Was bringen Zahnspangen wirklich?

Es gibt sie fest oder lose, mit Glitzer und in der Wunschfarbe: Zahnspangen gehören in vielen deutschen Familien zum Alltag. Rund die Hälfte der Kinder und Jugendlichen wird von einem Kieferorthopäden behandelt, um die Zähne geradezurücken. Allerdings ist vollkommen unklar, wie stark die Gesundheit langfristig von diesen Therapien profitiert, wie aus einer aktuellen Untersuchung hervorgeht.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte das Gutachten beauftragt, nachdem der Bundesrechnungshof im April erhebliche Missstände in der Kieferorthopädie angeprangert hatte. Die damalige Kritik: Trotz der vielen Behandlungen wisse weder das Bundesgesundheitsministerium noch die Gesetzlichen Krankenkassen, was bei den Ärzten genau geschehe und wie stark die Patienten davon profitierten. Überschrieben war das Papier mit einem Appell: „Nutzen kieferorthopädischer Behandlung muss endlich erforscht werden.“

Eine Milliarde Euro Ausgaben – und kaum Wissen

Das jetzige Gutachten bestätigt die Kritik in weiten Teilen. Für die Untersuchungen hatten Forscher des unabhängigen IGES-Instituts Informationen aus allen Studien zusammengetragen, die sie zu dem Thema finden konnten. Dabei konzentrierten sie sich auf drei Punkte:

  • Wie wirken sich kieferorthopädische Behandlungen langfristig auf die Zahngesundheit aus?
  • Wie hoch sind die finanziellen Aufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der Selbstzahler für kieferorthopädische Leistungen?
  • Welcher weitere Forschungsbedarf besteht?

Dem Gutachten zufolge belegen Studien zwar Erfolge bei der Korrektur falsch stehender Zähne und positive Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten. Ungeklärt aber ist, wie stark die Korrekturen den Patienten langfristig nutzen. So fehlen etwa Untersuchungen dazu, wie sich die Korrekturen später auf die Entwicklung von Zahnverlust, Zahnlockerung, Entzündungen oder Schmerzen auswirken.

Gleichzeitig steigt seit Jahren die Summe, die gesetzliche Krankenkassen in die Kieferorthopädie investieren. 2017 erreichten sie mit mehr als einer Milliarde Euro einen Höchststand. Dies sei vor allem auf eine erhöhte Anzahl von Behandlungsfällen zurückzuführen, heißt es in dem Gutachten. Was stutzig macht: Gleichzeitig sank die Zahl der Versicherten, für die kieferorthopädische Leistungen hauptsächlich infrage kommen, also zum Beispiel Kinder und Jugendliche.

Ministerium zweifelt nicht an Notwendigkeit der Kieferorthopädie

Ein Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte am Donnerstag, dass das Ministerium nicht an der Notwendigkeit kieferorthopädischer Leistungen zweifle. Dass Zahnspangen Probleme wie Karies, Parodontitis oder Zahnverlust verringern, könne zwar nicht belegt werden, sei aber der Untersuchung zufolge auch nicht ausgeschlossen, teilte das Ministerium dazu mit.

„Prinzipiell bewertet den Nutzen einer Therapie nicht der Gesetzgeber“, hieß es weiter. Welche Leistungen der medizinischen Versorgung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden, legt der sogenannte Gemeinsame Bundesausschuss fest. Darin sind Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen vertreten. Das Ministerium werde mit den Beteiligten „den weiteren Forschungsbedarf und Handlungsempfehlungen erörtern“.

Das Fazit des aktuellen Gutachtens: Obwohl es viele Studien und Dokumente zu dem Thema gibt, bleiben wichtige Fragen offen. Die Forscher fordern, in Zukunft stärker zu ergründen, wie sich die Behandlungen langfristig auf die Gesundheit auswirken. Die Ergebnisse sollten anschließend genutzt werden, um Standards für die Diagnostik und Therapie von Zahnfehlstellungen zu erarbeiten.

Die zwei wichtigsten Fragen: Wann müssen Zahnfehlstellungen wirklich korrigiert werden? Und welche der verschiedenen Methode ist bei welchen Problemen langfristig die beste?

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