Wie verlässlich sind Kalorienangaben auf Lebensmitteln?

Wenn in 100 Gramm Spaghetti 359 Kilokalorien stecken, wie viel darf ich dann davon essen, wenn mein Tagesbedarf bei 2000 Kalorien liegt und ich heute schon 1395 Kalorien gegessen habe?

Addition, Subtraktion, morgens, mittags, abends: Kalorienzählen ist eine mühselige Abnehmmethode. Jede Portion wird abgewogen, jeder Snack akribisch dokumentiert: ein immenser Aufwand, zu dem die Abnehmwilligen nur bereit sind, weil sie der Methode vertrauen – und den Nähwertangaben auf den Lebensmitteln. Doch wie kommen diese Angaben überhaupt zustande?

1. Was genau sind Kalorien?

Kalorien sind eine veraltete, physikalische Maßeinheit für Energie. Heute verwendet man den Begriff meist, um den Energiegehalt von Lebensmitteln zu beziffern. Dieser wird aber eigentlich nicht in Kalorien angegeben, sondern in Kilokalorien (kcal). Eine Kilokalorie (kcal) entspricht 1000 Kalorien. Streng genommen ist die Bezeichung „Kalorien“ also falsch.

Energie kann der menschliche Körper aus drei Nahrungsbestandteilen gewinnen: Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß:

  • Fette liefern etwa 9 Kilokalorien pro Gramm.
  • Kohlenhydrate liefern rund 4 Kilokalorien pro Gramm.
  • Eiweiße liefern ebenfalls etwa 4 Kilokalorien pro Gramm.

Der Kaloriengehalt eines Lebensmittels ist dementsprechend davon abhängig, zu welchen Anteilen es aus welchen Nährstoffen besteht und wie viele unverwertbare Stoffe enthalten sind. Keine Energie kann der Körper beispielsweise aus Wasser und Salz gewinnen, Ballaststoffe sind für den Körper nur zu einem geringen Teil verwertbar. Sie liefern etwa 2 Kilokalorien pro Gramm.

Übrigens: Eine Kilokalorie ist offiziell definiert als die Energiemenge, die benötigt wird, um einen Liter Wasser um ein Grad Celsius zu erwärmen. In der Tat wandelt der Körper die Energie aus der Nahrung in Wärmeenergie um. Daher spricht man auch von „Kalorien verbrennen“ und „Brennwert„.

2. Wie wird der Kaloriengehalt von Lebensmitteln ermittelt?

Laut der Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) hat ein Lebensmittelhersteller drei Möglichkeiten, den Energiegehalt eines Produkts zu bestimmen:

Die gängigste Praxis bei den Herstellern ist die Berechnung. Die großen Firmen haben zum Teil aber auch eigene Labors, in denen sie den Nährstoffgehalt ihrer Produkte analysieren können.

3. Wer stellt sicher, dass die Firmen keine falschen Kalorienangaben auf ihre Produkte schreiben?

In allen Bundesländern gibt es Ämter, die die Sicherheit der Lebensmittel überwachen. Die Lebensmittelkontrolleure prüfen dabei nicht nur, ob die Produkte frei von Verunreinigungen und Schadstoffen sind, sondern auch ob die Nährwerte in korrekter Form gekennzeichnet und die Werte stimmen. Dazu werden Stichproben der Speisen und Getränke im Labor analysiert.

4. Wie aussagekräftig sind Kalorienangaben?

Bei den Kalorienangaben auf der Verpackung handelt es sich um Durchschnittswerte. Der tatsächliche Kaloriengehalt der Lebensmittel ist jedoch nicht immer gleich, sondern natürlichen Schwankungen unterworfen. Zum Beispiel hängt der Zuckergehalt von Früchten auch davon ab, wo sie gewachsen sind, wie die Witterung war und zu welchem Zeitpunkt sie geerntet wurden.

Zudem kann der Körper nicht den gesamten Kaloriengehalt eines Lebensmittels nutzen. Etwa 5 bis 10 Prozent der Kalorien, die man zu sich nimmt, scheidet der Darm wieder aus.

Der auf den Lebensmitteln angegebene Energiegehalt dient also nur als Orientierung. Wie diese Energie dann beim einzelnen Menschen umgesetzt wird, ist von vielen individuellen Faktoren abhängig.

Die genaue Energiemenge, die ein Mensch aus der Nahrung gewinnen kann, hängt zum Beispiel von der Darmflora ab, also von den Bakterien im Darm eines Menschen. Beispielsweise sind einige Bakterienarten besonders gut darin, Ballaststoffe für den Körper nutzbar zu machen. Wer viele dieser Bakterien in sich trägt, ist ein sogenannter guter Futterverwerter, nimmt also generell mehr Kalorien auf der Nahrung auf als Menschen, deren Darm vorwiegend von anderen Bakterienarten besiedelt ist.

Übrigens: Früher dachte man, dass der Körper Ballaststoffe überhaupt nicht verwerten kann. Inzwischen weiß man aber, dass Bakterien im Dickdarm Ballaststoffe zum Teil abbauen können. Die Bakterien zerlegen sie unter anderem zu kurzkettigen Fettsäuren. Somit liefern auch Ballaststoffe dem Körper ein wenig Energie.

5. Warum haben die gleichen Lebensmittel von verschiedenen Herstellern manchmal unterschiedliche Kaloriengehalte?

244 Kilokalorien stecken in 100 Gramm Erdbeermarmelade von Rewe. Rund 20 Kalorien mehr als im Schwartau-Produkt und immerhin 70 Kalorien mehr als im Erdbeer-Aufstrich von Zentis. Dabei bestehen alle drei Produkte aus Erdbeeren, Geliermittel und Zucker. Wie kann es da zu so starken Abweichungen kommen?

Bei Marmelade liegt es oft an der mengenmäßigen Zusammensetzung, vor allem am Fruchtanteil: Je höher der Fruchtanteil und je geringer der Zuckeranteil, umso weniger Kalorien liefert die Marmelade. Denn in Früchten stecken abgesehen vom Fruchtzucker auch kalorienfreie beziehungsweise -arme Bestandteile wie Wasser und Ballaststoffe.

Bei Obst und Gemüse oder Lebensmitteln, die daraus hergestellt werden, spielt oft auch die verwendete Sorte eine Rolle. Elstar-Äpfel sind zum Beispiel deutlich kalorienreicher als Gala-Äpfel.

6. Was bedeuten die Prozentangaben?

Auf manchen Verpackungen findet man zusätzlich zu den Nährwertangaben auch Prozentwerte. Auf einem 50-Gramm-Schokoriegel steht zum Beispiel „12%“, auf Tiefkühlpizza „40%“. Aha, mit der angegebenen Portion dieser Lebensmittel deckt man also 12 beziehungsweise 40 Prozent seines täglichen Kalorienbedarfs … oder?

Der angegebene Prozentwert bezieht sich auf die für eine durchschnittliche erwachsene Frau empfohlene Tageszufuhr, genauer gesagt: auf die vom Verband der Europäischen Lebensmittelindustrie empfohlene Tageszufuhr. Diese liegt bei 2000 Kilokalorien und eignet sich nur bedingt als Richtwert.

Denn der tatsächliche Kalorienbedarf eines Erwachsenen hängt von zahlreichen Faktoren ab, etwa von der Größe, dem Gewicht, der Muskelmasse und den Bewegungsgewohnheiten. Etwa empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) …

  • älteren Frauen, die sich im Alltag kaum bewegen, eine tägliche Kalorienzufuhr von 1700 Kilokalorien und
  • jungen Männern, die viel Sport treiben oder körperlich harte Arbeit verrichten, eine Tageszufuhr von bis zu 3400 Kilokalorien.

Der erhebliche Unterschied zeigt: Auf die Prozentangaben ist im Grunde kein Verlass. Sicherer ist es, den eigenen Kalorienbedarf zu ermitteln und dann selbst auszurechnen, ob der Schokoriegel noch im Rahmen ist oder nicht.

Weitere Informationen

Onmeda-Lesetipps:

  • Gesund abnehmen: Welche Möglichkeiten gibt es?
  • BMI-Rechner: Haben Sie Übergewicht?
  • Welche Diät ist für Sie geeignet?

Quellen:

Online-Informationen des Bundeszentrums für Ernährung (BZfE): www.bzfe.de (Abrufdatum: 12.11.2019)

Online-Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung: www.dge.de (Abrufdatum: 12.11.2019)

Online-Informationen des Max Rubner-Instituts (MRI), Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel: www.mri.bund.de (Abrufdatum: 12.11.2019)

Online-Informationen des Niedersächsisches Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES): www.laves.niedersachsen.de (Abrufdatum: 12.11.2019)

Kennzeichnung von Lebensmitteln. Online-Informationen der Verbraucherzentrale: www.verbraucherzentrale.de (Stand: 22.7.2019)

Email-Korrespondenz mit Bernd Hartmann, Wissenschaftler am Max Rubner-Institut (MRI) am 9. und 10.8.2018

Email-Korrespondenz mit Michaela Bürgelt, Pressereferentin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 9. und 10.8.2018

Email-Korrespondenz mit Pressereferenten der Firmen Danone, Nestlé und Cocacola am 9.8.2018

Telefonat mit Lebensmittelchemiker Dr. Andreas Daxenberger vom Prüfunternehmen Tüv Süd am 9.8.2018

Was sind Kalorien? Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Stand: 10.1.2018)

Biesalski, C.: Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 2017

Bewegung und Energiestoffwechsel. Online-Informationen des öffentlichen Gesundheitsportals Österreichs: www.gesundheit.gv.at (Stand: 21.8.2017)

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