Wenn Langeweile krank macht: Welche Boreout-Symptome Sie nicht ignorieren dürfen

Unterforderung im Job kann Psyche und Körper ähnlich belasten wie Überforderung. Was sind die wirklichen Ursachen für Boreout, wer ist gefährdet und welche Symptome sind typisch? FOCUS Online sprach mit dem Chefarzt einer psychosomatischen Klinik über Symptome und Therapie.

Burnout ist als das Leiden der besonders stark Engagierten und Fleißigen allgemein bekannt und anerkannt. Erschöpfungsdepression nennen Psychotherapeuten diese Krankheit, die durch zu viel Arbeit im Beruf, aber auch etwa durch die Pflege von Angehörigen hervorgerufen werden kann.

Ganz anders ist das jedoch mit dem Boreout-Syndrom, das noch nicht als Krankheit im klassischen Sinne gilt und in die ICD noch nicht aufgenommen ist, und – falls überhaupt – nur sehr wenige Arbeitnehmer betreffen soll.

Betroffene fürchten, als faul zu gelten

Dabei könnte das „zu Tode gelangweilt sein“, Psyche und Gesundheit wesentlich mehr belasten als gemeinhin angenommen und viel mehr Menschen könnten darunter leiden, als bisher bekannt. Denn Unterforderung tritt häufig auf, wie etwa eine Umfrage des Personaldienstleisters Randstat zeigt. Demnach gibt jeder dritte Mitarbeiter, der den Arbeitgeber wechseln möchte, als Grund „zu wenig Herausforderung“ an. Auf Dauer kann Langeweile im Job jedoch zum Boreout führen.

Bert te Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen, beobachtet an seiner Klinik häufiger als früher Patienten mit dieser Form der Depression. Eine Erklärung: Heute ist doch schon etwas mehr bekannt über das Boreout-Syndrom. Trotzdem scheuten es viele Betroffene immer noch, Hilfe zu suchen. Denn krank durch Langeweile im Job empfinden sie als eher peinlich. Wer gelangweilt ist, könnte auch schnell als faul gelten, ganz im Gegensatz zu überarbeitet, was eher als Ritterschlag gewertet wird. „Studien und exakte Zahlen gibt es dazu aber noch nicht“, betont der Privatdozent.

Die Ursachen für Boreout

Es ist also nicht wie beim Burnout die Überarbeitung, sondern „das Problem ist eher, dass die Arbeit nicht erfüllt, keine Freude oder Sinn schenkt, sondern langweilt, etwa weil auch zu wenig Hirn und Herz gefordert wird“, erklärt der Arzt und Psychotherapeut.

Unterforderung ist eine der wichtigsten Ursachen, oder auch ein Mangel an Aufträgen und Aufgaben. Die Betroffenen bekommen deshalb keine Bestätigung aus ihrer beruflichen Tätigkeit, sie können ihre Fähigkeiten nicht genügend einbringen und verwerten, die Arbeit hat für sie keinen Sinn. Sie fühlen sich minderwertig, das Selbstbewusstsein wird immer schwächer.

Die Risikogruppen für Boreout – meist Gutverdiener und gut Ausgebildete

Betroffen sind eher Menschen in fester Anstellung, keine Freiberufler und Selbstständige – letztere sind typische Opfer des Burnouts. Besonders gefährdet für ein Boreout sind hoch ausgebildete Menschen, die in einer großen Institution sitzen mit starren Hierarchien, denen sie sich ausgeliefert fühlen. Oft haben sie wenig Spielraum für Kreativität und Eigenengagement, sind aber privilegiert und nicht selten hochdotiert.

Gerade deshalb fühlen sie sich in der Falle: Die hohe Stellung, das gute Honorar und eine lebenslange Absicherung ermöglichen ihnen und ihrer Familie einen Lebensstandard, der ohne den langweiligen Job nicht zu halten wäre. Dazu kommen häufig noch Kredite, etwa durch einen Immobilienkauf. Deshalb müssen sie gegen ihren Willen in dem ungeliebten, unterfordernden Job verharren. Auf Dauer machen diese psychischen Konflikte krank.

Psychische Symptome eines Boreout

Innere Leere, das Gefühl, sowieso nichts ändern zu können, sich beruflich in einer Sackgasse zu befinden, sind also Leitsymptome dieser „Berufskrankheit“ im weitesten Sinne. „Typisch für ein Boreout ist das Gefühl, in einer Falle zu sitzen, in dieser beruflichen Situation verharren zu müssen, die mich unterfordert und mir sinnlos erscheint, doch die ich aus verschiedenen Gründen nicht ändern kann“, berichtet der Experte aus der Praxis. Freude wird nicht mehr empfunden und diese Freudlosigkeit breitet sich in alle Lebensbereiche aus.

Paradox: Boreout und Burnout haben ähnliche Symptome

Das Leiden drückt sich häufig auch durch Müdigkeit aus. Die Betroffenen berichten dann paradoxerweise häufig als erstes darüber, dass sie durch die Situation am Arbeitsplatz erschöpft seien. Dann liegt zuerst der Verdacht nahe, dass es sich um eine Erschöpfungsdepression handelt, also Burnout.

Doch mit der genaueren Beschreibung der persönlichen Umstände sowie der Arbeitssituation, erkennt der Psychotherapeut dann den Weg in die andere Art der Depression, dem Boreout.

Körperliche Symptome bei Boreout

Auf Dauer können wie für Depressionen typisch zusätzlich vegetative Beschwerden auftreten wie

  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Appetitlosigkeit
  • Libidoverlust

Boreout ist eine ernsthafte Krankheit der Psyche

Als harmlos darf diese psychische Erkrankung nicht abgetan werden. „Letztendlich kann der völlige Sinnverlust sogar im Extremfall bis zu einer Lebensmüdigkeit führen,“ warnt Bert te Wildt. Wann sollte man deshalb zum Arzt oder gleich zu einem Psychotherapeuten gehen?

„Wenn man über mehrere Wochen depressiver Stimmung ist, die Freude an Dingen verloren hat, die früher Freude bereitet haben, vor allem jedoch, wenn man sich bei lebensmüden Gedanken ertappt, sollte man professionelle Hilfe suchen, denn wie andere Formen der Depression ist auch ein Boreout gut behandelbar“, erklärt der Klinikchef.

Therapie bei Boreout

Manchmal ist eine stationäre Behandlung von sechs bis acht Wochen sinnvoll, meist kann jedoch eine ambulante Psychotherapie die psychosomatischen sowie psychischen Probleme lösen. Anfangs können Antidepressiva die Behandlung unterstützen, die vor allem aus einer Verhaltenstherapie besteht.

„Dabei schauen wir uns auch an, welche Konflikte dafür verantwortlich sind, dass sich jemand in so eine vermeintlich auswegslose Situation bringen lässt“, erklärt der Experte genauer. Denn am einfachsten wäre es doch, die Stellung aufzugeben, die einen krank macht. Manche Menschen brauchen dabei jedoch Hilfe.

Angst vor Veränderung und zu viele Verpflichtungen bereiten den Weg für ein Boreout

Der häufigste Konflikt, der Boreout den Weg bereitet, ist einerseits völlig unzufrieden zu sein, andererseits Sicherheit und Privilegien nicht aufgeben zu wollen oder zu können – vielleicht, weil andere Menschen von einem abhängig sind. „Diese Ambivalenz arbeiten wir heraus und analysieren, wie der Patient da hineingeraten konnte“, sagt Bert te Wildt. Ist es zu viel Angst vor Veränderungen, zu viel Sicherheitsbedürfnis, habe ich bei meinen Verpflichtungen zu hoch gepokert?

Spielräume nutzen

Im Rahmen der Analyse der Situation ergeben sich häufig ungeahnte Spielräume, sowohl im Job als auch im Privatleben. Hier können Lösungsansätze greifen: das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, um Veränderungspotentiale auszuloten, Sinnstiftendes neben der Arbeit finden, zum Beispiel in sozialen Beziehungen, bei einem Ehrenamt oder einem anspruchsvollen Hobby.

„Wie bei anderen Formen der Depression können auch bei Boreout-Patienten ehrenamtliche und sportliche Betätigungen antidepressiv wirken“, berichtet der Experte. Dadurch müsse es nicht immer gleich zu einem Arbeitsplatzwechsel kommen. Die Beschwerden können sich dann nach und nach legen, Selbstsicherheit und Selbstwertgefühl nehmen zu, damit gibt es sozusagen einen sanften Weg aus der Boreout-Falle.

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