Millionen Deutsche leiden unwissentlich an Gastritis – wie du sie erkennst

Magenprobleme mit brennenden Bauchschmerzen, Völlegefühl und Übelkeit weisen auf Magenschleimhautentzündung hin. Häufig ist ein Magenkeim die Ursache, aber nicht immer. FOCUS Online zeigt, welche gefährlichen Folgen eine Gastritis haben kann und was moderne Therapien sind.

Eigentlich ist die Magenschleimhaut gut geschützt durch zähen Schleim, den darauf spezialisierte Zellen ständig erneuert. So kann der saure Magensaft oder die Magensäure, die Verdauungsenzyme enthält und zusätzlich Keime zerstört, die Schleimhaut nicht angreifen. Auch vor Reizstoffen aus dem Essen schützt die Schleimhaut den Magen.

Rund ein Fünftel der Deutschen haben Probleme mit der Magenschleimhaut

Doch manchmal versagt diese Schutzfunktion, die Säure dringt ein und die Magenschleimhaut kann sich entzünden. Rund 23,3 Prozent der Frauen und 17,5 Prozent der Männer haben eine Gastritis, schreibt das Robert-Koch-Institut in der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (Heft 55). Es handelt sich also durchaus um eine Volkskrankheit.

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Akute und chronische Gastritis – diese Symptome sind typisch

Dabei kann eine Magenschleimhautentzündung plötzlich auftreten. Diese akute Gastritis zeigt sich mit deutlichen Symptomen. Im Gegensatz dazu entwickeln sich die Anzeichen einer chronischen Gastritis erst langsam über Wochen hinweg und sind meist etwas weniger ausgeprägt.

Die Symptome der Magenschleimhautentzündung

  • Oberbauchbeschwerden, Druckgefühl
  • Magenschmerzen
  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Aufstoßen

Ursachen für akute Gastritis – oft spielen frei verkäufliche Medikamente eine Rolle

Verschiedene Faktoren können die Schleimhaut akut schädigen und zu einer plötzlichen Entzündung führen. „Das sind vor allem Medikamente wie selektive nichtsteroidale Antirheumatika, also Ibuprofen und Diclofenac, sowie Acetylhaltige Medikamente“, erklärt Dagmar Mainz, Sprecherin des Berufsverbandes Niedergelassener Magen- und Darmärzte (Gastroenterologen). Was die wenigsten wissen dürften: Auch Eisenpräparate können die Magenschleimhaut massiv angreifen.

Ein weiterer, wenn auch nicht ganz so starker Risikofaktor ist Alkohol, außerdem Verätzungen etwa durch Laugen oder Säuren – was jedoch nur selten passiert.

Chronische Gastritis – drei Ursachen, drei Typen

Dauerhafte, schleichende Entzündung der Magenschleimhaut wird je nach Ursache in drei verschiedene Typen eingeteilt:

1. Chronische Gastritis Typ A oder Autoimmungastritis – bei dieser angeborenen Autoimmunerkrankung greifen die Abwehrkräfte irrtümlich die Zellen der Magenschleimhaut an, sie bildet sich zurück und produziert weniger Magensäure. Zusätzlich wird die Aufnahme von Vitamin-B-12 vermindert. Betroffene müssen lebenslang Vitamin B 12 injiziert bekommen, Tabletten reichen nicht aus. Rund fünf Prozent der Patienten mit chronischer Gastritis haben diese Form der Magenschleimhautentzündung, die Autoimmungastritis.

2. Chronische Gastritis Typ B oder Helicobacter-pylori-Gastritis – dabei handelt es sich mit mehr als 80 Prozent um die häufigste Form der chronischen Gastritis. Ursache ist eine Infektion mit dem Magenkeim Helicobacter pylori, der sich in der Magenschleimhaut einnistet, die Magensäure überlistet und auf diese Weise unbehelligt die Schleimhaut schädigt. Fast jeder zweite Erwachsene in Deutschland ist mit diesem Keim belastet, viele davon erkranken jedoch nicht. „Von den Kindern sind nur noch drei Prozent infiziert, weil sich die Hygieneverhältnisse verbessert haben“, ergänzt die Magen-Darmärztin.

3. Chronische Gastritis Typ C oder chemisch bedingte Gastritis macht gut zehn Prozent der Erkrankungen aus. Chemisch heißt in diesem Fall, die Ursache sind Medikamente, die meist dauerhaft eingenommen werden müssen. „Das sind die oben genannten Schmerz- und Rheumamittel, aber auch ASS zur Blutverdünnung“, warnt die Expertin.

 

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Wenn Salben oder Zäpfchen auf den Magen gehen

Besonders wichtig: „Auch wenn diese Wirkstoffe, etwa Diclofenac oder Ibuprofen, als Salbe oder Zäpfchen genutzt werden, können sie die Magenschleimhaut verändern und entzünden“, nennt sie ein wichtiges Detail. Aus der Praxis berichtet sie, dass dieser Zusammenhang häufig besteht, die Patienten aber nicht wissen, dass die lokal und äußerlich genutzten Wirkstoffe den Prostaglandinstoffwechsel im Körper hemmen – was einerseits Entzündungen bremse, andererseits aber auch den Schleimhautschutz lockere. Gleiches gilt für diese Stoffe, wenn sie per Injektion verabreicht werden.

Gastritis in Kombination

Manchmal können nicht nur eine, sondern zwei dieser Formen der chronischen Gastritis gleichzeitig auftreten, etwa wenn zur chemisch-reaktiven Typ-C-Gastritis noch eine Infektion mit dem Helicobacter pylori kommt.

Rauchen, Alkohol und Kaffee meist nicht direkt beteiligt

Genussmittel wie Rauchen, Alkohol, Kaffee spielen übrigens bei der Entstehung einer chronischen Gastritis eine eher untergeordnete Rolle. „Kaffee hat mit der Entzündung nichts zu tun, Alkohol steht in Verbindung mit der akuten Gastritis und Rauchen führt nicht nur zu einer gesteigerten Produktion von Magensaft und Säure, sondern auch zu einer allgemeinen Minderdurchblutung, dabei auch der Magenschleimhaut, was den Heilungsprozess von Läsionen verzögert“, stellt die Expertin fest. Diese Faktoren sind also eher indirekt beteiligt.

Durchbrochenes Magengeschwür – Folgekrankheiten von Gastritis, die lebensbedrohlich sein können

Eine Magenschleimhautentzündung scheint vor diesem Hintergrund zwar sehr unangenehm, aber eher undramatisch zu sein. Das ist jedoch ein Trugschluss. Es kann zu teilweise lebensgefährlichen Komplikationen kommen mit massiven Schäden im Magen und Magenblutung.

Vor allem bei Typ B- und Typ C-Gastritis kann die Schleimhaut Läsionen bekommen, also Erosionen und Ulcus (Magengeschwür). Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine „Selbstverdauung des Magens“, wie oft geschrieben wird, sondern „die Schleimhaut verliert ihren Schutz, entwickelt Verletzungen, vergleichbar mit einer Schürfwunde – dadurch kommt es zu Blutungen“, erklärt Dagmar Mainz die Entstehung der Folgekrankheiten.

So kann etwa ein Ulcus zu bluten beginnen (durchbrochenes Geschwür). Geht die Magenschleimhaut-Verletzung in die Tiefe, kann sie die Magenwand durchbrechen. Es entsteht ein Loch, ein Magendurchbruch. Das kann lebensbedrohlich sein, weil damit ein Durchgang zur Bauchhöhle geschaffen wird, die sich dadurch infizieren kann. Das Tückische daran: Oft kommt es beim Magendurchbruch nur anfangs zu starken Schmerzen, die danach etwas nachlassen – währenddessen eine Bauchhöhleninfektion startet.

Gastritis und Magenkrebs – so eng ist der Zusammenhang

Magengeschwür, blutendes Ulcus, Magendurchbruch – und wie hoch ist das Risiko, durch Gastritis Magenkrebs zu entwickeln? „Dieser Zusammenhang besteht so weit bekannt vor allem mit einer Helicobacter-Infektion, wenn sie nicht oder zu spät erkannt und therapiert wird“, berichtet die Fachärztin. Helicobacter pylori ist mit der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung von Magenkrebs. Ist der gesamte Magen damit infiziert, ist das Risiko für ein Magenkarzinom um das 34-fache erhöht. Bei der Typ A-Gastritis ist diese Gefahr immerhin noch fünfmal höher als bei Magengesunden.

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    So gefährlich kann Gastritis sein – die Alarmzeichen

    Beachten Sie deshalb folgende Symptome, die in Zusammenhang mit Blutungen im Verdauungstrakt auftreten können:

    • die Beschwerden setzen plötzlich und massiv ein
    • Blut erbrechen
    • schwarzer Stuhl wie Teer (oxidiertes Blut)
    • schwarzer Durchfall (größere Blutmengen im Verdauungstrakt führen zu Durchfall)

    „Jedes dieser Symptome bedeutet einen absoluten Notfall – ab ins Krankenhaus oder den Notarzt rufen“, warnt die Expertin. Der Blutverlust kann zum Kreislaufkollaps führen.

    Magenbeschwerden unbedingt abklären lassen

    Magenbeschwerden solle jeder jedoch nicht nur im Akutfall, sondern bereits lange vorher sicherheitshalber einmal vom Facharzt abklären lassen. Das bedeutet, abgesehen von den Alarmzeichen: Immer, wenn Beschwerden über mehrere Wochen bestehen oder „innerhalb von 12 Wochen immer mal wieder auftreten, ist eine Spiegelung von Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm angebracht“, rät Dagmar Mainz. „Gleiches gilt übrigens, wenn man sich früher als vorher satt fühlt oder Appetitlosigkeit besteht“, führt sie außerdem aus. Das könnte zwar selten auf Gastritis hinweisen, aber auf eine andere Magenerkrankung, im schlimmsten Fall Magenkrebs – denn die Magenwand wird dadurch starr und kann sich nicht mehr so dehnen.

    Die wichtigste Untersuchung ist die Magenspiegelung. Sie ist unaufwändig und dauert meist nur rund zehn Minuten. Der Arzt inspiziert dabei Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm. Er sieht dabei nicht nur nicht nur Veränderungen – etwa rote Streifen und Flecken, Schwellungen, Erosionen, Geschwüre – sondern nimmt gleichzeitig Gewebeproben. Damit lässt sich histologisch feststellen, ob eine Entzündung, Keime wie Helicobacter pylori oder womöglich maligne Zellen vorliegen.

    Atemtest und Stuhlprobe weisen Helicocobacter nach – wann es falsche Ergebnisse geben kann

    Zusätzlich lässt sich der Magenkeim per Atemtest oder Stuhlprobe nachweisen. Beide Diagnosemittel haben eine sehr sichere Aussagekraft über 90 Prozent. Diese Untersuchungsmethoden gelten jedoch nur als Behandlungskontrolle, wenn eine Therapie gegen Helicobacter bereits erfolgt ist.

    Allerdings warnt die Magen-Darmärztin davor, dass die Testergebnisse durch bestimmte Medikamente verfälscht werden können. Das sind Säureblocker und Antibiotika. Mindestens ab vier Wochen vor dem Test dürfen deshalb diese Medikamente nicht mehr eingenommen werden.

    Therapie der Gastritis – wann Säureblocker sinnvoll sind

    Zur Behandlung der Magenschleimhautentzündung gehört in erster Linie, eventuell auslösende Medikamente wegzulassen oder zu ersetzen, am besten nach Rücksprache mit dem Arzt. Wenn der Patient jedoch etwa auf das Rheumamittel angewiesen ist, „ist die zusätzliche Einnahme eines Säureblockers als Magenschutz wichtig“, rät die Fachärztin. Das ist inzwischen bereits Routine, etwa wenn wegen orthopädischen Problemen über einen längeren Zeitraum Schmerzmittel nötig sind.

    Mittel der Wahl sind dabei Protonenpumpenhemmer (PPIs wie Pantoprazol und Omeprazol). H2-Blocker seien dagegen nicht so wirksam, schränkt Mainz ein. Und Antazida, also Medikamente, die die Magensäure neutralisieren, würden sich bei Gastritis, Geschwür und Erosion weniger eignen, „auch bei Reflux werden sie kaum noch angewendet, da würde ein Schluck Wasser ebenso helfen“, stellt die Expertin klar.

    Säureblocker in der Kritik

    Doch viele Patienten haben Bedenken, PPIs auf Dauer einzunehmen. Verschiedene Studien hatten Hinweise darauf geliefert, dass Osteoporose und Demenz dadurch begünstigt werden könnten. Die Sachlage dazu ist aber schwierig. Denn die Studien wurden häufig mit älteren Menschen durchgeführt, einfach deshalb, weil diese Patienten häufig regelmäßig Schmerz- und Rheumamittel einnehmen müssen – und deshalb auch PPIs. Doch gerade in dieser Altersgruppe träten Demenzerkrankungen und Osteoporose häufiger auf, erklärt die Expertin das Problem. Epidemiologisch lässt sich das also nicht exakt trennen.

    Fest stehe jedoch, dass PPIs zu einer bakteriellen Fehlbesiedelung im Dünndarm führen können, was Blähungen und Durchfall nach sich zieht – bekannte Nebenwirkungen der Säureblocker.

    Deshalb werden aktuell neue Medikamente erprobt, die vor allem bei Typ C-Gastritis eingesetzt werden sollen, wenn also die Dauereinnahme nichtsteroidaler Antirheumatika die Ursache der Schleimhautentzündung ist.

    Helicobacter pylori hat Resistenzen entwickelt, deshalb neue Antibiotika

    Wurde der Magenkeim nachgewiesen, handelt es sich also um eine Typ-B-Gastritis, verordnet der Arzt bestimmte Antibiotika. „Die früher eingesetzten wirken jedoch oft nicht mehr richtig, etwa Clarithromycin und Metronidazol“, warnt die Ärztin. Leider hätte sich diese Erkenntnis noch nicht allgemein durchgesetzt. Sie und ihre Kollegen richten sich nach den neuen Leitlinien, die stattdessen vorschlagen:

    • French Triple-Therapie mit PPI, Clarithromycin und Amoxicillin über 14 Tage oder
    • Bismuth-basierte Quadrupel-Therapie mit PPI, Bismut-Kalium-Salz, Tetracyclin und Metronidazol über 10 Tage

    Beide Schemata haben Eradikationsraten von 80 bis 90 Prozent. Schlagen sie nicht an, gibt es noch ein paar Ausweichantibiotika.

    Selbstmedikation bei Gastritis

    Doch was kann jeder Betroffene selbst gegen Gastritis tun – falls nicht Magenkeim oder Autoimmunkrankheit die Ursache ist? Es kann sinnvoll sein, reizende Stoffe wie scharfe Gewürze, Fettes, Kaffee, Alkohol zu meiden. Besonders disziplinierte Menschen sollen mit tagelanger Haferschleimdiät und Tee den Magen wieder ins Lot gebracht haben.

    „Die Entzündung werden Sie damit jedoch kaum heilen“, dämpft die Expertin hohe Erwartungen. Sicherlich kann Schonkost die Beschwerden verringern, aber wirkt nicht gegen die Entzündung. Denn vieles ist in diesem Zusammenhang individuell – so vertragen manche Menschen Kaffee sehr gut, andere bekommen dadurch sofort Magenschmerzen.

    Stress und Magenschleimhautentzündung

    Ähnlich wird von Medizinern heute übrigens Stress in Zusammenhang mit Gastritis bewertet. Ständiger negativer Stress kann zwar die Beschwerden bei Gastritis verstärken, die Entzündung selbst hat damit jedoch weniger zu tun. Ausnahme: „Wenn es zu einer sehr starken Ausschüttung von Stresshormonen kommt, etwa bei einem Verbrennungsopfer, kann das eine akute Magenschleimhautentzündung provozieren“, erklärt die Expertin.

    Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass gezielte Prävention gegen Gastritis nur bedingt möglich ist. Eine Infektion mit Helicobacter pylori hat man kaum in der Hand, ebenso die Autoimmunerkrankung. Auf jeden Fall sollten Sie jedoch Schmerz- und Rheumamittel am besten nicht ohne ärztlichen Rat einnehmen. Überlasten Sie Ihren Magen auch nicht durch zu viel Fettes, Scharfes, Süßes und literweise Kaffee. Und selbstverständlich ist es besser, Rauchen und Alkohol möglichst zu meiden – und damit nicht nur Ihren Magen zu schonen, sondern Ihre Gesundheit allgemein zu unterstützen.

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