzt, was bei Weitem nicht einer Herdenimmunität entspreche. In den vergangenen Wochen hatten Experten der schwedischen Gesundheitsbehörde von 20 und gar 40 Prozent Herdenimmunität gesprochen – allerdings nur für die Hauptstadt Stockholm.
„Und doch ist die schwedische Sterblichkeitsrate beunruhigend. In Schweden ist die Zahl der Todesopfer höher als in den USA: 556 Todesfälle pro Million Einwohner gegenüber 425, Stand 20. Juli.“ Laut der Johns-Hopkins-Universität sind in den USA mehr als 3,9 Millionen Corona-Infektionen und mehr als 143.000 Todesfälle registriert worden.
Weiter heißt es: „Es ist möglich, dass die Behörde für öffentliche Gesundheit tatsächlich der Ansicht war, dass der schwedische Ansatz der am besten geeignete und nachhaltigste ist und dass die anderen Länder, von denen viele in den Lockdown gingen, schlechter abschneiden würden. Vielleicht ist dies und nicht die Herdenimmunität der Hauptgrund, warum die Behörden verzweifelt an ihrer Strategie festhalten. Oder vielleicht spielt die Unwilligkeit, frühe Fehler zuzugeben und Verantwortung für Tausende unnötiger Todesfälle zu übernehmen, in diesen Widerstand gegen Veränderungen hinein. Trotzdem ist das Ergebnis zu diesem Zeitpunkt eindeutig.“
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„Haltet durch. Und geht nicht den schwedischen Weg“
Die Verfasser kommen zum Schluss, dass das schwedische Modell verwendet werden könne, aber nicht so, wie es ursprünglich gedacht war. Die Schweden könnten als Kontrollgruppe dienen und die Frage beantworten, wie effizient die freiwilligen Distanzierungs- und Lockerungsmaßnahmen in Schweden im Vergleich zu Lockdowns, massiven Tests, Rückverfolgung und Verwendung von Masken seien.
„In Schweden hat die Strategie zu Tod, Trauer und Leiden geführt, und darüber hinaus gibt es keine Anzeichen dafür, dass es der schwedischen Wirtschaft besser ergegangen ist als der in vielen anderen Ländern. Im Moment haben wir dem Rest der Welt ein Beispiel gegeben, wie man nicht mit einer tödlichen Infektionskrankheit umgeht“, sagen die Forscher. Sie beenden ihren Appell mit den Worten: „Hoffentlich gibt es einen Impfstoff. Haltet bis dahin durch. Und geht nicht den schwedischen Weg.“
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Schon in der Vergangenheit gab es Kritik vonseiten der Wissenschaft in Schweden. So haben mehrere Wissenschaftler und Mediziner im April in der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“ und im Juni in der Zeitung „Expressen“ Kritik in Richtung der Gesundheitsbehörde geäußert. Viele der dortigen Kritiker sind Unterzeichner des Appells in der „USA Today“.
Schweden hat Ende Juni eine Kommission eingerichtet, die das Handeln der schwedischen Behörden in der Corona-Pandemie untersuchen und bewerten soll. Der Bericht soll Anfang nächsten Jahres veröffentlicht werden. Für die Einrichtung der Kommission gab es Lob von der WHO. Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte der Zeitung „Svenska Dagbladet“, dass andere Länder von diesem Schritt lernen könnten.
Quellen: „USA Today“, „Dagens Nyheter“, „Expressen“, „Svenska Dagbladet“, Johns-Hopkins-Universität, Folkhälsomyndigheten
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